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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische Diplomaten

habe der Amerikaner stolz geantwortet: "l'Kat'8 <zö 0>vn invsntion." (Den
habe ich selbst erfunden.)

Das alles ist natürlich faustdicke Übertreibung im Exzentrikgenre. Tatsache
ist nur, daß, wie schon gesagt, das System der Auswahl der Gesandten nach
dem Beuteprinzip, verbunden mit der früheren amerikanischen Unkenntnis euro¬
päischer Gebräuche, nicht selten zur Entsendung unfähiger und wenig gebildeter
Parteiboße führt, die in denheimischen Bier- und Whiskykneipen, den "saloong",
sich mehr am Platze und behaglicher fühlten, als in den europäischen Salons.
Es ist ein wahres Wunder, daß diese "Diplomaten" ihr Land nicht in blutige
Kriege gestürzt haben, denn ohne grobe Verstöße gegen internationale Sitte und
Anstand ist es bei ihnen sicherlich nicht abgegangen. Vermutlich haben die
europäischen Kabinette solche Verstöße, die von dieser Seite kamen, nicht allzu
tragisch genommen. Der britische Botschafter in Konstantinopel Sir Nicholas
O'Conor sagte mir vor sieben Jahren, es habe eine Zeit gegeben, wo man in
den europäischen Hauptstädten die amerikanischen Gesandten von vornherein als
Amateure betrachtete und ihnen daher viel Geduld und Nachsicht entgegenbrachte.
Man wußte, daß ihre "Kons interest8", ihre politischen und sonstigen Ge¬
schäfte in der Heimat, ihnen weit wichtiger waren, als der ganze diplomatische
Krempel, in dem sie sich nicht zurechtfinden konnten, und daß viele von ihnen
sich um eine Auslandsmission nur darum beworben hatten, weil ihre eitlen
Frauen sie dazu drängten. Den "Diplomaten" im Auslande entsprachen die
"Staatsmänner" in Washington vom Schlage der Chartier und Frye, Jingo-
Typen von rührender Einfalt in internationalen Dingen. So sagte einmal
Frye im amerikanischen Bundessenat -- es war dies drei Jahre vor dem Aus¬
bruch des spanisch-amerikanischen Krieges -- mit gewinnender Gradheit: "Wenn
ich Präsident wäre, so würde ich Kuba mit den Waffen in der Hand annektieren,
denn wir wollen die Insel schon lange haben." Limpl^ döLauss ve xvant it.
Wer wird sich auch mit den Chikanen und dem langweiligen Paragraphenkram
des Völkerrechts lange abgeben? XVe xvant it. ana keine 8stetes it. Gibt es
eine einfachere Formel?

Dieser amerikanische Diplomatentyp ist vielleicht noch nicht ganz aus¬
gestorben, aber er ist sicherlich im Aussterben begriffen. Eine neue, moderne
Gattung, mit großer Bildung und erheblicher Kenntnis europäischen Wesens ver¬
drängt allmählich die "Amateure" von früher. Mit dem steigenden Verkehr
zwischen Europa und Amerika, mit der zunehmenden Zahl der Amerikaner, die
Europa bereisen und in Europa studieren, sowie anderseits der Europäer, die
das große Land jenseits des Atlantic aus eigener Anschauung kennen lernen,
ist auch das gegenseitige Verständnis für die Anschauungen, Sitten und Tradi¬
tionen des anderen gewachsen. So ist es denn von selbst gekommen, daß die
Amerikaner -- namentlich seit ihrer stärkeren aktiven Beteiligung an der Welt¬
politik -- anfingen, die Notwendigkeit einer leistungsfähigen diplomatischen Ver¬
tretung zu begreifen; und ebenso konnten die Europäer die Wahrnehmung machen,
daß in den Amerikanern brauchbares Material für ausgezeichnete Diplomaten steckt.


Amerikanische Diplomaten

habe der Amerikaner stolz geantwortet: „l'Kat'8 <zö 0>vn invsntion." (Den
habe ich selbst erfunden.)

Das alles ist natürlich faustdicke Übertreibung im Exzentrikgenre. Tatsache
ist nur, daß, wie schon gesagt, das System der Auswahl der Gesandten nach
dem Beuteprinzip, verbunden mit der früheren amerikanischen Unkenntnis euro¬
päischer Gebräuche, nicht selten zur Entsendung unfähiger und wenig gebildeter
Parteiboße führt, die in denheimischen Bier- und Whiskykneipen, den „saloong",
sich mehr am Platze und behaglicher fühlten, als in den europäischen Salons.
Es ist ein wahres Wunder, daß diese „Diplomaten" ihr Land nicht in blutige
Kriege gestürzt haben, denn ohne grobe Verstöße gegen internationale Sitte und
Anstand ist es bei ihnen sicherlich nicht abgegangen. Vermutlich haben die
europäischen Kabinette solche Verstöße, die von dieser Seite kamen, nicht allzu
tragisch genommen. Der britische Botschafter in Konstantinopel Sir Nicholas
O'Conor sagte mir vor sieben Jahren, es habe eine Zeit gegeben, wo man in
den europäischen Hauptstädten die amerikanischen Gesandten von vornherein als
Amateure betrachtete und ihnen daher viel Geduld und Nachsicht entgegenbrachte.
Man wußte, daß ihre „Kons interest8", ihre politischen und sonstigen Ge¬
schäfte in der Heimat, ihnen weit wichtiger waren, als der ganze diplomatische
Krempel, in dem sie sich nicht zurechtfinden konnten, und daß viele von ihnen
sich um eine Auslandsmission nur darum beworben hatten, weil ihre eitlen
Frauen sie dazu drängten. Den „Diplomaten" im Auslande entsprachen die
„Staatsmänner" in Washington vom Schlage der Chartier und Frye, Jingo-
Typen von rührender Einfalt in internationalen Dingen. So sagte einmal
Frye im amerikanischen Bundessenat — es war dies drei Jahre vor dem Aus¬
bruch des spanisch-amerikanischen Krieges — mit gewinnender Gradheit: „Wenn
ich Präsident wäre, so würde ich Kuba mit den Waffen in der Hand annektieren,
denn wir wollen die Insel schon lange haben." Limpl^ döLauss ve xvant it.
Wer wird sich auch mit den Chikanen und dem langweiligen Paragraphenkram
des Völkerrechts lange abgeben? XVe xvant it. ana keine 8stetes it. Gibt es
eine einfachere Formel?

Dieser amerikanische Diplomatentyp ist vielleicht noch nicht ganz aus¬
gestorben, aber er ist sicherlich im Aussterben begriffen. Eine neue, moderne
Gattung, mit großer Bildung und erheblicher Kenntnis europäischen Wesens ver¬
drängt allmählich die „Amateure" von früher. Mit dem steigenden Verkehr
zwischen Europa und Amerika, mit der zunehmenden Zahl der Amerikaner, die
Europa bereisen und in Europa studieren, sowie anderseits der Europäer, die
das große Land jenseits des Atlantic aus eigener Anschauung kennen lernen,
ist auch das gegenseitige Verständnis für die Anschauungen, Sitten und Tradi¬
tionen des anderen gewachsen. So ist es denn von selbst gekommen, daß die
Amerikaner — namentlich seit ihrer stärkeren aktiven Beteiligung an der Welt¬
politik — anfingen, die Notwendigkeit einer leistungsfähigen diplomatischen Ver¬
tretung zu begreifen; und ebenso konnten die Europäer die Wahrnehmung machen,
daß in den Amerikanern brauchbares Material für ausgezeichnete Diplomaten steckt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/352>, abgerufen am 28.12.2024.