Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Sturm "Hin!" ließ sich Edles vernehmen. "Der Brief stimmt allerdings meine "Das ist doch nicht das Schlimmste!" rief Edda, ihre Tränen trocknend. Sie stand zornig da, wie ein Engel des Schwertes, und ihre sonst so Edles behielt ihre Ruhe: "Warum nicht, wenn er aufgehört hat, sie zu In neue Tränen ausbrechend, warf sich Edda auf ihr Bett. "Ich kann es nicht! Ich kann es nie und nimmermehr! Und wenn er "Kommt Zeit, kommt Rat!" dachte Edles in ihrer lebensbejahenden Art. Als der Förster Sandberg seinem Herrn am anderen Morgen über die "Die Eichenschonung an der Nosenhofer Grenze muß neu angepflanzt "Die zweijährige? Aber Sandberg -- wieso?" "Sie ist ganz und gar zertrampelt. Die Rosenhofer Leute halten ihre "Hin! So nahe an Sternburg ist der Brand bereits! Und unsere Leute?" "Gehen nicht hin, Herr Baron. Sonst wäre Sternburger Gebiet nicht "Eine fatale Nachbarschaft," rief Herr von Wenkendorf zornig aus. "Man "Um den Grafen handelte sich es auch bei dem Meeting. Er hat die Wenkendorff sah aus seinem Lehnstuhl prüfend auf zu dem Förster, dessen Grenzboten II 1913 37
Sturm „Hin!" ließ sich Edles vernehmen. „Der Brief stimmt allerdings meine „Das ist doch nicht das Schlimmste!" rief Edda, ihre Tränen trocknend. Sie stand zornig da, wie ein Engel des Schwertes, und ihre sonst so Edles behielt ihre Ruhe: „Warum nicht, wenn er aufgehört hat, sie zu In neue Tränen ausbrechend, warf sich Edda auf ihr Bett. „Ich kann es nicht! Ich kann es nie und nimmermehr! Und wenn er „Kommt Zeit, kommt Rat!" dachte Edles in ihrer lebensbejahenden Art. Als der Förster Sandberg seinem Herrn am anderen Morgen über die „Die Eichenschonung an der Nosenhofer Grenze muß neu angepflanzt „Die zweijährige? Aber Sandberg — wieso?" „Sie ist ganz und gar zertrampelt. Die Rosenhofer Leute halten ihre „Hin! So nahe an Sternburg ist der Brand bereits! Und unsere Leute?" „Gehen nicht hin, Herr Baron. Sonst wäre Sternburger Gebiet nicht „Eine fatale Nachbarschaft," rief Herr von Wenkendorf zornig aus. „Man „Um den Grafen handelte sich es auch bei dem Meeting. Er hat die Wenkendorff sah aus seinem Lehnstuhl prüfend auf zu dem Förster, dessen Grenzboten II 1913 37
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326101"/> <fw type="header" place="top"> Sturm</fw><lb/> <p xml:id="ID_2700"> „Hin!" ließ sich Edles vernehmen. „Der Brief stimmt allerdings meine<lb/> Freude herab I Ich zweifle keinen Augenblick, daß mit diesem Offizier von altem<lb/> baltischen Adel Wolff Joachim gemeint ist. Sem Hochmut ist grenzenlos. Aber<lb/> vielleicht hat jener betrogene Ehemann seine Frau schlecht behandelt und ver¬<lb/> diente die Züchtigung? Wir wollen nicht blind verdammen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2701"> „Das ist doch nicht das Schlimmste!" rief Edda, ihre Tränen trocknend.<lb/> „Könntest du einen Mann heiraten, der vorher schon eine andere geliebt hat?"</p><lb/> <p xml:id="ID_2702"> Sie stand zornig da, wie ein Engel des Schwertes, und ihre sonst so<lb/> sanften grauen Augen flammten die Schwester an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2703"> Edles behielt ihre Ruhe: „Warum nicht, wenn er aufgehört hat, sie zu<lb/> lieben? Dann ist es doch so gut, wie wenn man einen Witwer heiratet!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2704"> In neue Tränen ausbrechend, warf sich Edda auf ihr Bett.</p><lb/> <p xml:id="ID_2705"> „Ich kann es nicht! Ich kann es nie und nimmermehr! Und wenn er<lb/> uns jetzt besucht, will ich ihn nicht sehen — sonst bricht mir das Herz!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2706"> „Kommt Zeit, kommt Rat!" dachte Edles in ihrer lebensbejahenden Art.<lb/> „Zu langen Besuchen wird es nicht kommen, denn Borküll wird ihn festhalten.<lb/> Wenn er dort seine Pflicht tut, kann er manches wieder gutmachen."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2707"> Als der Förster Sandberg seinem Herrn am anderen Morgen über die<lb/> laufenden Geschäfte Bericht erstattete, sagte er wie beiläufig:</p><lb/> <p xml:id="ID_2708"> „Die Eichenschonung an der Nosenhofer Grenze muß neu angepflanzt<lb/> werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_2709"> „Die zweijährige? Aber Sandberg — wieso?"