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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Das werdende Zllbmnen

sein brachte. So wurde der Freiheitskampf Albaniens in die Berechnungen
der europäischen Politik hineingezogen. Allerdings nicht immer in einem Sinne,
der den Albanesen günstig und angenehm war. Die Republik Venedig machte
mit den Türken gemeinsame Sache, weil sie hoffte durch ihre Hilfe gegen
Skanderbeg ihren bedrohten Besitz an der adriatischen Ostküste erhalten und
sogar -- auf Kosten Albaniens -- vergrößern zu können. Dagegen erhielt
Skanderbeg den Beistand des Papstes, der sich damals in einem politischen
Gegensatz zu Venedig befand, und damit auch anderer italienischer Staaten.
Schon damals wurde wohl der Grund gelegt zu engeren Beziehungen mit
Italien und zu dem Vordringen des römisch-katholischen Bekenntnisses in Albanien.

Die auf. den ersten Blick sehr kompliziert erscheinenden religiösen Verhält¬
nisse Albaniens erhalten durch die Kenntnis dieser geschichtlichen Vorgänge eine
einfache Erklärung. Wie die gesamte Bevölkerung der Balkanhalbinsel waren
die Albanesen zunächst Bekenner der griechisch-orthodoxen Kirche. Bei der Be¬
völkerung Südalbaniens, den sogenannten Tosken, erhielt sich dieser Bekenntnis¬
stand, weil sie von anderen Nationalitäten fast nur Griechen unter sich sahen.
Im Norden dagegen fand unter der albanischen Bevölkerung, die mit dem
Namen der Gegen zusammengefaßt wird, wie erwähnt, der römische Katholizismus
Aufnahme. Nachdem dazu einmal der Grund gelegt worden war, vermehrte
sich die Zahl der Katholiken. In Skutari bildete sich im Laufe der Zeit eine
Art von geistigem Zentrum dieses Bruchteils der Bevölkerung, der in den
Städten des Nordens Handel zu treiben anfing und hierbei vielfach mit Ita¬
lienern in Verbindung trat, später anch im Norden Beziehungen mit Kroatien
anknüpfte.

Die Türken machten gegenüber diesen Verhältnissen nur den Grundsatz
des islamitischen Rechts geltend, daß Andersgläubige keinen Grundbesitz zum
Eigentum erwerben durften. Im übrigen ließen sie den Albanesen, wie schon
bemerkt wurde, möglichst ihre Freiheit, und das belohnte sich dadurch, daß die
in allen diesen Fragen nichts weniger als empfindsamen Albanesen den Schutz
der türkischen Regierung gegenüber den ihnen äußerst unsympathischen Serben
gar nicht so übel fanden und sich gern bereit finden ließen, von so bequemen
Herren das Recht auf Grundbesitz durch Übertritt zum Islam zu erwerben.
Das geschah besonders im Norden und Osten in den fruchtbaren Ebenen, die
von der serbischen Bevölkerung allmählich durch Auswanderung infolge des
türkischen Druckes geräumt wurden. Während also Süd- und Mittelalbanien
griechisch-orthodox blieb, ging im Westen Nordalbaniens die Hauptmasse des
Volks -- namentlich in den Städten -- zum Katholizismus über; gleichzeitig
drang vom Osten her der Islam vor und nahm einen starken Bruchteil des
Volks für sich in Anspruch. Der Islam breitete sich auch im Süden aus.
gleichfalls von der Ostgrenze aus nach Westen vorrückend.

Man hätte denken sollen, daß diese religiöse Spaltung auch eine politische
Spaltung unter den Albanesen herbeiführen mußte. Das war aber nicht der


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sein brachte. So wurde der Freiheitskampf Albaniens in die Berechnungen
der europäischen Politik hineingezogen. Allerdings nicht immer in einem Sinne,
der den Albanesen günstig und angenehm war. Die Republik Venedig machte
mit den Türken gemeinsame Sache, weil sie hoffte durch ihre Hilfe gegen
Skanderbeg ihren bedrohten Besitz an der adriatischen Ostküste erhalten und
sogar — auf Kosten Albaniens — vergrößern zu können. Dagegen erhielt
Skanderbeg den Beistand des Papstes, der sich damals in einem politischen
Gegensatz zu Venedig befand, und damit auch anderer italienischer Staaten.
Schon damals wurde wohl der Grund gelegt zu engeren Beziehungen mit
Italien und zu dem Vordringen des römisch-katholischen Bekenntnisses in Albanien.

Die auf. den ersten Blick sehr kompliziert erscheinenden religiösen Verhält¬
nisse Albaniens erhalten durch die Kenntnis dieser geschichtlichen Vorgänge eine
einfache Erklärung. Wie die gesamte Bevölkerung der Balkanhalbinsel waren
die Albanesen zunächst Bekenner der griechisch-orthodoxen Kirche. Bei der Be¬
völkerung Südalbaniens, den sogenannten Tosken, erhielt sich dieser Bekenntnis¬
stand, weil sie von anderen Nationalitäten fast nur Griechen unter sich sahen.
Im Norden dagegen fand unter der albanischen Bevölkerung, die mit dem
Namen der Gegen zusammengefaßt wird, wie erwähnt, der römische Katholizismus
Aufnahme. Nachdem dazu einmal der Grund gelegt worden war, vermehrte
sich die Zahl der Katholiken. In Skutari bildete sich im Laufe der Zeit eine
Art von geistigem Zentrum dieses Bruchteils der Bevölkerung, der in den
Städten des Nordens Handel zu treiben anfing und hierbei vielfach mit Ita¬
lienern in Verbindung trat, später anch im Norden Beziehungen mit Kroatien
anknüpfte.

Die Türken machten gegenüber diesen Verhältnissen nur den Grundsatz
des islamitischen Rechts geltend, daß Andersgläubige keinen Grundbesitz zum
Eigentum erwerben durften. Im übrigen ließen sie den Albanesen, wie schon
bemerkt wurde, möglichst ihre Freiheit, und das belohnte sich dadurch, daß die
in allen diesen Fragen nichts weniger als empfindsamen Albanesen den Schutz
der türkischen Regierung gegenüber den ihnen äußerst unsympathischen Serben
gar nicht so übel fanden und sich gern bereit finden ließen, von so bequemen
Herren das Recht auf Grundbesitz durch Übertritt zum Islam zu erwerben.
Das geschah besonders im Norden und Osten in den fruchtbaren Ebenen, die
von der serbischen Bevölkerung allmählich durch Auswanderung infolge des
türkischen Druckes geräumt wurden. Während also Süd- und Mittelalbanien
griechisch-orthodox blieb, ging im Westen Nordalbaniens die Hauptmasse des
Volks — namentlich in den Städten — zum Katholizismus über; gleichzeitig
drang vom Osten her der Islam vor und nahm einen starken Bruchteil des
Volks für sich in Anspruch. Der Islam breitete sich auch im Süden aus.
gleichfalls von der Ostgrenze aus nach Westen vorrückend.

Man hätte denken sollen, daß diese religiöse Spaltung auch eine politische
Spaltung unter den Albanesen herbeiführen mußte. Das war aber nicht der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/67>, abgerufen am 27.07.2024.