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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Der gegenwärtige Stand der Uinderauswanderung ans England

sich gerade unter den Angehörigen strenger Sekten die allervorzüglichsten Pflege-
stellen. Da diese Kinder durchaus im Glauben ihrer Pflegeeltern erzogen
werden, läßt sich verstehen, daß die Kirche selbst sich an der Kinderemigration
nicht stark beteiligen mag.

Über 40 Prozent aller Kinderauswanderer sind Barnardokinder und die
Gesamtsumme aller Kinder, die er emigrierte, beträgt nicht weniger als 32000.
Des rühmt er sich. Ein Zeichen, daß diese Art der Jugendfürsorge hoch ein¬
geschätzt wird. In der Tat gibt es nur eine Unterbringung, die für Knaben
eine größere Auszeichnung bedeutet: auf ein Schulschiff zu kommen und in den
Dienst der Marine zu treten.

Es erscheint angezeigt, gerade die Barnardosche Methode der jugend¬
lichen Auswanderung näher kennen zu lernen, denn da er alljährlich fast die
Hälfte aller Kinder emigriert und stets unter seiner Schar auch die größte Zahl
von Staatskindern aufweist, kann sein System wohl als das typische gelten und
als Frucht der reichsten Erfahrung.

Diejenigen Kinder, die endgültig der Auswanderung würdig erklärt sind,
treten während der Frühlings- und Sommermonate die Ausreise an. Meist wird
ein erster Trupp von etwa hundertundfunfzig Knaben und Mädchen, deren Zahl
sich durchschnittlich wie 5:3 verhält, im März in den Londoner Docks eingeschifft.

Alle Kinder, die die Ausreise antreten, sind im Besitz einer reichlichen
Ausstattung, deren Kosten sür Knaben etwa 80 bis 90 Mark, für Mädchen
90 bis 100 Mark betragen, und die für ein Jahr reichlich bemessen ist.

Die Überfahrt findet selbstverständlich im Zwischendeck statt. Doch wird
den jungen Reisenden stets ein von der übrigen Zwischendecksgesellschaft ab¬
gesonderter Teil angewiesen, sowie sie auch an Deck einen besonderen abgetrennten
Teil zur Verfügung haben. Selbst einen besonderen Steward und eine Stewardeß
stellt die Dampfergesellschast (Allanlinie). Außerdem begleiten natürlich sach¬
verständige Leiter und "matron8" die Gesellschaft. Die Kosten der Auswanderung
inklusive Eisenbahnfahrt betragen durchschnittlich pro Kopf 12 bis 16 Pfund.
Aufenthalt in dem Heim vor der Auswanderung die Woche 7 Schilling.

Dampferfahrt........etwa 2,8 Pfd. Sterl,
Eisenbahnfahrt........
Ausstattung.........
Aufenthalt im Kan, Heim Pro Woche.
Inspektion .........

Davon ist ein Zuschuß (bonus) von 2 Dollars in Abzug zu bringen, den
die kanadische Regierung für jedes Kind bezahlt.

Die Reise endet im Frühling, meist bis Juni in Halifax, später im
Sommer, wenn der Lorenzstrom eisfrei ist, in Quebec.

Vor der Landung wird abermals eine ärztliche Kontrolle vorgenommen
und jedes Kind, das irgendwie den Verdacht ansteckender Krankheit erregt, wird
in Quarantäne behalten. Die anderen setzen die Reise mit der Eisenbahn nach


Der gegenwärtige Stand der Uinderauswanderung ans England

sich gerade unter den Angehörigen strenger Sekten die allervorzüglichsten Pflege-
stellen. Da diese Kinder durchaus im Glauben ihrer Pflegeeltern erzogen
werden, läßt sich verstehen, daß die Kirche selbst sich an der Kinderemigration
nicht stark beteiligen mag.

Über 40 Prozent aller Kinderauswanderer sind Barnardokinder und die
Gesamtsumme aller Kinder, die er emigrierte, beträgt nicht weniger als 32000.
Des rühmt er sich. Ein Zeichen, daß diese Art der Jugendfürsorge hoch ein¬
geschätzt wird. In der Tat gibt es nur eine Unterbringung, die für Knaben
eine größere Auszeichnung bedeutet: auf ein Schulschiff zu kommen und in den
Dienst der Marine zu treten.

Es erscheint angezeigt, gerade die Barnardosche Methode der jugend¬
lichen Auswanderung näher kennen zu lernen, denn da er alljährlich fast die
Hälfte aller Kinder emigriert und stets unter seiner Schar auch die größte Zahl
von Staatskindern aufweist, kann sein System wohl als das typische gelten und
als Frucht der reichsten Erfahrung.

Diejenigen Kinder, die endgültig der Auswanderung würdig erklärt sind,
treten während der Frühlings- und Sommermonate die Ausreise an. Meist wird
ein erster Trupp von etwa hundertundfunfzig Knaben und Mädchen, deren Zahl
sich durchschnittlich wie 5:3 verhält, im März in den Londoner Docks eingeschifft.

