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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser auf Reisen

Gegen Abend kam ein norwegischer Dampfer in Sicht, welcher, als er auf die
Höhe der "Hohenzollern" gekommen war, die Fahrt unterbrach und dessen
Passagiere Se. Majestät mit lautem Hurrah. an dem man die Deutschen er¬
kannte, vermischt mit einigen Hip Hip Hurrah! der Engländer begrüßten. In
der Nacht vom 15. zum 16. wurde die Felseninsel Torgen passiert, berühmt
durch den großen natürlichen Tunnel, der den Felsen in einer Höhe von
250 Meter horizontal durchschneidet.

Am 16. früh befand sich Se. Majestät schon zu früher Morgenstunde
auf Deck, um die immer herrlicher werdende Aussicht zu genießen. Zunächst
hatte man den Rückblick auf die in der Nacht passierte Felsinsel Suve Söstre
(Sieben Schwestern). Später erschienen dann weit ins Meer hinausgeschoben
die steilen Felsen Trä stapelte, eine schroffe und öde Klippe, die wild aus dem
Meer emporsteigt. Während Se. Majestät die Aussicht betrachtete, beschäftigte
sich Allerhöchstderselbe dazwischen mit Lektüre der am Tage vorher eingegangenen
amtlichen Schriftstücke und Zeitungen. Um 10 Uhr 30 Minuten (Berliner
Zeit) wurde der nördliche Polarkreis überschritten, und zwar nahezu auf dem
Berliner Meridian. Das Wetter war schön und die Temperatur noch immer 14,5
Grad Reaumur. Links ragte die schön geformte Felseninsel Höstmansö (Reiterinsel)
aus der glatten Meeresfläche hervor, dann erschien gegen 11 Uhr Rödö (Rot¬
insel), die ihren Namen ihrem rötlichen Gestein verdankt und ihrer eigentüm¬
lichen Form wegen den Namen des "Norwegischen Löwen" führt. In einer
Entfernung von 118 Seemeilen wurde sodann die Inselgruppe der Lofoten
sichtbar und die zahlreichen Schneespitzen derselben boten einen neuen und
durchaus überraschenden Anblick. Dank der schnellen Fahrt der kaiserlichen
Jacht trat niemals das Gefühl der Eintönigkeit ein, das sonst manchmal den
Nordlandsreisenden, der auf dem langsamen Passagierdampfer fährt und an
allen möglichen Punkten anhält, überkommt. Es wurde nun in raschem Tempo
Bodo, die Hauptstadt der Provinz Nordland, erreicht, die auf einer vorgeschobenen
Landzunge zwischen dem Westfjord und dem Saltenfjord mit ihren freundlichen
norwegischen Häusern sich erhebt. In mindestens hundert Kähnen umkreiste die
Bevölkerung die kaiserliche Jacht und über der Stadt wehten zahlreiche Flaggen.
Auch Dampfboote fuhren mitten durch die Ruderkähne, und besonders auffallend
war die Gewandtheit und Sicherheit, mit der die größeren Segelboote durch
die Keinen Ruderboote hindurchfegten, ohne irgendwie Schaden anzurichten.
Der deutsche Vizekonsul Jentoft erschien an Bord und hatte die Ehre, sich bei
Sr. Majestät persönlich zu melden. Nach einer Stunde Aufenthalt, während
welcher Telegramme entgegengenommen und aufgegeben wurden, wurde die
Reise fortgesetzt; die Lofoten, welche eine Zeitlang durch andere Inseln verdeckt
gewesen waren, rückten immer näher, während auf der andern Seite der Blick
durch eine Kette unzähliger Felszacken begrenzt wurde. Das bis dahin herrliche
Wetter fing an, allmählich sich zu trüben; während schon morgens in den Lofoten
dichter Nebel sichtbar war, der auf den Bergen lagernd von ferne wie Gletscher


Mit dem Kaiser auf Reisen

Gegen Abend kam ein norwegischer Dampfer in Sicht, welcher, als er auf die
Höhe der „Hohenzollern" gekommen war, die Fahrt unterbrach und dessen
Passagiere Se. Majestät mit lautem Hurrah. an dem man die Deutschen er¬
kannte, vermischt mit einigen Hip Hip Hurrah! der Engländer begrüßten. In
der Nacht vom 15. zum 16. wurde die Felseninsel Torgen passiert, berühmt
durch den großen natürlichen Tunnel, der den Felsen in einer Höhe von
250 Meter horizontal durchschneidet.

