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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

nur. bis sie durchgezogen waren, um dann ihre Schlupfwinkel zu neuen Greuel¬
taten zu verlassen.

Deshalb ging die Meinung des alten Wenkendorff dahin, daß vor allem
die Straße zwischen Borküll und Tariomaa bewacht werden müßte. "Nach
Norden zu ist die Gegend frei vom Feinde. Es gilt, ihn durch ständige
Patrouillenritte in den Wäldern zu blockieren, bis das Militär die eigentliche
Verfolgung übernehmen kann. Alle Einzelheiten machen Sie mit Sandberg aus.
Ich selber bleibe auf Sternburg am Telephon und sorge dafür, daß Sie über
die Ereignisse auf dem Laufenden bleiben. spätestens um sieben Uhr, denke
ich, sind wir alle wieder hier beisammen. Sie haben also noch fünf Stunden
Zeit für Ihren Ritt. Und nun mit Gott, meine Herren!"

Nur drei Junker blieben auf dem Gut zurück, um sich für Stafettenritte
zur Verfügung zu halten, falls solche notwendig wurden.

Eine friedliche Stille lag über dem weiten Hof.

Evi stand mit Reus von Manteuffel an ihrem Ausguck auf dem obersten
Boden des hohen Dach es und sah den stattlichen Reiterzug zwischen den Tannen
verschwinden. Sie hatte durchaus anreiten wollen, und war auf des Vaters
striktes Verbot schließlich in lautes Heulen ausgebrochen. Wie ein richtiges un¬
gezogenes Kind hatte sie sich benommen. Da erbot sich Reus von Manteuffel,
der sie von klein auf kannte, statt eines der anderen Herren zurückzubleiben und
das erregte Mädchen zu beruhigen. Es gelang seinem Humor auch bald, und
nun schleppte Evi ihren Ritter treppauf, treppab und ließ ihn nicht von ihrer
Seite. Hinter den Scheunen hatte Sandberg ihr eine Schießbahn eingerichtet,
und sie bestand darauf, daß Ren6 von Manteuffel mit ihr um die Wette schoß.

"Ganz gut," sagte sie, als sie die Ringe zählte. "Besser als ich. Aber
Sandberg -- hah -- der schießt dreimal so gut wie Sie. Er trifft stets ins
"Schwarze!"

Und Sandbergs Name klang noch oft hinein in das lebhafte Plaudern
der Kleinen, so daß ihr Begleiter schließlich anfing, sie mit dem Förster zu
necken:

"Heiraten? Nee, das kann man ja nicht. Er ist ja nicht von Adel."
Dann setzte sie mit schnippischer Frage hinzu: "Aber -- wenn ihn nun der
Zar adlig macht? Papa hat es doch vorhin auch gesagt, daß Sandberg den
Ritterschlag verdient. Vielleicht geht er mal zum Ritterschaftshauptmann, der
trinkt oft Tee bei der Zarin, und spricht mit ihm. Der wird es schon machen!"

Der junge Offizier lachte hell auf: "Also rettungslos verkrallt! Da hab
ich ja gar keine Hoffnung mehr!"

"Sie können Edda kriegen!" sagte Evi und zog ihn in das Zimmer der
Schwestern.

Herrenbesuch hatte der kleine Mädchensalon bisher noch wenig gesehen. Er
bot kaum Platz sür die sechs Menschen, die sich dort zu einem gemütlichen
Plauderstündchen zusammengefunden hatten.


Sturm

nur. bis sie durchgezogen waren, um dann ihre Schlupfwinkel zu neuen Greuel¬
taten zu verlassen.

Deshalb ging die Meinung des alten Wenkendorff dahin, daß vor allem
die Straße zwischen Borküll und Tariomaa bewacht werden müßte. „Nach
Norden zu ist die Gegend frei vom Feinde. Es gilt, ihn durch ständige
Patrouillenritte in den Wäldern zu blockieren, bis das Militär die eigentliche
Verfolgung übernehmen kann. Alle Einzelheiten machen Sie mit Sandberg aus.
Ich selber bleibe auf Sternburg am Telephon und sorge dafür, daß Sie über
die Ereignisse auf dem Laufenden bleiben. spätestens um sieben Uhr, denke
ich, sind wir alle wieder hier beisammen. Sie haben also noch fünf Stunden
Zeit für Ihren Ritt. Und nun mit Gott, meine Herren!"

Nur drei Junker blieben auf dem Gut zurück, um sich für Stafettenritte
zur Verfügung zu halten, falls solche notwendig wurden.

Eine friedliche Stille lag über dem weiten Hof.

Evi stand mit Reus von Manteuffel an ihrem Ausguck auf dem obersten
Boden des hohen Dach es und sah den stattlichen Reiterzug zwischen den Tannen
verschwinden. Sie hatte durchaus anreiten wollen, und war auf des Vaters
striktes Verbot schließlich in lautes Heulen ausgebrochen. Wie ein richtiges un¬
gezogenes Kind hatte sie sich benommen. Da erbot sich Reus von Manteuffel,
der sie von klein auf kannte, statt eines der anderen Herren zurückzubleiben und
das erregte Mädchen zu beruhigen. Es gelang seinem Humor auch bald, und
nun schleppte Evi ihren Ritter treppauf, treppab und ließ ihn nicht von ihrer
Seite. Hinter den Scheunen hatte Sandberg ihr eine Schießbahn eingerichtet,
und sie bestand darauf, daß Ren6 von Manteuffel mit ihr um die Wette schoß.

