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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser auf Reisen

Hier erwartete den hohen Reisenden ein belebtes Bild. Als die Hohen-
zollern in den Kriegshafen einfuhr, sah man vor sich die Stadt, die hart an
das hohe Gebirge gebaut ist und sich selbst über mehrere unmittelbar am
Wasser gelegene Felshügel hinzieht. Auf der nordöstlichen Seite, welche durch
die den Kriegs- und den Handelshafen trennende schmale Landzunge gebildet
wird, sieht man noch ansehnliche Reste der alten, malerisch auf steiler Felswand
gelegenen Befestigungen. Im Hafen selbst fiel zunächst das vor Bergen ankernde
englische Geschwader, bestehend aus vier großen Panzern und einem Aviso,
auf; außerdem lag noch ein halbes Dutzend eleganter englischer Privatyachten
im Hafen und zahlreiche Vergnügungsdampfer und Boote aller Art kreuzten
auf der Wasserfläche, dicht mit Menschen besetzt, die, ebenso wie die gedrängte
Volksmenge am Ufer, die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des Kaisers
angelockt hatte.

Kaum war der Anker der "Hohenzollern" gefallen, als der englische Admiral
einen Offizier an Bord sandte, um zu fragen, ob er Se. Majestät begrüßen
dürfe. Se. Majestät ließ jedoch danken, um das stritte Inkognito zu wahren.

Unmittelbar nach der Mahlzeit, die ausnahmsweise schon um ^5 Uhr
begonnen hatte und kurz nach 5 Uhr beendigt war, beurlaubte Se. Majestät
^n größten Teil des Gefolges an Land, wo dasselbe von der Volksmenge,
die in einem der Herren den Kaiser zu sehen hoffte, mit respektvoller Neugierde
betrachtet und auf seinem Gange durch die Stadt begleitet wurde.

Wenn das Bergener Publikum erwartet hatte, den Kaiser an Land zu
sehen, so hatte es nicht mit dem Feldjäger gerechnet, der kurz nach der Ankunft
der Hohenzollern an Bord gekommen war. Er war später erwartet worden
und Se. Majestät hatte deshalb anfangs die Absicht gehabt, selbst ans Land
zu gehen. Diese Absicht wurde aber beim Erscheinen des Kuriers sofort auf¬
gegeben. Se. Majestät las zunächst die angekommenen Familienbriefe und die
wichtigsten der Staatsdepeschen, um die eiligen Verfügungen sofort zu treffen.
Bis nach 8 Uhr sah man den Kaiser bei der elektrischen Lampe seines Salons
arbeiten. Nachdem Se. Majestät noch verschiedene Telegramme teils diktiert,
teils inhaltlich angegeben, unternahm Allerhöchstderselbe noch eine halbstündige
Spazierfahrt auf der Dampfpinasse der Hohenzollern. begleitet von dem Chef
des Generalstabes Grafen Waldersee und den Flügeladjutanten Kapitän zur
See Freiherrn von Senden und Oberstleutnant von Lippe. Zunächst fuhr
Se. Majestät um die englischen Schiffe herum, welche in hohem Grade das
ausgeprägte seemännische Interesse Sr. Majestät hervorriefen. An dem Flaggschiff
ließ Se. Majestät längsseit fahren, um dem Admiral einen Besuch zu machen.
Nachdem jedoch Kapitän zur See von Senden die Nachricht gebracht hatte,
daß der Admiral nicht an Bord anwesend, setzte Se. Majestät, ohne das Boot
verlassen zu haben, wieder ab.

Dann fuhr Se. Majestät noch in den Handelshafen und kehrte gegen 9 Uhr
an Bord zurück, um sich abermals in die Arbeit zu vertiefen. Um 8 Uhr war


Mit dem Kaiser auf Reisen

Hier erwartete den hohen Reisenden ein belebtes Bild. Als die Hohen-
zollern in den Kriegshafen einfuhr, sah man vor sich die Stadt, die hart an
das hohe Gebirge gebaut ist und sich selbst über mehrere unmittelbar am
Wasser gelegene Felshügel hinzieht. Auf der nordöstlichen Seite, welche durch
die den Kriegs- und den Handelshafen trennende schmale Landzunge gebildet
wird, sieht man noch ansehnliche Reste der alten, malerisch auf steiler Felswand
gelegenen Befestigungen. Im Hafen selbst fiel zunächst das vor Bergen ankernde
englische Geschwader, bestehend aus vier großen Panzern und einem Aviso,
auf; außerdem lag noch ein halbes Dutzend eleganter englischer Privatyachten
im Hafen und zahlreiche Vergnügungsdampfer und Boote aller Art kreuzten
auf der Wasserfläche, dicht mit Menschen besetzt, die, ebenso wie die gedrängte
Volksmenge am Ufer, die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des Kaisers
angelockt hatte.

Kaum war der Anker der „Hohenzollern" gefallen, als der englische Admiral
einen Offizier an Bord sandte, um zu fragen, ob er Se. Majestät begrüßen
dürfe. Se. Majestät ließ jedoch danken, um das stritte Inkognito zu wahren.

Unmittelbar nach der Mahlzeit, die ausnahmsweise schon um ^5 Uhr
begonnen hatte und kurz nach 5 Uhr beendigt war, beurlaubte Se. Majestät
^n größten Teil des Gefolges an Land, wo dasselbe von der Volksmenge,
die in einem der Herren den Kaiser zu sehen hoffte, mit respektvoller Neugierde
betrachtet und auf seinem Gange durch die Stadt begleitet wurde.