Alle Kinder, die die Ausreise antreten, sind im Besitz einer reichlichen
Ausstattung, deren Kosten sür Knaben etwa 80 bis 90 Mark, für Mädchen
90 bis 100 Mark betragen, und die für ein Jahr reichlich bemessen ist.

Die Überfahrt findet selbstverständlich im Zwischendeck statt. Doch wird
den jungen Reisenden stets ein von der übrigen Zwischendecksgesellschaft ab¬
gesonderter Teil angewiesen, sowie sie auch an Deck einen besonderen abgetrennten
Teil zur Verfügung haben. Selbst einen besonderen Steward und eine Stewardeß
stellt die Dampfergesellschast (Allanlinie). Außerdem begleiten natürlich sach¬
verständige Leiter und „matron8" die Gesellschaft. Die Kosten der Auswanderung
inklusive Eisenbahnfahrt betragen durchschnittlich pro Kopf 12 bis 16 Pfund.
Aufenthalt in dem Heim vor der Auswanderung die Woche 7 Schilling.

Dampferfahrt........etwa 2,8 Pfd. Sterl,
Eisenbahnfahrt........
Ausstattung.........
Aufenthalt im Kan, Heim Pro Woche.
Inspektion .........

Davon ist ein Zuschuß (bonus) von 2 Dollars in Abzug zu bringen, den
die kanadische Regierung für jedes Kind bezahlt.

Die Reise endet im Frühling, meist bis Juni in Halifax, später im
Sommer, wenn der Lorenzstrom eisfrei ist, in Quebec.

Vor der Landung wird abermals eine ärztliche Kontrolle vorgenommen
und jedes Kind, das irgendwie den Verdacht ansteckender Krankheit erregt, wird
in Quarantäne behalten. Die anderen setzen die Reise mit der Eisenbahn nach


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[0134] Der gegenwärtige Stand der Uinderauswanderung ans England sich gerade unter den Angehörigen strenger Sekten die allervorzüglichsten Pflege- stellen. Da diese Kinder durchaus im Glauben ihrer Pflegeeltern erzogen werden, läßt sich verstehen, daß die Kirche selbst sich an der Kinderemigration nicht stark beteiligen mag. Über 40 Prozent aller Kinderauswanderer sind Barnardokinder und die Gesamtsumme aller Kinder, die er emigrierte, beträgt nicht weniger als 32000. Des rühmt er sich. Ein Zeichen, daß diese Art der Jugendfürsorge hoch ein¬ geschätzt wird. In der Tat gibt es nur eine Unterbringung, die für Knaben eine größere Auszeichnung bedeutet: auf ein Schulschiff zu kommen und in den Dienst der Marine zu treten. Es erscheint angezeigt, gerade die Barnardosche Methode der jugend¬ lichen Auswanderung näher kennen zu lernen, denn da er alljährlich fast die Hälfte aller Kinder emigriert und stets unter seiner Schar auch die größte Zahl von Staatskindern aufweist, kann sein System wohl als das typische gelten und als Frucht der reichsten Erfahrung. Diejenigen Kinder, die endgültig der Auswanderung würdig erklärt sind, treten während der Frühlings- und Sommermonate die Ausreise an. Meist wird ein erster Trupp von etwa hundertundfunfzig Knaben und Mädchen, deren Zahl sich durchschnittlich wie 5:3 verhält, im März in den Londoner Docks eingeschifft. Alle Kinder, die die Ausreise antreten, sind im Besitz einer reichlichen Ausstattung, deren Kosten sür Knaben etwa 80 bis 90 Mark, für Mädchen 90 bis 100 Mark betragen, und die für ein Jahr reichlich bemessen ist. Die Überfahrt findet selbstverständlich im Zwischendeck statt. Doch wird den jungen Reisenden stets ein von der übrigen Zwischendecksgesellschaft ab¬ gesonderter Teil angewiesen, sowie sie auch an Deck einen besonderen abgetrennten Teil zur Verfügung haben. Selbst einen besonderen Steward und eine Stewardeß stellt die Dampfergesellschast (Allanlinie). Außerdem begleiten natürlich sach¬ verständige Leiter und „matron8" die Gesellschaft. Die Kosten der Auswanderung inklusive Eisenbahnfahrt betragen durchschnittlich pro Kopf 12 bis 16 Pfund. Aufenthalt in dem Heim vor der Auswanderung die Woche 7 Schilling. Dampferfahrt........etwa 2,8 Pfd. Sterl, Eisenbahnfahrt........ Ausstattung......... Aufenthalt im Kan, Heim Pro Woche. Inspektion ......... Davon ist ein Zuschuß (bonus) von 2 Dollars in Abzug zu bringen, den die kanadische Regierung für jedes Kind bezahlt. Die Reise endet im Frühling, meist bis Juni in Halifax, später im Sommer, wenn der Lorenzstrom eisfrei ist, in Quebec. Vor der Landung wird abermals eine ärztliche Kontrolle vorgenommen und jedes Kind, das irgendwie den Verdacht ansteckender Krankheit erregt, wird in Quarantäne behalten. Die anderen setzen die Reise mit der Eisenbahn nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/134>, abgerufen am 28.12.2024.