Am 16. früh befand sich Se. Majestät schon zu früher Morgenstunde
auf Deck, um die immer herrlicher werdende Aussicht zu genießen. Zunächst
hatte man den Rückblick auf die in der Nacht passierte Felsinsel Suve Söstre
(Sieben Schwestern). Später erschienen dann weit ins Meer hinausgeschoben
die steilen Felsen Trä stapelte, eine schroffe und öde Klippe, die wild aus dem
Meer emporsteigt. Während Se. Majestät die Aussicht betrachtete, beschäftigte
sich Allerhöchstderselbe dazwischen mit Lektüre der am Tage vorher eingegangenen
amtlichen Schriftstücke und Zeitungen. Um 10 Uhr 30 Minuten (Berliner
Zeit) wurde der nördliche Polarkreis überschritten, und zwar nahezu auf dem
Berliner Meridian. Das Wetter war schön und die Temperatur noch immer 14,5
Grad Reaumur. Links ragte die schön geformte Felseninsel Höstmansö (Reiterinsel)
aus der glatten Meeresfläche hervor, dann erschien gegen 11 Uhr Rödö (Rot¬
insel), die ihren Namen ihrem rötlichen Gestein verdankt und ihrer eigentüm¬
lichen Form wegen den Namen des „Norwegischen Löwen" führt. In einer
Entfernung von 118 Seemeilen wurde sodann die Inselgruppe der Lofoten
sichtbar und die zahlreichen Schneespitzen derselben boten einen neuen und
durchaus überraschenden Anblick. Dank der schnellen Fahrt der kaiserlichen
Jacht trat niemals das Gefühl der Eintönigkeit ein, das sonst manchmal den
Nordlandsreisenden, der auf dem langsamen Passagierdampfer fährt und an
allen möglichen Punkten anhält, überkommt. Es wurde nun in raschem Tempo
Bodo, die Hauptstadt der Provinz Nordland, erreicht, die auf einer vorgeschobenen
Landzunge zwischen dem Westfjord und dem Saltenfjord mit ihren freundlichen
norwegischen Häusern sich erhebt. In mindestens hundert Kähnen umkreiste die
Bevölkerung die kaiserliche Jacht und über der Stadt wehten zahlreiche Flaggen.
Auch Dampfboote fuhren mitten durch die Ruderkähne, und besonders auffallend
war die Gewandtheit und Sicherheit, mit der die größeren Segelboote durch
die Keinen Ruderboote hindurchfegten, ohne irgendwie Schaden anzurichten.
Der deutsche Vizekonsul Jentoft erschien an Bord und hatte die Ehre, sich bei
Sr. Majestät persönlich zu melden. Nach einer Stunde Aufenthalt, während
welcher Telegramme entgegengenommen und aufgegeben wurden, wurde die
Reise fortgesetzt; die Lofoten, welche eine Zeitlang durch andere Inseln verdeckt
gewesen waren, rückten immer näher, während auf der andern Seite der Blick
durch eine Kette unzähliger Felszacken begrenzt wurde. Das bis dahin herrliche
Wetter fing an, allmählich sich zu trüben; während schon morgens in den Lofoten
dichter Nebel sichtbar war, der auf den Bergen lagernd von ferne wie Gletscher


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[0614] Mit dem Kaiser auf Reisen Gegen Abend kam ein norwegischer Dampfer in Sicht, welcher, als er auf die Höhe der „Hohenzollern" gekommen war, die Fahrt unterbrach und dessen Passagiere Se. Majestät mit lautem Hurrah. an dem man die Deutschen er¬ kannte, vermischt mit einigen Hip Hip Hurrah! der Engländer begrüßten. In der Nacht vom 15. zum 16. wurde die Felseninsel Torgen passiert, berühmt durch den großen natürlichen Tunnel, der den Felsen in einer Höhe von 250 Meter horizontal durchschneidet. Am 16. früh befand sich Se. Majestät schon zu früher Morgenstunde auf Deck, um die immer herrlicher werdende Aussicht zu genießen. Zunächst hatte man den Rückblick auf die in der Nacht passierte Felsinsel Suve Söstre (Sieben Schwestern). Später erschienen dann weit ins Meer hinausgeschoben die steilen Felsen Trä stapelte, eine schroffe und öde Klippe, die wild aus dem Meer emporsteigt. Während Se. Majestät die Aussicht betrachtete, beschäftigte sich Allerhöchstderselbe dazwischen mit Lektüre der am Tage vorher eingegangenen amtlichen Schriftstücke und Zeitungen. Um 10 Uhr 30 Minuten (Berliner Zeit) wurde der nördliche Polarkreis überschritten, und zwar nahezu auf dem Berliner Meridian. Das Wetter war schön und die Temperatur noch immer 14,5 Grad Reaumur. Links ragte die schön geformte Felseninsel Höstmansö (Reiterinsel) aus der glatten Meeresfläche hervor, dann erschien gegen 11 Uhr Rödö (Rot¬ insel), die ihren Namen ihrem rötlichen Gestein verdankt und ihrer eigentüm¬ lichen Form wegen den Namen des „Norwegischen Löwen" führt. In einer Entfernung von 118 Seemeilen wurde sodann die Inselgruppe der Lofoten sichtbar und die zahlreichen Schneespitzen derselben boten einen neuen und durchaus überraschenden Anblick. Dank der schnellen Fahrt der kaiserlichen Jacht trat niemals das Gefühl der Eintönigkeit ein, das sonst manchmal den Nordlandsreisenden, der auf dem langsamen Passagierdampfer fährt und an allen möglichen Punkten anhält, überkommt. Es wurde nun in raschem Tempo Bodo, die Hauptstadt der Provinz Nordland, erreicht, die auf einer vorgeschobenen Landzunge zwischen dem Westfjord und dem Saltenfjord mit ihren freundlichen norwegischen Häusern sich erhebt. In mindestens hundert Kähnen umkreiste die Bevölkerung die kaiserliche Jacht und über der Stadt wehten zahlreiche Flaggen. Auch Dampfboote fuhren mitten durch die Ruderkähne, und besonders auffallend war die Gewandtheit und Sicherheit, mit der die größeren Segelboote durch die Keinen Ruderboote hindurchfegten, ohne irgendwie Schaden anzurichten. Der deutsche Vizekonsul Jentoft erschien an Bord und hatte die Ehre, sich bei Sr. Majestät persönlich zu melden. Nach einer Stunde Aufenthalt, während welcher Telegramme entgegengenommen und aufgegeben wurden, wurde die Reise fortgesetzt; die Lofoten, welche eine Zeitlang durch andere Inseln verdeckt gewesen waren, rückten immer näher, während auf der andern Seite der Blick durch eine Kette unzähliger Felszacken begrenzt wurde. Das bis dahin herrliche Wetter fing an, allmählich sich zu trüben; während schon morgens in den Lofoten dichter Nebel sichtbar war, der auf den Bergen lagernd von ferne wie Gletscher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/614>, abgerufen am 27.07.2024.