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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die Jahrescmsstellung des Deutschen Uünstlerbundes

Johannes des Täufers in die Hände gibt. Die Landschaften holen ihren Vor¬
wurf aus dem Odenwald und vom Starnberger See und meistern ihn mit
rauhem, derb und breit zusammenfassendem Strich und in saftiger Farbigkeit,

Schließlich hat der Künstlerbund, um Ferdinand Hodler im Jahre seines
sechzigsten Geburtstags noch besonders zu ehren, in einem großen Saal nur
Werke seiner Hand vereinigt. Es sind zumeist kleinere Bilder, viele darunter
stammen aus frühen Schaffensjahren des Künstlers: Porträts und Köpfe, har¬
monisch in ihren verhaltenen Tönen, sparsam und gelassen in der Formbehandlung,
liebevoll in der Lichtführung. Daneben Landschaftliches: eine Seehunde mit ein
paar Bäumen, über denen sich in der Ferne ein breiter Bergrücken hindehnt; eine
Kuh, samtgrau und weiß auf graugrüner Bergwiese, ruhig grasend, sicher und
ohne alle Absichtlichkeit in schlichter Größe gegeben -- eines wie das andere
von köstlicher Weichheit und Feinheit des Kolorits. Das große, hellwarme
Jnnenstück der Madrider Uhrmacherwerkstatt gehört auch noch zu diesen Früh¬
werken voll sorgsam abgestimmten Lichtlebens. Neben ihnen strahlen Land¬
schaften aus neuer und neuester Zeit in freier, frischer Leuchtkraft: junges Grün
am Wassersaum und reichblühende Grasgärten unter schlanken Frühlings-
bänmen; Seespiegel, findend in lichtem Blau, von Zacken und Zinken überragt,
die sich aus wallenden Morgenschleiern in lautere Klarheit heben. Oder Alp?r-
ealer, von ganz hoch oben dem Blick sich öffnend; die Nebel sinken in die Falten
der tiefblauen Berge und darüber sprüht durch die weite Himmelshöhe das
Gold der ersten Frühe. Die wenigen Figurenbilder sind leider doch nicht imstande,
von Hoblers persönlichster Leistung eine hinreichende Vorstellung zu geben, seine
köiperbeseelende Rhythmik in ihrer monumentalen Einfachheit und gesammelten
Ausdruckskraft offenbar zu machen. Sein Werk könnte sonst klarer und eindringlicher
als irgendein Versuch der Jüngeren zur Anschauung bringen, nicht nur, wo heute
die Malerei ihre Ziele sucht, sondern auch wo durchschlagende persönliche Kraft
und reife künstlerische Meisterschaft bereits vollgültige Lösungen gefunden haben.

Daß solche Lösungen sich schließlich gar nicht so himmelweit von allem
seither Gewohnten und Gekannten entfernen werden, das wird wohl mehr und
mehr zutage treten, wenn sich nur erst aus der wilden Selbstverzückung und
tastenden Ungelenkheit der Jugend klare, sichere Werte herausläutern. Einst¬
weilen steht doch noch über allem anderen die Kunst der Älteren in ihrer
meisterlichen Reife ehrfurchterzwingend da und weiß sich gar leicht Liebe zu
gewinnen. Ihr wächst wie von selber ein zuversichtliches Vertrauen entgegen,
daß nur ihr Werk als dauernde Mehrung in den Schatz deutscher Kunst ein¬
gehen wird. Aber mögen sich die Jungen derweilen ausstürmen: irgendwann
wird es auch sie doch wieder nach sicheren Grundlagen auf der alten Erde
verlangen. Was sie mit den Meistern von heute schließlich eint, werden sie
dann auf eigenen Wegen sich erkämpft haben, und das wird ihres Suchens
dauernder Gewinn bleiben.




Die Jahrescmsstellung des Deutschen Uünstlerbundes

Johannes des Täufers in die Hände gibt. Die Landschaften holen ihren Vor¬
wurf aus dem Odenwald und vom Starnberger See und meistern ihn mit
rauhem, derb und breit zusammenfassendem Strich und in saftiger Farbigkeit,

Schließlich hat der Künstlerbund, um Ferdinand Hodler im Jahre seines
sechzigsten Geburtstags noch besonders zu ehren, in einem großen Saal nur
Werke seiner Hand vereinigt. Es sind zumeist kleinere Bilder, viele darunter
stammen aus frühen Schaffensjahren des Künstlers: Porträts und Köpfe, har¬
monisch in ihren verhaltenen Tönen, sparsam und gelassen in der Formbehandlung,
liebevoll in der Lichtführung. Daneben Landschaftliches: eine Seehunde mit ein
paar Bäumen, über denen sich in der Ferne ein breiter Bergrücken hindehnt; eine
Kuh, samtgrau und weiß auf graugrüner Bergwiese, ruhig grasend, sicher und
ohne alle Absichtlichkeit in schlichter Größe gegeben — eines wie das andere
von köstlicher Weichheit und Feinheit des Kolorits. Das große, hellwarme
Jnnenstück der Madrider Uhrmacherwerkstatt gehört auch noch zu diesen Früh¬
werken voll sorgsam abgestimmten Lichtlebens. Neben ihnen strahlen Land¬
schaften aus neuer und neuester Zeit in freier, frischer Leuchtkraft: junges Grün
am Wassersaum und reichblühende Grasgärten unter schlanken Frühlings-
bänmen; Seespiegel, findend in lichtem Blau, von Zacken und Zinken überragt,
die sich aus wallenden Morgenschleiern in lautere Klarheit heben. Oder Alp?r-
ealer, von ganz hoch oben dem Blick sich öffnend; die Nebel sinken in die Falten
der tiefblauen Berge und darüber sprüht durch die weite Himmelshöhe das
Gold der ersten Frühe. Die wenigen Figurenbilder sind leider doch nicht imstande,
von Hoblers persönlichster Leistung eine hinreichende Vorstellung zu geben, seine
köiperbeseelende Rhythmik in ihrer monumentalen Einfachheit und gesammelten
Ausdruckskraft offenbar zu machen. Sein Werk könnte sonst klarer und eindringlicher
als irgendein Versuch der Jüngeren zur Anschauung bringen, nicht nur, wo heute
die Malerei ihre Ziele sucht, sondern auch wo durchschlagende persönliche Kraft
und reife künstlerische Meisterschaft bereits vollgültige Lösungen gefunden haben.