Wenn das Bergener Publikum erwartet hatte, den Kaiser an Land zu
sehen, so hatte es nicht mit dem Feldjäger gerechnet, der kurz nach der Ankunft
der Hohenzollern an Bord gekommen war. Er war später erwartet worden
und Se. Majestät hatte deshalb anfangs die Absicht gehabt, selbst ans Land
zu gehen. Diese Absicht wurde aber beim Erscheinen des Kuriers sofort auf¬
gegeben. Se. Majestät las zunächst die angekommenen Familienbriefe und die
wichtigsten der Staatsdepeschen, um die eiligen Verfügungen sofort zu treffen.
Bis nach 8 Uhr sah man den Kaiser bei der elektrischen Lampe seines Salons
arbeiten. Nachdem Se. Majestät noch verschiedene Telegramme teils diktiert,
teils inhaltlich angegeben, unternahm Allerhöchstderselbe noch eine halbstündige
Spazierfahrt auf der Dampfpinasse der Hohenzollern. begleitet von dem Chef
des Generalstabes Grafen Waldersee und den Flügeladjutanten Kapitän zur
See Freiherrn von Senden und Oberstleutnant von Lippe. Zunächst fuhr
Se. Majestät um die englischen Schiffe herum, welche in hohem Grade das
ausgeprägte seemännische Interesse Sr. Majestät hervorriefen. An dem Flaggschiff
ließ Se. Majestät längsseit fahren, um dem Admiral einen Besuch zu machen.
Nachdem jedoch Kapitän zur See von Senden die Nachricht gebracht hatte,
daß der Admiral nicht an Bord anwesend, setzte Se. Majestät, ohne das Boot
verlassen zu haben, wieder ab.

Dann fuhr Se. Majestät noch in den Handelshafen und kehrte gegen 9 Uhr
an Bord zurück, um sich abermals in die Arbeit zu vertiefen. Um 8 Uhr war


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[0573] Mit dem Kaiser auf Reisen Hier erwartete den hohen Reisenden ein belebtes Bild. Als die Hohen- zollern in den Kriegshafen einfuhr, sah man vor sich die Stadt, die hart an das hohe Gebirge gebaut ist und sich selbst über mehrere unmittelbar am Wasser gelegene Felshügel hinzieht. Auf der nordöstlichen Seite, welche durch die den Kriegs- und den Handelshafen trennende schmale Landzunge gebildet wird, sieht man noch ansehnliche Reste der alten, malerisch auf steiler Felswand gelegenen Befestigungen. Im Hafen selbst fiel zunächst das vor Bergen ankernde englische Geschwader, bestehend aus vier großen Panzern und einem Aviso, auf; außerdem lag noch ein halbes Dutzend eleganter englischer Privatyachten im Hafen und zahlreiche Vergnügungsdampfer und Boote aller Art kreuzten auf der Wasserfläche, dicht mit Menschen besetzt, die, ebenso wie die gedrängte Volksmenge am Ufer, die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des Kaisers angelockt hatte. Kaum war der Anker der „Hohenzollern" gefallen, als der englische Admiral einen Offizier an Bord sandte, um zu fragen, ob er Se. Majestät begrüßen dürfe. Se. Majestät ließ jedoch danken, um das stritte Inkognito zu wahren. Unmittelbar nach der Mahlzeit, die ausnahmsweise schon um ^5 Uhr begonnen hatte und kurz nach 5 Uhr beendigt war, beurlaubte Se. Majestät ^n größten Teil des Gefolges an Land, wo dasselbe von der Volksmenge, die in einem der Herren den Kaiser zu sehen hoffte, mit respektvoller Neugierde betrachtet und auf seinem Gange durch die Stadt begleitet wurde. Wenn das Bergener Publikum erwartet hatte, den Kaiser an Land zu sehen, so hatte es nicht mit dem Feldjäger gerechnet, der kurz nach der Ankunft der Hohenzollern an Bord gekommen war. Er war später erwartet worden und Se. Majestät hatte deshalb anfangs die Absicht gehabt, selbst ans Land zu gehen. Diese Absicht wurde aber beim Erscheinen des Kuriers sofort auf¬ gegeben. Se. Majestät las zunächst die angekommenen Familienbriefe und die wichtigsten der Staatsdepeschen, um die eiligen Verfügungen sofort zu treffen. Bis nach 8 Uhr sah man den Kaiser bei der elektrischen Lampe seines Salons arbeiten. Nachdem Se. Majestät noch verschiedene Telegramme teils diktiert, teils inhaltlich angegeben, unternahm Allerhöchstderselbe noch eine halbstündige Spazierfahrt auf der Dampfpinasse der Hohenzollern. begleitet von dem Chef des Generalstabes Grafen Waldersee und den Flügeladjutanten Kapitän zur See Freiherrn von Senden und Oberstleutnant von Lippe. Zunächst fuhr Se. Majestät um die englischen Schiffe herum, welche in hohem Grade das ausgeprägte seemännische Interesse Sr. Majestät hervorriefen. An dem Flaggschiff ließ Se. Majestät längsseit fahren, um dem Admiral einen Besuch zu machen. Nachdem jedoch Kapitän zur See von Senden die Nachricht gebracht hatte, daß der Admiral nicht an Bord anwesend, setzte Se. Majestät, ohne das Boot verlassen zu haben, wieder ab. Dann fuhr Se. Majestät noch in den Handelshafen und kehrte gegen 9 Uhr an Bord zurück, um sich abermals in die Arbeit zu vertiefen. Um 8 Uhr war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/573>, abgerufen am 22.12.2024.