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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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seid" vorstellen, falls an Stelle von Se. Privat
dieser Namen treten würde?

Betrüblicher als das Fehlen deutscher Orts¬
namen ist die Vernachlässigung des Gebrauches
der deutschen Sprache im Verkehr mit den
Eingeborenen, ja selbst mit Deutschen. Wie
traurig es in dieser Hinsicht in Kamerun be¬
stellt ist, erhellt deutlich aus einer Verfügung
des Gouverneurs über das Neger-Englisch
(piäZin-enZIisK) vom 31. März 1913, deren
Inhalt sehr zu denken gibt.

Nach dieser Verfügung ist zurzeit das
Neger-Englisch die Hauptverkehrssprache zwi¬
schen der weißen Bevölkerung und den Ein¬
geborenen. Der Gebrauch der deutschen
Sprache steht im Verkehr mit den Ein¬
geborenen weit hinter dem der englischen
Sprache zurück, sogar in den amtlichen Be¬
trieben des Gouvernements, auf den Gou-
bernementsfahrzeugen und selbst im Gou¬
vernementsbureau. Jeder unbekannte Ein¬
geborene wird grundsätzlich zunächst rin
Neger-Englisch angeredet; ob er deutsch
sprechen kann, danach wird gar nicht gefragt.
Es gibt farbige Gouvernementsangestellte, die
nach zwanzig Dienstjahren noch nicht deutsch
sprechen, weil kein Mensch mit ihnen deutsch
spricht. -- Der Rekrut der deutschen Schutz¬
truppe und der Polizeitruppe lernt die deut¬
schen Kommandos: Gewehr über, Gewehr ab,
rechts um, links um, wenn aber der weiße
Unteroffizier vor der Front steht und die Ge¬
wehrhaltung eines Soldaten verbessert, so
sagt er: "Ann more lor nZKt siäe," "guil
mors lor tett finis."

Anschließend an diese Beispiele heißt es
dann in der Verfügung: Es muß national-
Politisch als schwerer Fehler angesehen wer¬
den, wenn eine fremde Sprache auf die Dauer
im Schutzgebiet vorherrscht. Die Sprache ist
mit der wichtigste Ausdruck nationaler Eigen¬
art und als solche in ihrer Bedeutung nicht
hoch genug einzuschätzen. Es ist mir berichtet
worden, daß Soldaten der Schutztruppe sich
dahin ausgesprochen haben, daß wir doch Wohl
weniger sein müßten als die Engländer, da
wir deren Sprache im Verkehr mit den Ein¬
geborenen anwendeten und über das ganze
Schutzgebiet verbreiteten.

Die Bevorzugung des Neger-Englisch in
Kamerun hat des weiteren zu einer üblen

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Begleiterscheinung geführt, nämlich zu einer
Durchseuchung der deutschen Umgangssprache
mit reger-englischen Ausdrücken. Es gibt
viele Kameruner, die nicht zehn Worte sprechen
können, ohne einen englischen Ausdruck zu
gebrauchen. Sie machen niemals eine Reise,
sondern einen trip. Sie sehen hierbei nie¬
mals ein Dorf mit Eingeborenen, sondern
immer nur eine to^vn mit countr^-peopls
oder dust-peopls, sie verhandeln auch nicht
mit dem Häuptling über die Verpflegung
ihrer Träger, sondern feldein oder zetteln
(engl. settls) mit dem King das ckop-?a-
Igvei-. -- Diese Gewohnheit ist vielen so in
Fleisch und Blut übergegangen, daß das Un¬
richtige und Unnatürliche an ihr gar nicht
mehr empfunden wird. So konnte eS kom¬
men, daß auf einer amtlichen Karte des
Schutzgebietes eine Landungsstelle am Mungo
als Manga-beacn eingetragen ist, und daß
ein Forschungsreisender für einen Felsen von
auffallender Form ernsthaft den Eigennamen
biZstone vorgeschlagen hat.

