Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr."I^'Komms maclime" im zwanzigsten Jahrhundert vorteilhaftere ersetzte, durchschnittlich dreihundertmidfünfzig Ziegel in der Stunde Die Auslese der Arbeiter ist überhaupt beim Taylor-System wohl die *) Vergleiche den Aufsatz "Beiträge zu einer Psychologie der Arbeiter" von Dr. D. Meyer
in Heft 22 dieses Jahrgangs der Grenzboten. „I^'Komms maclime" im zwanzigsten Jahrhundert vorteilhaftere ersetzte, durchschnittlich dreihundertmidfünfzig Ziegel in der Stunde Die Auslese der Arbeiter ist überhaupt beim Taylor-System wohl die *) Vergleiche den Aufsatz „Beiträge zu einer Psychologie der Arbeiter" von Dr. D. Meyer
in Heft 22 dieses Jahrgangs der Grenzboten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326352"/> <fw type="header" place="top"> „I^'Komms maclime" im zwanzigsten Jahrhundert</fw><lb/> <p xml:id="ID_818" prev="#ID_817"> vorteilhaftere ersetzte, durchschnittlich dreihundertmidfünfzig Ziegel in der Stunde<lb/> zu verlegen. Die Anwendung des „Systems" bei Stahlkugelarbeiterinnen ergab,<lb/> daß fünfunddreißig Mädchen nunmehr dasselbe Arbeitsquantum lieferten wie vorher<lb/> einhundertundzwanzig; dabei war die Genauigkeit der Arbeit zweidrittelmal größer<lb/> als früher und die Arbeitszeit war pro Tag von 10^ auf Stunden ge¬<lb/> sunken. Der entscheidende Faktor für dies Ergebnis war die sorgfältige Aus¬<lb/> lese der Arbeiterinnen unter Zuhilfenahme einfacher psychologischer Experimente,<lb/> die darauf hinzielten, ihre Reaktionsfähigkeit zu prüfen. Nur solche Ar¬<lb/> beiterinnen, die eine kurze Reaktionszeit hatten, wurden in den Betrieb ein¬<lb/> gestellt, sofern sie sonst andauernd und fleißig waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_819"> Die Auslese der Arbeiter ist überhaupt beim Taylor-System wohl die<lb/> schwierigste und zugleich die wichtigste Aufgabe für die Betriebsleitung. Es<lb/> gilt vor allen Dingen Leute ausfindig zu machen, die einer völlig veränderten<lb/> Auffassung von ihrer Stellung zur Arbeit und zu den Arbeitgebern zugänglich<lb/> sind. Wir wissen zur Genüge, daß die Arbeiter in ihrem Arbeitgeber meistens<lb/> ihren Ausbeuter sehen und von der Verbreitung des Widerwillens gegen die<lb/> Arbeit hat uns Adolf Levenstein durch seine Enqueten erst kürzlich Stichproben<lb/> gegeben.*) Es ist aber keine Sentimentalität, sondern gesunde Realpolitik, wenn<lb/> versucht wird diese Zustände, die für den Produktionsprozeß Hemmnisse bedeuten,<lb/> zu beseitigen oder wenigstens einzudämmen. Taylor geht von der Überzeugung<lb/> aus, daß die wahren Interessen beider Parteien, der Arbeitgeber und der Arbeit¬<lb/> nehmer in gleicher Richtung liegen, eine Überzeugung, der ja oft genug Aus¬<lb/> druck gegeben worden ist, die Taylor aber den Arbeitern im Verlauf der Arbeit<lb/> Schritt für Schritt zu beweisen sucht. Sein ganzes System ist getragen von<lb/> dem Gedanken, daß die Produktion bis zu ihren letzten Elementen eine bewußte<lb/> Synthese der Leistung des Arbeiters und der Betriebsleitung sein muß. Durch<lb/> eine genaue Feststellung der zweckmäßigsten Arbeitstechnik, durch Schulung der<lb/> Arbeiter, ihre ständige Kontrolle und Unterstützung seitens entsprechend vor¬<lb/> gebildeter Arbeitsleiter, lastet nun die Mühe und Verantwortung beinahe gleich¬<lb/> mäßig auf beiden Parteien. Die Einführung der einheitlichen Arbeitsmethoden,<lb/> der zweckmäßigsten Arbeitsgeräte und Arbeitsbedingungen kann natürlich nur<lb/> zwangsweise seitens der Leitung erfolgen, aber der Erfolg wird nur durch in¬<lb/> dividuelles Studium, individuelle Behandlung und entsprechende Bezahlung der<lb/> Arbeiter gesichert. Es ist natürlich, daß jeder einzelne Arbeiter bei Massen¬<lb/> arbeit weniger leistet als wenn sein persönlicher Ehrgeiz angeregt wird, wie dies<lb/> beim Taylor-System der Fall ist. Sein Lohn kann bei Anwendung der wissen¬<lb/> schaftlichen Betriebsleitung um 80 bis 100 Prozent steigen. Trotz höherer<lb/> Löhne und vermehrter sonstiger geschäftlicher Ausgaben verringert die Betriebs¬<lb/> leitung durch ökonomische Benutzung der Menschenkraft ihre Unkosten und kann<lb/> mit einer wesentlich verbesserten Arbeitsqualität rechnen.</p><lb/> <note xml:id="FID_67" place="foot"> *) Vergleiche den Aufsatz „Beiträge zu einer Psychologie der Arbeiter" von Dr. D. Meyer<lb/> in Heft 22 dieses Jahrgangs der Grenzboten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