Daß solche Lösungen sich schließlich gar nicht so himmelweit von allem
seither Gewohnten und Gekannten entfernen werden, das wird wohl mehr und
mehr zutage treten, wenn sich nur erst aus der wilden Selbstverzückung und
tastenden Ungelenkheit der Jugend klare, sichere Werte herausläutern. Einst¬
weilen steht doch noch über allem anderen die Kunst der Älteren in ihrer
meisterlichen Reife ehrfurchterzwingend da und weiß sich gar leicht Liebe zu
gewinnen. Ihr wächst wie von selber ein zuversichtliches Vertrauen entgegen,
daß nur ihr Werk als dauernde Mehrung in den Schatz deutscher Kunst ein¬
gehen wird. Aber mögen sich die Jungen derweilen ausstürmen: irgendwann
wird es auch sie doch wieder nach sicheren Grundlagen auf der alten Erde
verlangen. Was sie mit den Meistern von heute schließlich eint, werden sie
dann auf eigenen Wegen sich erkämpft haben, und das wird ihres Suchens
dauernder Gewinn bleiben.




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[0636] Die Jahrescmsstellung des Deutschen Uünstlerbundes Johannes des Täufers in die Hände gibt. Die Landschaften holen ihren Vor¬ wurf aus dem Odenwald und vom Starnberger See und meistern ihn mit rauhem, derb und breit zusammenfassendem Strich und in saftiger Farbigkeit, Schließlich hat der Künstlerbund, um Ferdinand Hodler im Jahre seines sechzigsten Geburtstags noch besonders zu ehren, in einem großen Saal nur Werke seiner Hand vereinigt. Es sind zumeist kleinere Bilder, viele darunter stammen aus frühen Schaffensjahren des Künstlers: Porträts und Köpfe, har¬ monisch in ihren verhaltenen Tönen, sparsam und gelassen in der Formbehandlung, liebevoll in der Lichtführung. Daneben Landschaftliches: eine Seehunde mit ein paar Bäumen, über denen sich in der Ferne ein breiter Bergrücken hindehnt; eine Kuh, samtgrau und weiß auf graugrüner Bergwiese, ruhig grasend, sicher und ohne alle Absichtlichkeit in schlichter Größe gegeben — eines wie das andere von köstlicher Weichheit und Feinheit des Kolorits. Das große, hellwarme Jnnenstück der Madrider Uhrmacherwerkstatt gehört auch noch zu diesen Früh¬ werken voll sorgsam abgestimmten Lichtlebens. Neben ihnen strahlen Land¬ schaften aus neuer und neuester Zeit in freier, frischer Leuchtkraft: junges Grün am Wassersaum und reichblühende Grasgärten unter schlanken Frühlings- bänmen; Seespiegel, findend in lichtem Blau, von Zacken und Zinken überragt, die sich aus wallenden Morgenschleiern in lautere Klarheit heben. Oder Alp?r- ealer, von ganz hoch oben dem Blick sich öffnend; die Nebel sinken in die Falten der tiefblauen Berge und darüber sprüht durch die weite Himmelshöhe das Gold der ersten Frühe. Die wenigen Figurenbilder sind leider doch nicht imstande, von Hoblers persönlichster Leistung eine hinreichende Vorstellung zu geben, seine köiperbeseelende Rhythmik in ihrer monumentalen Einfachheit und gesammelten Ausdruckskraft offenbar zu machen. Sein Werk könnte sonst klarer und eindringlicher als irgendein Versuch der Jüngeren zur Anschauung bringen, nicht nur, wo heute die Malerei ihre Ziele sucht, sondern auch wo durchschlagende persönliche Kraft und reife künstlerische Meisterschaft bereits vollgültige Lösungen gefunden haben. Daß solche Lösungen sich schließlich gar nicht so himmelweit von allem seither Gewohnten und Gekannten entfernen werden, das wird wohl mehr und mehr zutage treten, wenn sich nur erst aus der wilden Selbstverzückung und tastenden Ungelenkheit der Jugend klare, sichere Werte herausläutern. Einst¬ weilen steht doch noch über allem anderen die Kunst der Älteren in ihrer meisterlichen Reife ehrfurchterzwingend da und weiß sich gar leicht Liebe zu gewinnen. Ihr wächst wie von selber ein zuversichtliches Vertrauen entgegen, daß nur ihr Werk als dauernde Mehrung in den Schatz deutscher Kunst ein¬ gehen wird. Aber mögen sich die Jungen derweilen ausstürmen: irgendwann wird es auch sie doch wieder nach sicheren Grundlagen auf der alten Erde verlangen. Was sie mit den Meistern von heute schließlich eint, werden sie dann auf eigenen Wegen sich erkämpft haben, und das wird ihres Suchens dauernder Gewinn bleiben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/636>, abgerufen am 27.07.2024.