Sogar in amtlichen Berichten finden sich
Ausdrücke des Neger-Englisch. Manche Dienst¬
stellen schreiben z. B. clerlc, neadmann (Mehr¬
zahl Keaä - Leute), ^si cibo^. störe usw. Nach
einem amtlichen Bericht ist sogar ein ent-
laufener Gefangener wiedergetatscht (catal)
Worden.

Danach sagt der Gouverneur mit Recht,
daß sich ein .Kamerun-Deutsch zu entwickeln
scheint, das bald dem berüchtigten Deutsch
Nordamerikas an Verbastardierung und Lächer¬
lichkeit nichts nachgeben wird.

Der Inhalt dieser Verfügung des Gou¬
verneurs zeigt leider wieder, welch geringer
Nationalstolz dem Deutschen doch innewohnt,
wenn er sogar in deutschen Landen seine
herrliche Muttersprache geringschätzt.

Dr. von wrochem
schöne Literatur
Aus dem dramatischen Jrrnartcn.

Wer
von Amts und Berufs wegen dazu verdammt
ist, die zeitgenössische dramatische Produktion zu
verfolgen, zu sichten, zu werten und in bestimmte
Fächer einzuordnen, den muß auf seiner Wan¬
derung oft genug die helle Verzweiflung über¬
kommen. Mit dem ehrlichsten Willen von der
Welt geht man immer wieder daran, in der

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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seid" vorstellen, falls an Stelle von Se. Privat
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Betrüblicher als das Fehlen deutscher Orts¬
namen ist die Vernachlässigung des Gebrauches
der deutschen Sprache im Verkehr mit den
Eingeborenen, ja selbst mit Deutschen. Wie
traurig es in dieser Hinsicht in Kamerun be¬
stellt ist, erhellt deutlich aus einer Verfügung
des Gouverneurs über das Neger-Englisch
(piäZin-enZIisK) vom 31. März 1913, deren
Inhalt sehr zu denken gibt.

Nach dieser Verfügung ist zurzeit das
Neger-Englisch die Hauptverkehrssprache zwi¬
schen der weißen Bevölkerung und den Ein¬
geborenen. Der Gebrauch der deutschen
Sprache steht im Verkehr mit den Ein¬
geborenen weit hinter dem der englischen
Sprache zurück, sogar in den amtlichen Be¬
trieben des Gouvernements, auf den Gou-
bernementsfahrzeugen und selbst im Gou¬
vernementsbureau. Jeder unbekannte Ein¬
geborene wird grundsätzlich zunächst rin
Neger-Englisch angeredet; ob er deutsch
sprechen kann, danach wird gar nicht gefragt.
Es gibt farbige Gouvernementsangestellte, die
nach zwanzig Dienstjahren noch nicht deutsch
sprechen, weil kein Mensch mit ihnen deutsch
spricht. — Der Rekrut der deutschen Schutz¬
truppe und der Polizeitruppe lernt die deut¬
schen Kommandos: Gewehr über, Gewehr ab,
rechts um, links um, wenn aber der weiße
Unteroffizier vor der Front steht und die Ge¬
wehrhaltung eines Soldaten verbessert, so
sagt er: „Ann more lor nZKt siäe," „guil
mors lor tett finis."

Anschließend an diese Beispiele heißt es
dann in der Verfügung: Es muß national-
Politisch als schwerer Fehler angesehen wer¬
den, wenn eine fremde Sprache auf die Dauer
im Schutzgebiet vorherrscht. Die Sprache ist
mit der wichtigste Ausdruck nationaler Eigen¬
art und als solche in ihrer Bedeutung nicht
hoch genug einzuschätzen. Es ist mir berichtet
worden, daß Soldaten der Schutztruppe sich
dahin ausgesprochen haben, daß wir doch Wohl
weniger sein müßten als die Engländer, da
wir deren Sprache im Verkehr mit den Ein¬
geborenen anwendeten und über das ganze
Schutzgebiet verbreiteten.