</p><lb/> <p xml:id="ID_2710"> „Sie ist ganz und gar zertrampelt. Die Rosenhofer Leute halten ihre<lb/> Meetings dort ab. Da geht es wild zu!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2711"> „Hin! So nahe an Sternburg ist der Brand bereits! Und unsere Leute?"</p><lb/> <p xml:id="ID_2712"> „Gehen nicht hin, Herr Baron. Sonst wäre Sternburger Gebiet nicht<lb/> verwüstet. Es sind viel Neue auf Rosenhof eingestellt. Sie kennen die Mar¬<lb/> kierung nicht!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2713"> „Eine fatale Nachbarschaft," rief Herr von Wenkendorf zornig aus. „Man<lb/> sollte den Grafen Wolln einpacken und gut verschnürt nach Reval schicken.<lb/> Seine Aufgeblasenheit bringt die ruhigsten Köpfe in Wut!"</p><lb/> <p xml:id="ID_2714"> „Um den Grafen handelte sich es auch bei dem Meeting. Er hat die<lb/> Gärtnersleute Knall und Fall vom Hof gejagt, und die Frau ist erst vor fünf<lb/> Tagen niedergekommen. Jetzt liegt sie bei der alten Tio und sichert. Das hat<lb/> böses Blut gemacht."</p><lb/> <p xml:id="ID_2715"> Wenkendorff sah aus seinem Lehnstuhl prüfend auf zu dem Förster, dessen<lb/> Stimme ihm heute einen fremden, drohenden Unterton zu haben schien. Hoch<lb/> aufgeschossen und breit stand der blonde Mensch da. Seine gebräunten Arbeits¬<lb/> hände krampften sich um die Stuhllehne, seine Augen blickten trotzig drein und<lb/> vermieden das Auge des Herrn.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1913 37</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
Sturm
„Hin!" ließ sich Edles vernehmen. „Der Brief stimmt allerdings meine
Freude herab I Ich zweifle keinen Augenblick, daß mit diesem Offizier von altem
baltischen Adel Wolff Joachim gemeint ist. Sem Hochmut ist grenzenlos. Aber
vielleicht hat jener betrogene Ehemann seine Frau schlecht behandelt und ver¬
diente die Züchtigung? Wir wollen nicht blind verdammen!"
„Das ist doch nicht das Schlimmste!" rief Edda, ihre Tränen trocknend.
„Könntest du einen Mann heiraten, der vorher schon eine andere geliebt hat?"
Sie stand zornig da, wie ein Engel des Schwertes, und ihre sonst so
sanften grauen Augen flammten die Schwester an.
Edles behielt ihre Ruhe: „Warum nicht, wenn er aufgehört hat, sie zu
lieben? Dann ist es doch so gut, wie wenn man einen Witwer heiratet!"
In neue Tränen ausbrechend, warf sich Edda auf ihr Bett.
„Ich kann es nicht! Ich kann es nie und nimmermehr! Und wenn er
uns jetzt besucht, will ich ihn nicht sehen — sonst bricht mir das Herz!"
„Kommt Zeit, kommt Rat!" dachte Edles in ihrer lebensbejahenden Art.
„Zu langen Besuchen wird es nicht kommen, denn Borküll wird ihn festhalten.
Wenn er dort seine Pflicht tut, kann er manches wieder gutmachen."
Als der Förster Sandberg seinem Herrn am anderen Morgen über die
laufenden Geschäfte Bericht erstattete, sagte er wie beiläufig:
„Die Eichenschonung an der Nosenhofer Grenze muß neu angepflanzt
werden."
„Die zweijährige? Aber Sandberg — wieso?"
„Sie ist ganz und gar zertrampelt. Die Rosenhofer Leute halten ihre
Meetings dort ab. Da geht es wild zu!"
„Hin! So nahe an Sternburg ist der Brand bereits! Und unsere Leute?"
„Gehen nicht hin, Herr Baron. Sonst wäre Sternburger Gebiet nicht
verwüstet. Es sind viel Neue auf Rosenhof eingestellt. Sie kennen die Mar¬
kierung nicht!"
„Eine fatale Nachbarschaft," rief Herr von Wenkendorf zornig aus. „Man
sollte den Grafen Wolln einpacken und gut verschnürt nach Reval schicken.
Seine Aufgeblasenheit bringt die ruhigsten Köpfe in Wut!"
„Um den Grafen handelte sich es auch bei dem Meeting. Er hat die
Gärtnersleute Knall und Fall vom Hof gejagt, und die Frau ist erst vor fünf
Tagen niedergekommen. Jetzt liegt sie bei der alten Tio und sichert. Das hat
böses Blut gemacht."
Wenkendorff sah aus seinem Lehnstuhl prüfend auf zu dem Förster, dessen
Stimme ihm heute einen fremden, drohenden Unterton zu haben schien. Hoch
aufgeschossen und breit stand der blonde Mensch da. Seine gebräunten Arbeits¬
hände krampften sich um die Stuhllehne, seine Augen blickten trotzig drein und
vermieden das Auge des Herrn.
Grenzboten II 1913 37
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |