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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Der gegenwärtige Stand der Kmdercmswanderung aus England

Wanderung für Kind und Land stets betont wird, so ist dies ein Urteil, das
wie wenig andere für diese Art der Jugendfürsorge einnehmen muß.

Die Inspektion erstreckt sich "auf die allgemeine Lage des Kindes unter
besonderer Berücksichtigung seiner häuslichen Umgebung, seiner täglichen Arbeit,
des Kirchen- und Schulbesuchs, des persönlichen Eindrucks, der Behandlung
und des Betragens". Die Besuche finden völlig überraschend statt, so daß das
Kind stets inmitten seiner gewöhnlichen Beschäftigung angetroffen wird.

Jedenfalls hat sich die Inspektion als notwendig und segensreich erwiesen.
Da der Besucher auch persönliche Fühlung mit dem Kinde und seinen Neigungen
zu gewinnen sucht, ruht ein guter Teil des Erfolges, den diese Kinder im
späteren Leben haben, gerade auf der Tätigkeit der Jnspektionsbeamten, die
jederzeit bereit sind, das Wohl der Kinder mit Rat und Tat zu fördern.

Eine Wiedererstattung der Emigrationsunkosten wird nur von wenigen
Vereinen, nämlich solchen, die nur jenseits des Kindesalters emigrieren, schriftlich
ausgemacht. Weitaus die meisten Vereine sehen von einer solchen Abmachung
ab, und suchen in den Kindern nur die Bereitwilligkeit anzuregen, später durch
freiwillige Gaben und Beiträge die Auswanderung eines andern Kindes er¬
möglichen zu helfen. Barnardo gibt solchen, die freiwillig die Reisekosten
erstatten, eine Medaille und ihr Name prangt auf einer großen Tafel an der
Wand des Festsaales im Heim, auf daß ein Quantum persönlichen Ehrgeizes
die Tugenden der Dankbarkeit und Nächstenliebe unterstützen möge.

Einen Zusammenhang zwischen Heim und Kindern, sowie den Kindern
untereinander erstrebt erfolgreich eine in Toronto herausgegebene illustrierte
Monatsschrift "Up and Downs", in der über das Ergehen jedes einzelnen
Kindes von Zeit zu Zeit berichtet wird und alle wichtigen Ereignisse treulich
registriert werden. AIs Illustrationen dienen zumeist die eingesandten Photo¬
graphien der Kinder und ihres neuen Heimes. Gewöhnlich erscheinen die Be¬
richte in Form von Briefen der Kinder an ihr Heim. Sie sind das beste
Zeugnis für das Wohlergehen der Kinder und geben zugleich ein gutes Bild
von der Art des Lebens, das diese jungen Briten auf einer kanadischen Farm
führen. Einige solcher Briefe seien hier wiedergegeben.

Ein Mädchen schreibt:

Zuerst muß ich Ihnen dafür danken, daß Sie mich in ein so gutes Heim
gaben. Ich habe Mrs. K. für die "Up and Downs" bezahlt, die ich nun
erhalten werde.

Ich will Ihnen nun von unserer Farm erzählen. Wir haben ein Gespann
Pferde und außerdem 4 Pferde und ein kleines Füllen. Wir haben neun Kühe,
aber nur sieben geben eben Milch. Ich habe das Melken noch nicht gelernt.
Dann haben wir acht kleine Enten und ungefähr 60 Hühner und 24 Gänse.
Ich habe ein neues Kleid mit Bändern bekommen. Ich habe an meine Mutter
im alten Land geschrieben. Ich habe Kanada viel lieber als England. Ich


Der gegenwärtige Stand der Kmdercmswanderung aus England

Wanderung für Kind und Land stets betont wird, so ist dies ein Urteil, das
wie wenig andere für diese Art der Jugendfürsorge einnehmen muß.

Die Inspektion erstreckt sich „auf die allgemeine Lage des Kindes unter
besonderer Berücksichtigung seiner häuslichen Umgebung, seiner täglichen Arbeit,
des Kirchen- und Schulbesuchs, des persönlichen Eindrucks, der Behandlung
und des Betragens". Die Besuche finden völlig überraschend statt, so daß das
Kind stets inmitten seiner gewöhnlichen Beschäftigung angetroffen wird.

Jedenfalls hat sich die Inspektion als notwendig und segensreich erwiesen.
Da der Besucher auch persönliche Fühlung mit dem Kinde und seinen Neigungen
zu gewinnen sucht, ruht ein guter Teil des Erfolges, den diese Kinder im
späteren Leben haben, gerade auf der Tätigkeit der Jnspektionsbeamten, die
jederzeit bereit sind, das Wohl der Kinder mit Rat und Tat zu fördern.

Eine Wiedererstattung der Emigrationsunkosten wird nur von wenigen
Vereinen, nämlich solchen, die nur jenseits des Kindesalters emigrieren, schriftlich
ausgemacht. Weitaus die meisten Vereine sehen von einer solchen Abmachung
ab, und suchen in den Kindern nur die Bereitwilligkeit anzuregen, später durch
freiwillige Gaben und Beiträge die Auswanderung eines andern Kindes er¬
möglichen zu helfen. Barnardo gibt solchen, die freiwillig die Reisekosten
erstatten, eine Medaille und ihr Name prangt auf einer großen Tafel an der
Wand des Festsaales im Heim, auf daß ein Quantum persönlichen Ehrgeizes
die Tugenden der Dankbarkeit und Nächstenliebe unterstützen möge.

Einen Zusammenhang zwischen Heim und Kindern, sowie den Kindern
untereinander erstrebt erfolgreich eine in Toronto herausgegebene illustrierte
Monatsschrift „Up and Downs", in der über das Ergehen jedes einzelnen
Kindes von Zeit zu Zeit berichtet wird und alle wichtigen Ereignisse treulich
registriert werden. AIs Illustrationen dienen zumeist die eingesandten Photo¬
graphien der Kinder und ihres neuen Heimes. Gewöhnlich erscheinen die Be¬
richte in Form von Briefen der Kinder an ihr Heim. Sie sind das beste
Zeugnis für das Wohlergehen der Kinder und geben zugleich ein gutes Bild
von der Art des Lebens, das diese jungen Briten auf einer kanadischen Farm
führen. Einige solcher Briefe seien hier wiedergegeben.

Ein Mädchen schreibt:

Zuerst muß ich Ihnen dafür danken, daß Sie mich in ein so gutes Heim
gaben. Ich habe Mrs. K. für die „Up and Downs" bezahlt, die ich nun
erhalten werde.

Ich will Ihnen nun von unserer Farm erzählen. Wir haben ein Gespann
Pferde und außerdem 4 Pferde und ein kleines Füllen. Wir haben neun Kühe,
aber nur sieben geben eben Milch. Ich habe das Melken noch nicht gelernt.
Dann haben wir acht kleine Enten und ungefähr 60 Hühner und 24 Gänse.
Ich habe ein neues Kleid mit Bändern bekommen. Ich habe an meine Mutter
im alten Land geschrieben. Ich habe Kanada viel lieber als England. Ich


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[0137] Der gegenwärtige Stand der Kmdercmswanderung aus England Wanderung für Kind und Land stets betont wird, so ist dies ein Urteil, das wie wenig andere für diese Art der Jugendfürsorge einnehmen muß. Die Inspektion erstreckt sich „auf die allgemeine Lage des Kindes unter besonderer Berücksichtigung seiner häuslichen Umgebung, seiner täglichen Arbeit, des Kirchen- und Schulbesuchs, des persönlichen Eindrucks, der Behandlung und des Betragens". Die Besuche finden völlig überraschend statt, so daß das Kind stets inmitten seiner gewöhnlichen Beschäftigung angetroffen wird. Jedenfalls hat sich die Inspektion als notwendig und segensreich erwiesen. Da der Besucher auch persönliche Fühlung mit dem Kinde und seinen Neigungen zu gewinnen sucht, ruht ein guter Teil des Erfolges, den diese Kinder im späteren Leben haben, gerade auf der Tätigkeit der Jnspektionsbeamten, die jederzeit bereit sind, das Wohl der Kinder mit Rat und Tat zu fördern. Eine Wiedererstattung der Emigrationsunkosten wird nur von wenigen Vereinen, nämlich solchen, die nur jenseits des Kindesalters emigrieren, schriftlich ausgemacht. Weitaus die meisten Vereine sehen von einer solchen Abmachung ab, und suchen in den Kindern nur die Bereitwilligkeit anzuregen, später durch freiwillige Gaben und Beiträge die Auswanderung eines andern Kindes er¬ möglichen zu helfen. Barnardo gibt solchen, die freiwillig die Reisekosten erstatten, eine Medaille und ihr Name prangt auf einer großen Tafel an der Wand des Festsaales im Heim, auf daß ein Quantum persönlichen Ehrgeizes die Tugenden der Dankbarkeit und Nächstenliebe unterstützen möge. Einen Zusammenhang zwischen Heim und Kindern, sowie den Kindern untereinander erstrebt erfolgreich eine in Toronto herausgegebene illustrierte Monatsschrift „Up and Downs", in der über das Ergehen jedes einzelnen Kindes von Zeit zu Zeit berichtet wird und alle wichtigen Ereignisse treulich registriert werden. AIs Illustrationen dienen zumeist die eingesandten Photo¬ graphien der Kinder und ihres neuen Heimes. Gewöhnlich erscheinen die Be¬ richte in Form von Briefen der Kinder an ihr Heim. Sie sind das beste Zeugnis für das Wohlergehen der Kinder und geben zugleich ein gutes Bild von der Art des Lebens, das diese jungen Briten auf einer kanadischen Farm führen. Einige solcher Briefe seien hier wiedergegeben. Ein Mädchen schreibt: Zuerst muß ich Ihnen dafür danken, daß Sie mich in ein so gutes Heim gaben. Ich habe Mrs. K. für die „Up and Downs" bezahlt, die ich nun erhalten werde. Ich will Ihnen nun von unserer Farm erzählen. Wir haben ein Gespann Pferde und außerdem 4 Pferde und ein kleines Füllen. Wir haben neun Kühe, aber nur sieben geben eben Milch. Ich habe das Melken noch nicht gelernt. Dann haben wir acht kleine Enten und ungefähr 60 Hühner und 24 Gänse. Ich habe ein neues Kleid mit Bändern bekommen. Ich habe an meine Mutter im alten Land geschrieben. Ich habe Kanada viel lieber als England. Ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/137>, abgerufen am 20.10.2024.