Die Bevorzugung des Neger-Englisch in
Kamerun hat des weiteren zu einer üblen

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Begleiterscheinung geführt, nämlich zu einer
Durchseuchung der deutschen Umgangssprache
mit reger-englischen Ausdrücken. Es gibt
viele Kameruner, die nicht zehn Worte sprechen
können, ohne einen englischen Ausdruck zu
gebrauchen. Sie machen niemals eine Reise,
sondern einen trip. Sie sehen hierbei nie¬
mals ein Dorf mit Eingeborenen, sondern
immer nur eine to^vn mit countr^-peopls
oder dust-peopls, sie verhandeln auch nicht
mit dem Häuptling über die Verpflegung
ihrer Träger, sondern feldein oder zetteln
(engl. settls) mit dem King das ckop-?a-
Igvei-. — Diese Gewohnheit ist vielen so in
Fleisch und Blut übergegangen, daß das Un¬
richtige und Unnatürliche an ihr gar nicht
mehr empfunden wird. So konnte eS kom¬
men, daß auf einer amtlichen Karte des
Schutzgebietes eine Landungsstelle am Mungo
als Manga-beacn eingetragen ist, und daß
ein Forschungsreisender für einen Felsen von
auffallender Form ernsthaft den Eigennamen
biZstone vorgeschlagen hat.

Sogar in amtlichen Berichten finden sich
Ausdrücke des Neger-Englisch. Manche Dienst¬
stellen schreiben z. B. clerlc, neadmann (Mehr¬
zahl Keaä - Leute), ^si cibo^. störe usw. Nach
einem amtlichen Bericht ist sogar ein ent-
laufener Gefangener wiedergetatscht (catal)
Worden.

Danach sagt der Gouverneur mit Recht,
daß sich ein .Kamerun-Deutsch zu entwickeln
scheint, das bald dem berüchtigten Deutsch
Nordamerikas an Verbastardierung und Lächer¬
lichkeit nichts nachgeben wird.

Der Inhalt dieser Verfügung des Gou¬
verneurs zeigt leider wieder, welch geringer
Nationalstolz dem Deutschen doch innewohnt,
wenn er sogar in deutschen Landen seine
herrliche Muttersprache geringschätzt.

Dr. von wrochem
schöne Literatur
Aus dem dramatischen Jrrnartcn.

Wer
von Amts und Berufs wegen dazu verdammt
ist, die zeitgenössische dramatische Produktion zu
verfolgen, zu sichten, zu werten und in bestimmte
Fächer einzuordnen, den muß auf seiner Wan¬
derung oft genug die helle Verzweiflung über¬
kommen. Mit dem ehrlichsten Willen von der
Welt geht man immer wieder daran, in der

