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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Sturm

"Hier Edda! Erkennen Sie mich denn nicht? Sie wollen kommen? Ja,
können Sie denn? Das ist ja schön! Wir kriegen das ganze Haus voll Gäste.
Der Selbstschutz -- Sie wissen schon? Dreiundzwanzig Junker, mit Ihnen
vierundzwanzig . . ."

"Unfug! Er darf nicht von Hause fort!" rief der alte Wenkendorff da¬
zwischen und schob die Tochter beiseite. "Junge -- du bleibst unter allen
Umständen auf Borküll, die Straße ist gefährdet. Sandberg hat dieselbe Bande
gesichtet, die das Pfarrhaus und Schloß Rosenhof niedergebrannt hat. -- Ach
so! Das ging dich an, vorhin! Du willst den Dragonern entgegenreiten?
Die finden ihren Weg allein. Wenn es Nacht ist, gebe ich ihnen Sandberg
mit. Hör auf mich! . . . Bist du noch da, Wolfs? Zum Donnerwetter, nun
schnurrt das Ding wieder wie verrückt!"

Der Alte legte den Hörer fort: "Aber, wenn er kommt, kann er was
erleben!"

Edda lauschte noch lange. Vielleicht meldet er sich noch einmal! dachte
sie, voller Durst nach der geliebten Stimme. Doch ihre Hoffnung war ver¬
geblich . . .

Evi stand am Hostor und lugte die Straße entlang. Es war bald
Mittag und die Wagen waren noch nicht zu sehen. Aber ganz in der Ferne
zitterte ein Ton, der ihrem scharfen Ohr nicht entging. Das war das Schellen¬
gehänge der Postpferde. Immer näher klang das helle Läuten, und Eois
junges Herz klang mit.

"Sie kommen!" schrie sie in den Hof hinein, wo Sandberg die Meldung
in die Küche weitergab.

Bald bogen die hohen grünen Postwagen mit ihrem Dreigespann von
kleinen mageren Pferden in die Allee ein, und Eois fröhliches Hurra fand das
laute Echo vieler kräftiger Männerstimmen.

Zuerst schwang sich Reus von Manteuffel herab, eilte die Treppe hinauf
und blieb in militärischer Haltung vor dem alten Wenkendorff stehen: "Melde
gehorsamst zur Stelle. Dreiundzwanzig Ritter zu Schutz und Trutz!"

"Lieber Manteuffel! Es ist brav von Euch, daß Ihr gekommen seid. Will-
kommen auf Sternburg, Ihr Herren!"

Breit und fest und aufrecht stand der alte Freiherr inmitten dieser Schar
schlanker sehniger Recken und streckte ihnen beide Hände zu kräftigen? Druck
entgegen. Sein Herz schlug höher, als er all die frische Jugend um sich sah.
Er vergaß den Ernst der Stunde und lud die Gäste mit heiterem Scherzwort
ein, ins Haus zu treten und sichs behaglich zu machen.

"Das ist mein Oberstallmeister!" sagte er, auf Edles deutend. "An den
wendet Ihr Euch, wenn Ihr Pferde braucht. Das ist mein Obermundschenk!
Er hat den Schlüssel zum Weinkeller. Stellt Euch gut mit ihm!" fuhr er fort,
Ebbas Hand ergreifend. "Und dieser kecke Rittersmann," er faßte Evi bei den


Sturm

„Hier Edda! Erkennen Sie mich denn nicht? Sie wollen kommen? Ja,
können Sie denn? Das ist ja schön! Wir kriegen das ganze Haus voll Gäste.
Der Selbstschutz — Sie wissen schon? Dreiundzwanzig Junker, mit Ihnen
vierundzwanzig . . ."

„Unfug! Er darf nicht von Hause fort!" rief der alte Wenkendorff da¬
zwischen und schob die Tochter beiseite. „Junge — du bleibst unter allen
Umständen auf Borküll, die Straße ist gefährdet. Sandberg hat dieselbe Bande
gesichtet, die das Pfarrhaus und Schloß Rosenhof niedergebrannt hat. — Ach
so! Das ging dich an, vorhin! Du willst den Dragonern entgegenreiten?
Die finden ihren Weg allein. Wenn es Nacht ist, gebe ich ihnen Sandberg
mit. Hör auf mich! . . . Bist du noch da, Wolfs? Zum Donnerwetter, nun
schnurrt das Ding wieder wie verrückt!"

Der Alte legte den Hörer fort: „Aber, wenn er kommt, kann er was
erleben!"

Edda lauschte noch lange. Vielleicht meldet er sich noch einmal! dachte
sie, voller Durst nach der geliebten Stimme. Doch ihre Hoffnung war ver¬
geblich . . .

Evi stand am Hostor und lugte die Straße entlang. Es war bald
Mittag und die Wagen waren noch nicht zu sehen. Aber ganz in der Ferne
zitterte ein Ton, der ihrem scharfen Ohr nicht entging. Das war das Schellen¬
gehänge der Postpferde. Immer näher klang das helle Läuten, und Eois
junges Herz klang mit.

„Sie kommen!" schrie sie in den Hof hinein, wo Sandberg die Meldung
in die Küche weitergab.

Bald bogen die hohen grünen Postwagen mit ihrem Dreigespann von
kleinen mageren Pferden in die Allee ein, und Eois fröhliches Hurra fand das
laute Echo vieler kräftiger Männerstimmen.

Zuerst schwang sich Reus von Manteuffel herab, eilte die Treppe hinauf
und blieb in militärischer Haltung vor dem alten Wenkendorff stehen: „Melde
gehorsamst zur Stelle. Dreiundzwanzig Ritter zu Schutz und Trutz!"

„Lieber Manteuffel! Es ist brav von Euch, daß Ihr gekommen seid. Will-
kommen auf Sternburg, Ihr Herren!"

Breit und fest und aufrecht stand der alte Freiherr inmitten dieser Schar
schlanker sehniger Recken und streckte ihnen beide Hände zu kräftigen? Druck
entgegen. Sein Herz schlug höher, als er all die frische Jugend um sich sah.
Er vergaß den Ernst der Stunde und lud die Gäste mit heiterem Scherzwort
ein, ins Haus zu treten und sichs behaglich zu machen.

„Das ist mein Oberstallmeister!" sagte er, auf Edles deutend. „An den
wendet Ihr Euch, wenn Ihr Pferde braucht. Das ist mein Obermundschenk!
Er hat den Schlüssel zum Weinkeller. Stellt Euch gut mit ihm!" fuhr er fort,
Ebbas Hand ergreifend. „Und dieser kecke Rittersmann," er faßte Evi bei den


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[0190] Sturm „Hier Edda! Erkennen Sie mich denn nicht? Sie wollen kommen? Ja, können Sie denn? Das ist ja schön! Wir kriegen das ganze Haus voll Gäste. Der Selbstschutz — Sie wissen schon? Dreiundzwanzig Junker, mit Ihnen vierundzwanzig . . ." „Unfug! Er darf nicht von Hause fort!" rief der alte Wenkendorff da¬ zwischen und schob die Tochter beiseite. „Junge — du bleibst unter allen Umständen auf Borküll, die Straße ist gefährdet. Sandberg hat dieselbe Bande gesichtet, die das Pfarrhaus und Schloß Rosenhof niedergebrannt hat. — Ach so! Das ging dich an, vorhin! Du willst den Dragonern entgegenreiten? Die finden ihren Weg allein. Wenn es Nacht ist, gebe ich ihnen Sandberg mit. Hör auf mich! . . . Bist du noch da, Wolfs? Zum Donnerwetter, nun schnurrt das Ding wieder wie verrückt!" Der Alte legte den Hörer fort: „Aber, wenn er kommt, kann er was erleben!" Edda lauschte noch lange. Vielleicht meldet er sich noch einmal! dachte sie, voller Durst nach der geliebten Stimme. Doch ihre Hoffnung war ver¬ geblich . . . Evi stand am Hostor und lugte die Straße entlang. Es war bald Mittag und die Wagen waren noch nicht zu sehen. Aber ganz in der Ferne zitterte ein Ton, der ihrem scharfen Ohr nicht entging. Das war das Schellen¬ gehänge der Postpferde. Immer näher klang das helle Läuten, und Eois junges Herz klang mit. „Sie kommen!" schrie sie in den Hof hinein, wo Sandberg die Meldung in die Küche weitergab. Bald bogen die hohen grünen Postwagen mit ihrem Dreigespann von kleinen mageren Pferden in die Allee ein, und Eois fröhliches Hurra fand das laute Echo vieler kräftiger Männerstimmen. Zuerst schwang sich Reus von Manteuffel herab, eilte die Treppe hinauf und blieb in militärischer Haltung vor dem alten Wenkendorff stehen: „Melde gehorsamst zur Stelle. Dreiundzwanzig Ritter zu Schutz und Trutz!" „Lieber Manteuffel! Es ist brav von Euch, daß Ihr gekommen seid. Will- kommen auf Sternburg, Ihr Herren!" Breit und fest und aufrecht stand der alte Freiherr inmitten dieser Schar schlanker sehniger Recken und streckte ihnen beide Hände zu kräftigen? Druck entgegen. Sein Herz schlug höher, als er all die frische Jugend um sich sah. Er vergaß den Ernst der Stunde und lud die Gäste mit heiterem Scherzwort ein, ins Haus zu treten und sichs behaglich zu machen. „Das ist mein Oberstallmeister!" sagte er, auf Edles deutend. „An den wendet Ihr Euch, wenn Ihr Pferde braucht. Das ist mein Obermundschenk! Er hat den Schlüssel zum Weinkeller. Stellt Euch gut mit ihm!" fuhr er fort, Ebbas Hand ergreifend. „Und dieser kecke Rittersmann," er faßte Evi bei den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/190>, abgerufen am 19.10.2024.