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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser auf Reisen

aussah und später gleich flockigen Wolken an den Bergzacken hing, trübte sich
nun auch der Himmel über dem Schiff und ließ ein dauernd schlechtes Wetter
befürchten. Ab und zu jedoch kamen wieder helle Sonnenblicke durch, und so
wurde auch, wenn auch nur auf kurze Zeit, die berühmte Gruppe des höchsten
Berges in Nordland, des Sulitjelma, der auf der Grenze zwischen Norwegen
und Schweden liegt, unverschleiert sichtbar. Es war überhaupt ein seltenes
Glück, das den Kaiser auf seiner Fahrt begleitete, daß alles, was überhaupt
zu sehen war, auch wirklich sichtbar war und daß keinerlei geplanter Ausflug
des schlechten Wetters wegen unterlassen werden mußte. In der sehr raschen
Fahrt von 13 Knoten ging es nun durch den Westfjord, von dem aus ein
enger Sund nordwärts in das Atlantische Meer führt. Um 10 Uhr 25 Minuten
abends begegnete die Jacht dem großen Nordkapdampfer "Sirius", der reich
geflaggt hatte. Da die Temperatur auf 9 Grad Reaumur gesunken war, so wurde
zum Abend das erste Mal Polarpunsch gereicht. Der erwähnte, nach dem
Atlantischen Meere führende Sund wurde in der Nacht zwischen 12 und 1 Uhr
passiert.

Um 8 Uhr 30 Minuten morgens (am 17. Juli) fuhr die "Hohenzollern"
durch den Malangerfjord, an dessen Ufern die Berge nach unten zu wieder
reichere Bewaldung zeigen. Gegen 10 Uhr wurde Tromsö erreicht; dasselbe
liegt, wie schon sein Name andeutet, auf einer Insel, die aus einem niedrigen
Gebirgsrücken besteht, an dessen östlichem AbHange die Stadt sich aufbaut. Die
Vegetation ist hier sehr üppig; man sieht viele Bäume, zahlreiche kleine Ge¬
hölze, dazwischen Wiesen mit saftigem Grün und eine Menge zerstreuter und
recht hübsch gebauter Villen. Nach kaum einstündigem Aufenthalt ging
die Fahrt weiter; zum ersten Male stellte sich etwas Regen ein, dazwischen
heiterten noch immer einige Sonneneffekte das landschaftliche Bild auf und
das Wetter konnte daher für die dortige Gegend immer noch als verhältnis¬
mäßig recht gut bezeichnet werden. Um 1 Uhr wurde der Eingang zum
Lyngenfjord passiert, der einem späteren Besuch vorbehalten war, und die Fahrt
ging dann durch den Kaagsund. Wilde Berge mit zahlreichen Schneeflächen,
großen und kleinen Gletschern, unten von saftigem Wiesengrün bekränzt,
wechselten mit glatten Felswänden, und in tiefen Rinnen tritt hier der Schnee
oft auf wenige Meter an das Wasser heran. Ausblicke auf das offene Meer
wechseln mit der eigentlichen Schärengegend, in der das Auge rings auf den
größeren und kleineren Inseln ruht, die wie riesige ins Wasser geworfene, teils
mehr, teils weniger hervorragende Steine aussehen. Die Vegetation wurde
immer spärlicher, und ein einzelnes zweistöckiges weißes Haus, das sichtbar
wurde, fiel als etwas Außergewöhnliches ins Auge; die offene See war noch
immer spiegelglatt, und dafür, daß das Wetter noch immer verhältnismäßig
gut war, spricht am besten, daß es möglich war, zahlreiche photographische Auf¬
nahmen der Gegend zu machen. Gegen Abend tauchte die Insel, welche dem
Hafen von Hammerfest vorliegt, auf, und um 8 Uhr wurde vor Hammerfest
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Mit dem Kaiser auf Reisen

aussah und später gleich flockigen Wolken an den Bergzacken hing, trübte sich
nun auch der Himmel über dem Schiff und ließ ein dauernd schlechtes Wetter
befürchten. Ab und zu jedoch kamen wieder helle Sonnenblicke durch, und so
wurde auch, wenn auch nur auf kurze Zeit, die berühmte Gruppe des höchsten
Berges in Nordland, des Sulitjelma, der auf der Grenze zwischen Norwegen
und Schweden liegt, unverschleiert sichtbar. Es war überhaupt ein seltenes
Glück, das den Kaiser auf seiner Fahrt begleitete, daß alles, was überhaupt
zu sehen war, auch wirklich sichtbar war und daß keinerlei geplanter Ausflug
des schlechten Wetters wegen unterlassen werden mußte. In der sehr raschen
Fahrt von 13 Knoten ging es nun durch den Westfjord, von dem aus ein
enger Sund nordwärts in das Atlantische Meer führt. Um 10 Uhr 25 Minuten
abends begegnete die Jacht dem großen Nordkapdampfer „Sirius", der reich
geflaggt hatte. Da die Temperatur auf 9 Grad Reaumur gesunken war, so wurde
zum Abend das erste Mal Polarpunsch gereicht. Der erwähnte, nach dem
Atlantischen Meere führende Sund wurde in der Nacht zwischen 12 und 1 Uhr
passiert.

Um 8 Uhr 30 Minuten morgens (am 17. Juli) fuhr die „Hohenzollern"
durch den Malangerfjord, an dessen Ufern die Berge nach unten zu wieder
reichere Bewaldung zeigen. Gegen 10 Uhr wurde Tromsö erreicht; dasselbe
liegt, wie schon sein Name andeutet, auf einer Insel, die aus einem niedrigen
Gebirgsrücken besteht, an dessen östlichem AbHange die Stadt sich aufbaut. Die
Vegetation ist hier sehr üppig; man sieht viele Bäume, zahlreiche kleine Ge¬
hölze, dazwischen Wiesen mit saftigem Grün und eine Menge zerstreuter und
recht hübsch gebauter Villen. Nach kaum einstündigem Aufenthalt ging
die Fahrt weiter; zum ersten Male stellte sich etwas Regen ein, dazwischen
heiterten noch immer einige Sonneneffekte das landschaftliche Bild auf und
das Wetter konnte daher für die dortige Gegend immer noch als verhältnis¬
mäßig recht gut bezeichnet werden. Um 1 Uhr wurde der Eingang zum
Lyngenfjord passiert, der einem späteren Besuch vorbehalten war, und die Fahrt
ging dann durch den Kaagsund. Wilde Berge mit zahlreichen Schneeflächen,
großen und kleinen Gletschern, unten von saftigem Wiesengrün bekränzt,
wechselten mit glatten Felswänden, und in tiefen Rinnen tritt hier der Schnee
oft auf wenige Meter an das Wasser heran. Ausblicke auf das offene Meer
wechseln mit der eigentlichen Schärengegend, in der das Auge rings auf den
größeren und kleineren Inseln ruht, die wie riesige ins Wasser geworfene, teils
mehr, teils weniger hervorragende Steine aussehen. Die Vegetation wurde
immer spärlicher, und ein einzelnes zweistöckiges weißes Haus, das sichtbar
wurde, fiel als etwas Außergewöhnliches ins Auge; die offene See war noch
immer spiegelglatt, und dafür, daß das Wetter noch immer verhältnismäßig
gut war, spricht am besten, daß es möglich war, zahlreiche photographische Auf¬
nahmen der Gegend zu machen. Gegen Abend tauchte die Insel, welche dem
Hafen von Hammerfest vorliegt, auf, und um 8 Uhr wurde vor Hammerfest
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/615>, abgerufen am 27.07.2024.