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[0103] Maßgebliches und Unmaßgebliches seid" vorstellen, falls an Stelle von Se. Privat dieser Namen treten würde? Betrüblicher als das Fehlen deutscher Orts¬ namen ist die Vernachlässigung des Gebrauches der deutschen Sprache im Verkehr mit den Eingeborenen, ja selbst mit Deutschen. Wie traurig es in dieser Hinsicht in Kamerun be¬ stellt ist, erhellt deutlich aus einer Verfügung des Gouverneurs über das Neger-Englisch (piäZin-enZIisK) vom 31. März 1913, deren Inhalt sehr zu denken gibt. Nach dieser Verfügung ist zurzeit das Neger-Englisch die Hauptverkehrssprache zwi¬ schen der weißen Bevölkerung und den Ein¬ geborenen. Der Gebrauch der deutschen Sprache steht im Verkehr mit den Ein¬ geborenen weit hinter dem der englischen Sprache zurück, sogar in den amtlichen Be¬ trieben des Gouvernements, auf den Gou- bernementsfahrzeugen und selbst im Gou¬ vernementsbureau. Jeder unbekannte Ein¬ geborene wird grundsätzlich zunächst rin Neger-Englisch angeredet; ob er deutsch sprechen kann, danach wird gar nicht gefragt. Es gibt farbige Gouvernementsangestellte, die nach zwanzig Dienstjahren noch nicht deutsch sprechen, weil kein Mensch mit ihnen deutsch spricht. — Der Rekrut der deutschen Schutz¬ truppe und der Polizeitruppe lernt die deut¬ schen Kommandos: Gewehr über, Gewehr ab, rechts um, links um, wenn aber der weiße Unteroffizier vor der Front steht und die Ge¬ wehrhaltung eines Soldaten verbessert, so sagt er: „Ann more lor nZKt siäe," „guil mors lor tett finis." Anschließend an diese Beispiele heißt es dann in der Verfügung: Es muß national- Politisch als schwerer Fehler angesehen wer¬ den, wenn eine fremde Sprache auf die Dauer im Schutzgebiet vorherrscht. Die Sprache ist mit der wichtigste Ausdruck nationaler Eigen¬ art und als solche in ihrer Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen. Es ist mir berichtet worden, daß Soldaten der Schutztruppe sich dahin ausgesprochen haben, daß wir doch Wohl weniger sein müßten als die Engländer, da wir deren Sprache im Verkehr mit den Ein¬ geborenen anwendeten und über das ganze Schutzgebiet verbreiteten. Die Bevorzugung des Neger-Englisch in Kamerun hat des weiteren zu einer üblen Begleiterscheinung geführt, nämlich zu einer Durchseuchung der deutschen Umgangssprache mit reger-englischen Ausdrücken. Es gibt viele Kameruner, die nicht zehn Worte sprechen können, ohne einen englischen Ausdruck zu gebrauchen. Sie machen niemals eine Reise, sondern einen trip. Sie sehen hierbei nie¬ mals ein Dorf mit Eingeborenen, sondern immer nur eine to^vn mit countr^-peopls oder dust-peopls, sie verhandeln auch nicht mit dem Häuptling über die Verpflegung ihrer Träger, sondern feldein oder zetteln (engl. settls) mit dem King das ckop-?a- Igvei-. — Diese Gewohnheit ist vielen so in Fleisch und Blut übergegangen, daß das Un¬ richtige und Unnatürliche an ihr gar nicht mehr empfunden wird. So konnte eS kom¬ men, daß auf einer amtlichen Karte des Schutzgebietes eine Landungsstelle am Mungo als Manga-beacn eingetragen ist, und daß ein Forschungsreisender für einen Felsen von auffallender Form ernsthaft den Eigennamen biZstone vorgeschlagen hat. Sogar in amtlichen Berichten finden sich Ausdrücke des Neger-Englisch. Manche Dienst¬ stellen schreiben z. B. clerlc, neadmann (Mehr¬ zahl Keaä - Leute), ^si cibo^. störe usw. Nach einem amtlichen Bericht ist sogar ein ent- laufener Gefangener wiedergetatscht (catal) Worden. Danach sagt der Gouverneur mit Recht, daß sich ein .Kamerun-Deutsch zu entwickeln scheint, das bald dem berüchtigten Deutsch Nordamerikas an Verbastardierung und Lächer¬ lichkeit nichts nachgeben wird. Der Inhalt dieser Verfügung des Gou¬ verneurs zeigt leider wieder, welch geringer Nationalstolz dem Deutschen doch innewohnt, wenn er sogar in deutschen Landen seine herrliche Muttersprache geringschätzt. Dr. von wrochem schöne Literatur Aus dem dramatischen Jrrnartcn. Wer von Amts und Berufs wegen dazu verdammt ist, die zeitgenössische dramatische Produktion zu verfolgen, zu sichten, zu werten und in bestimmte Fächer einzuordnen, den muß auf seiner Wan¬ derung oft genug die helle Verzweiflung über¬ kommen. Mit dem ehrlichsten Willen von der Welt geht man immer wieder daran, in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/103>, abgerufen am 19.10.2024.