„I^'Komms maclime" im zwanzigsten Jahrhundert
vorteilhaftere ersetzte, durchschnittlich dreihundertmidfünfzig Ziegel in der Stunde
zu verlegen. Die Anwendung des „Systems" bei Stahlkugelarbeiterinnen ergab,
daß fünfunddreißig Mädchen nunmehr dasselbe Arbeitsquantum lieferten wie vorher
einhundertundzwanzig; dabei war die Genauigkeit der Arbeit zweidrittelmal größer
als früher und die Arbeitszeit war pro Tag von 10^ auf Stunden ge¬
sunken. Der entscheidende Faktor für dies Ergebnis war die sorgfältige Aus¬
lese der Arbeiterinnen unter Zuhilfenahme einfacher psychologischer Experimente,
die darauf hinzielten, ihre Reaktionsfähigkeit zu prüfen. Nur solche Ar¬
beiterinnen, die eine kurze Reaktionszeit hatten, wurden in den Betrieb ein¬
gestellt, sofern sie sonst andauernd und fleißig waren.
Die Auslese der Arbeiter ist überhaupt beim Taylor-System wohl die
schwierigste und zugleich die wichtigste Aufgabe für die Betriebsleitung. Es
gilt vor allen Dingen Leute ausfindig zu machen, die einer völlig veränderten
Auffassung von ihrer Stellung zur Arbeit und zu den Arbeitgebern zugänglich
sind. Wir wissen zur Genüge, daß die Arbeiter in ihrem Arbeitgeber meistens
ihren Ausbeuter sehen und von der Verbreitung des Widerwillens gegen die
Arbeit hat uns Adolf Levenstein durch seine Enqueten erst kürzlich Stichproben
gegeben.*) Es ist aber keine Sentimentalität, sondern gesunde Realpolitik, wenn
versucht wird diese Zustände, die für den Produktionsprozeß Hemmnisse bedeuten,
zu beseitigen oder wenigstens einzudämmen. Taylor geht von der Überzeugung
aus, daß die wahren Interessen beider Parteien, der Arbeitgeber und der Arbeit¬
nehmer in gleicher Richtung liegen, eine Überzeugung, der ja oft genug Aus¬
druck gegeben worden ist, die Taylor aber den Arbeitern im Verlauf der Arbeit
Schritt für Schritt zu beweisen sucht. Sein ganzes System ist getragen von
dem Gedanken, daß die Produktion bis zu ihren letzten Elementen eine bewußte
Synthese der Leistung des Arbeiters und der Betriebsleitung sein muß. Durch
eine genaue Feststellung der zweckmäßigsten Arbeitstechnik, durch Schulung der
Arbeiter, ihre ständige Kontrolle und Unterstützung seitens entsprechend vor¬
gebildeter Arbeitsleiter, lastet nun die Mühe und Verantwortung beinahe gleich¬
mäßig auf beiden Parteien. Die Einführung der einheitlichen Arbeitsmethoden,
der zweckmäßigsten Arbeitsgeräte und Arbeitsbedingungen kann natürlich nur
zwangsweise seitens der Leitung erfolgen, aber der Erfolg wird nur durch in¬
dividuelles Studium, individuelle Behandlung und entsprechende Bezahlung der
Arbeiter gesichert. Es ist natürlich, daß jeder einzelne Arbeiter bei Massen¬
arbeit weniger leistet als wenn sein persönlicher Ehrgeiz angeregt wird, wie dies
beim Taylor-System der Fall ist. Sein Lohn kann bei Anwendung der wissen¬
schaftlichen Betriebsleitung um 80 bis 100 Prozent steigen. Trotz höherer
Löhne und vermehrter sonstiger geschäftlicher Ausgaben verringert die Betriebs¬
leitung durch ökonomische Benutzung der Menschenkraft ihre Unkosten und kann
mit einer wesentlich verbesserten Arbeitsqualität rechnen.
*) Vergleiche den Aufsatz „Beiträge zu einer Psychologie der Arbeiter" von Dr. D. Meyer
in Heft 22 dieses Jahrgangs der Grenzboten.
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