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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Aaiser auf Reisen
Nach Briefen und Tagebuchblättern von Teilnehmern erzählt
George Lleinow i vonn
(Lop^rigln 1913 bx Verlag der Grenzboten G. in. b, H> Berlin)
3. Die erste Nordlandsreise des Kaisers 1889

orgelt wollen wir also lossegeln", schreibt Kiderlen am 29.Juni1889.
"Vor dem 3. Juli werde ich dann nicht wieder schreiben können,
und zwar von Stavanger aus, von wo ein Brief auch vier bis
fünf Tage unterwegs ist. Ich bin sehr begierig, wie sich die
bunte Gesellschaft auf dem Schiff zusammengewöhnen wird . ."
Kiderlen hat dann nur wenige private Mitteilungen an seine Freunde undVerwandte
gelangen lassen; ein Brief vom 10. Juli enthält noch Angaben, die ein inter¬
essantes Streiflicht auf das Leben an Bord des Kaiserschiffs werfen: ". .. an der
Partie nach Stalheim konnte ich heute leider nicht teilnehmen, weil ich zu viel
zu tun hatte. Das Zivilkabinett macht mir auch eine Menge Geschäft; gleich
der erste Kurier brachte siebenundzwanzig Vortragssachen. Darunter ein zu
unterschreibendes Todesurteil. Obgleich der Justizminister dafür war.
habe ich doch genau die Akten gelesen und konnte dann dem Kaiser auch mit
gutem Gewissen ^zum Unterschreiben raten, was er tat!" Die Bedeutung des
Kuriers für das Bordleben erhellt auch aus folgendem Satz vom 16. Juli:
". . . . weil wir jetzt bis 21. oder 22. keinen Kurier mehr haben, kommt für
mich jetzt eine Ruhewoche, wovon ich bisher wenig spürte; da in Drontheim
ein Kurier kam. dessen Sachen, wenn sie nicht acht Tage liegen bleiben sollten,
vor unserer Abfahrt am andern Morgen erledigt sein mußten, habe ich dir
die ganze Nacht geschmiert. Nun ist glücklicherweise Ruhe."

Den Verlauf der ersten Nordlandsreise des Kaisers schildert Kiderlen in
den im folgenden wiedergegebenen Bericht an die Kölnische Zeitung.




Am Morgen des 8. Juli, einem Montag, war das Wetter unsicher und
Se. Majestät befahl deshalb zunächst die Fahrt nach Eide, wo dann entschieden
werden sollte, ob sich Se. Majestät auf dem Landwege über Vossewangen
und Dalheim nach Gudvangen begeben würden, wo dann die "Hohenzollern"
Allerhöchstdieselben wieder erwarten sollte, oder ob Se. Majestät an Bord der




Mit dem Aaiser auf Reisen
Nach Briefen und Tagebuchblättern von Teilnehmern erzählt
George Lleinow i vonn
(Lop^rigln 1913 bx Verlag der Grenzboten G. in. b, H> Berlin)
3. Die erste Nordlandsreise des Kaisers 1889

orgelt wollen wir also lossegeln", schreibt Kiderlen am 29.Juni1889.
„Vor dem 3. Juli werde ich dann nicht wieder schreiben können,
und zwar von Stavanger aus, von wo ein Brief auch vier bis
fünf Tage unterwegs ist. Ich bin sehr begierig, wie sich die
bunte Gesellschaft auf dem Schiff zusammengewöhnen wird . ."
Kiderlen hat dann nur wenige private Mitteilungen an seine Freunde undVerwandte
gelangen lassen; ein Brief vom 10. Juli enthält noch Angaben, die ein inter¬
essantes Streiflicht auf das Leben an Bord des Kaiserschiffs werfen: „. .. an der
Partie nach Stalheim konnte ich heute leider nicht teilnehmen, weil ich zu viel
zu tun hatte. Das Zivilkabinett macht mir auch eine Menge Geschäft; gleich
der erste Kurier brachte siebenundzwanzig Vortragssachen. Darunter ein zu
unterschreibendes Todesurteil. Obgleich der Justizminister dafür war.
habe ich doch genau die Akten gelesen und konnte dann dem Kaiser auch mit
gutem Gewissen ^zum Unterschreiben raten, was er tat!" Die Bedeutung des
Kuriers für das Bordleben erhellt auch aus folgendem Satz vom 16. Juli:
„. . . . weil wir jetzt bis 21. oder 22. keinen Kurier mehr haben, kommt für
mich jetzt eine Ruhewoche, wovon ich bisher wenig spürte; da in Drontheim
ein Kurier kam. dessen Sachen, wenn sie nicht acht Tage liegen bleiben sollten,
vor unserer Abfahrt am andern Morgen erledigt sein mußten, habe ich dir
die ganze Nacht geschmiert. Nun ist glücklicherweise Ruhe."