„Ganz gut," sagte sie, als sie die Ringe zählte. „Besser als ich. Aber
Sandberg — hah — der schießt dreimal so gut wie Sie. Er trifft stets ins
"Schwarze!"

Und Sandbergs Name klang noch oft hinein in das lebhafte Plaudern
der Kleinen, so daß ihr Begleiter schließlich anfing, sie mit dem Förster zu
necken:

„Heiraten? Nee, das kann man ja nicht. Er ist ja nicht von Adel."
Dann setzte sie mit schnippischer Frage hinzu: „Aber — wenn ihn nun der
Zar adlig macht? Papa hat es doch vorhin auch gesagt, daß Sandberg den
Ritterschlag verdient. Vielleicht geht er mal zum Ritterschaftshauptmann, der
trinkt oft Tee bei der Zarin, und spricht mit ihm. Der wird es schon machen!"

Der junge Offizier lachte hell auf: „Also rettungslos verkrallt! Da hab
ich ja gar keine Hoffnung mehr!"

„Sie können Edda kriegen!" sagte Evi und zog ihn in das Zimmer der
Schwestern.

Herrenbesuch hatte der kleine Mädchensalon bisher noch wenig gesehen. Er
bot kaum Platz sür die sechs Menschen, die sich dort zu einem gemütlichen
Plauderstündchen zusammengefunden hatten.


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[0192] Sturm nur. bis sie durchgezogen waren, um dann ihre Schlupfwinkel zu neuen Greuel¬ taten zu verlassen. Deshalb ging die Meinung des alten Wenkendorff dahin, daß vor allem die Straße zwischen Borküll und Tariomaa bewacht werden müßte. „Nach Norden zu ist die Gegend frei vom Feinde. Es gilt, ihn durch ständige Patrouillenritte in den Wäldern zu blockieren, bis das Militär die eigentliche Verfolgung übernehmen kann. Alle Einzelheiten machen Sie mit Sandberg aus. Ich selber bleibe auf Sternburg am Telephon und sorge dafür, daß Sie über die Ereignisse auf dem Laufenden bleiben. spätestens um sieben Uhr, denke ich, sind wir alle wieder hier beisammen. Sie haben also noch fünf Stunden Zeit für Ihren Ritt. Und nun mit Gott, meine Herren!" Nur drei Junker blieben auf dem Gut zurück, um sich für Stafettenritte zur Verfügung zu halten, falls solche notwendig wurden. Eine friedliche Stille lag über dem weiten Hof. Evi stand mit Reus von Manteuffel an ihrem Ausguck auf dem obersten Boden des hohen Dach es und sah den stattlichen Reiterzug zwischen den Tannen verschwinden. Sie hatte durchaus anreiten wollen, und war auf des Vaters striktes Verbot schließlich in lautes Heulen ausgebrochen. Wie ein richtiges un¬ gezogenes Kind hatte sie sich benommen. Da erbot sich Reus von Manteuffel, der sie von klein auf kannte, statt eines der anderen Herren zurückzubleiben und das erregte Mädchen zu beruhigen. Es gelang seinem Humor auch bald, und nun schleppte Evi ihren Ritter treppauf, treppab und ließ ihn nicht von ihrer Seite. Hinter den Scheunen hatte Sandberg ihr eine Schießbahn eingerichtet, und sie bestand darauf, daß Ren6 von Manteuffel mit ihr um die Wette schoß. „Ganz gut," sagte sie, als sie die Ringe zählte. „Besser als ich. Aber Sandberg — hah — der schießt dreimal so gut wie Sie. Er trifft stets ins "Schwarze!" Und Sandbergs Name klang noch oft hinein in das lebhafte Plaudern der Kleinen, so daß ihr Begleiter schließlich anfing, sie mit dem Förster zu necken: „Heiraten? Nee, das kann man ja nicht. Er ist ja nicht von Adel." Dann setzte sie mit schnippischer Frage hinzu: „Aber — wenn ihn nun der Zar adlig macht? Papa hat es doch vorhin auch gesagt, daß Sandberg den Ritterschlag verdient. Vielleicht geht er mal zum Ritterschaftshauptmann, der trinkt oft Tee bei der Zarin, und spricht mit ihm. Der wird es schon machen!" Der junge Offizier lachte hell auf: „Also rettungslos verkrallt! Da hab ich ja gar keine Hoffnung mehr!" „Sie können Edda kriegen!" sagte Evi und zog ihn in das Zimmer der Schwestern. Herrenbesuch hatte der kleine Mädchensalon bisher noch wenig gesehen. Er bot kaum Platz sür die sechs Menschen, die sich dort zu einem gemütlichen Plauderstündchen zusammengefunden hatten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/192>, abgerufen am 28.12.2024.