Den Verlauf der ersten Nordlandsreise des Kaisers schildert Kiderlen in
den im folgenden wiedergegebenen Bericht an die Kölnische Zeitung.




Am Morgen des 8. Juli, einem Montag, war das Wetter unsicher und
Se. Majestät befahl deshalb zunächst die Fahrt nach Eide, wo dann entschieden
werden sollte, ob sich Se. Majestät auf dem Landwege über Vossewangen
und Dalheim nach Gudvangen begeben würden, wo dann die „Hohenzollern"
Allerhöchstdieselben wieder erwarten sollte, oder ob Se. Majestät an Bord der


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[0570] [Abbildung] Mit dem Aaiser auf Reisen Nach Briefen und Tagebuchblättern von Teilnehmern erzählt George Lleinow i vonn (Lop^rigln 1913 bx Verlag der Grenzboten G. in. b, H> Berlin) 3. Die erste Nordlandsreise des Kaisers 1889 orgelt wollen wir also lossegeln", schreibt Kiderlen am 29.Juni1889. „Vor dem 3. Juli werde ich dann nicht wieder schreiben können, und zwar von Stavanger aus, von wo ein Brief auch vier bis fünf Tage unterwegs ist. Ich bin sehr begierig, wie sich die bunte Gesellschaft auf dem Schiff zusammengewöhnen wird . ." Kiderlen hat dann nur wenige private Mitteilungen an seine Freunde undVerwandte gelangen lassen; ein Brief vom 10. Juli enthält noch Angaben, die ein inter¬ essantes Streiflicht auf das Leben an Bord des Kaiserschiffs werfen: „. .. an der Partie nach Stalheim konnte ich heute leider nicht teilnehmen, weil ich zu viel zu tun hatte. Das Zivilkabinett macht mir auch eine Menge Geschäft; gleich der erste Kurier brachte siebenundzwanzig Vortragssachen. Darunter ein zu unterschreibendes Todesurteil. Obgleich der Justizminister dafür war. habe ich doch genau die Akten gelesen und konnte dann dem Kaiser auch mit gutem Gewissen ^zum Unterschreiben raten, was er tat!" Die Bedeutung des Kuriers für das Bordleben erhellt auch aus folgendem Satz vom 16. Juli: „. . . . weil wir jetzt bis 21. oder 22. keinen Kurier mehr haben, kommt für mich jetzt eine Ruhewoche, wovon ich bisher wenig spürte; da in Drontheim ein Kurier kam. dessen Sachen, wenn sie nicht acht Tage liegen bleiben sollten, vor unserer Abfahrt am andern Morgen erledigt sein mußten, habe ich dir die ganze Nacht geschmiert. Nun ist glücklicherweise Ruhe." Den Verlauf der ersten Nordlandsreise des Kaisers schildert Kiderlen in den im folgenden wiedergegebenen Bericht an die Kölnische Zeitung. Am Morgen des 8. Juli, einem Montag, war das Wetter unsicher und Se. Majestät befahl deshalb zunächst die Fahrt nach Eide, wo dann entschieden werden sollte, ob sich Se. Majestät auf dem Landwege über Vossewangen und Dalheim nach Gudvangen begeben würden, wo dann die „Hohenzollern" Allerhöchstdieselben wieder erwarten sollte, oder ob Se. Majestät an Bord der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/570>, abgerufen am 27.07.2024.