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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Führung und Verpflegung der Millionenheere

ihre Kräfte auf Grund der dadurch gewonnenen Einsicht in die Verhältnisse
des Feindes einzusetzen. Darauf beruht auch ihr Aufmarsch und die Gliederung
ihres Heeres. Wir halten dies, wie schon gesagt, nicht für möglich und
bezweifeln, daß solche künstliche Manöver zu einem Erfolge führen können.




Wesentlich werden die Massenheere auf die Anordnung der Märsche ein¬
wirken. Früher galt es als Grundsatz, jeder Division eine besondere Marsch¬
straße zuzuweisen. Dies erwies sich aber bald als unmöglich. Und jetzt kann
man nicht einmal jedem Armeekorps eine solche überlassen. Man muß sich mit
dem Gedanken vertraut machen, daß namentlich im Anfange eines Krieges,
wenn der Vormarsch von enger Versammlung aus angetreten wird, zwei oder
gar drei Armeekorps hintereinander marschieren werden. Eine einfache Be¬
rechnung und Betrachtung der Karte ergibt diese Notwendigkeit. Rechnet man
fünfundzwanzig aktive Armeekorps und -- ganz willkürlich -- etwa dreizehn
Reservekorps, so würden etwa dreißig Korps für die Westgrenze verfügbar
bleiben, wenn man acht Korps für den Schutz der Ostgrenze ausreichend halten
würde. Es ist aber unmöglich, z. B. zwischen dein Nordfuß der Vogesen und
Luxemburg dreißig große durchgehende Straßenzüge zu finden, die aus Deutsch¬
land nach Frankreich führen, auf denen ein Korps mit seinen Trains und
Kolonnen marschieren könnte. Der Mangel an Straßen zwingt also dazu,
mehrere Korps hintereinander zu setzen, trotz der schweren Bedenken, die eine
derartige Maßnahme hat. Man berücksichtige, daß die fechtenden Truppen eines
Korps, ohne Sicherungsabstände und ohne Bagagen, Kolonnen und Trains
allein eine Marschlänge von 18 bis 20 Kilometer besitzen. Rechnet man diese
und die notwendigen Abstände hinzu, so kommt man auf 50 bis 60 Kilometer.
Dies bedeutet große Schwierigkeiten für die Entwicklung zum Gefecht und für
die Verpflegung. Es wird lange Zeit dauern, ehe die Hinteren Korps in der
Höhe der vorderen angelangt sind, um in ein Gefecht eingreifen zu können.
Selbst wenn man in der Nähe des Gegners und bei dem Herannahen der
Entscheidung die Hinteren Korps auch unter Benutzung minder guter Wege vor¬
ziehen wollte, beseitigt dies die Schwierigkeiten nicht, ganz abgesehen davon,
daß dies für die Hinteren Truppen ganz bedeutende Marschleistungen verlangt.
Hierin liegt eine der größten Schwierigkeiten für die Führung und Bewegung
der modernen Massenheere. Die Verpflegungsschwierigkeiten werden sich nur
dadurch beheben lassen, daß man Verpflegungsfahrzeuge zwischen die Truppen
einschickt, wodurch aber wieder eine sehr unerwünschte Verlängerung der Marsch¬
kolonne eintritt. Das Zurücksenden der geleerten und das Vorführen frischer
Kolonnen zu den vorderen Truppen mitten durch die Quartiere der Hinteren
Truppen erfordert sehr genaue und sorgsam überlegte Anordnungen. Auch die
Technik der Marschbefehle bezüglich Antretens der einzelnen Abteilung, der
Sammlung der Bagagen, des Einlegens der Rasten usw. ist sehr schwierig.


Führung und Verpflegung der Millionenheere

ihre Kräfte auf Grund der dadurch gewonnenen Einsicht in die Verhältnisse
des Feindes einzusetzen. Darauf beruht auch ihr Aufmarsch und die Gliederung
ihres Heeres. Wir halten dies, wie schon gesagt, nicht für möglich und
bezweifeln, daß solche künstliche Manöver zu einem Erfolge führen können.




Wesentlich werden die Massenheere auf die Anordnung der Märsche ein¬
wirken. Früher galt es als Grundsatz, jeder Division eine besondere Marsch¬
straße zuzuweisen. Dies erwies sich aber bald als unmöglich. Und jetzt kann
man nicht einmal jedem Armeekorps eine solche überlassen. Man muß sich mit
dem Gedanken vertraut machen, daß namentlich im Anfange eines Krieges,
wenn der Vormarsch von enger Versammlung aus angetreten wird, zwei oder
gar drei Armeekorps hintereinander marschieren werden. Eine einfache Be¬
rechnung und Betrachtung der Karte ergibt diese Notwendigkeit. Rechnet man
fünfundzwanzig aktive Armeekorps und — ganz willkürlich — etwa dreizehn
Reservekorps, so würden etwa dreißig Korps für die Westgrenze verfügbar
bleiben, wenn man acht Korps für den Schutz der Ostgrenze ausreichend halten
würde. Es ist aber unmöglich, z. B. zwischen dein Nordfuß der Vogesen und
Luxemburg dreißig große durchgehende Straßenzüge zu finden, die aus Deutsch¬
land nach Frankreich führen, auf denen ein Korps mit seinen Trains und
Kolonnen marschieren könnte. Der Mangel an Straßen zwingt also dazu,
mehrere Korps hintereinander zu setzen, trotz der schweren Bedenken, die eine
derartige Maßnahme hat. Man berücksichtige, daß die fechtenden Truppen eines
Korps, ohne Sicherungsabstände und ohne Bagagen, Kolonnen und Trains
allein eine Marschlänge von 18 bis 20 Kilometer besitzen. Rechnet man diese
und die notwendigen Abstände hinzu, so kommt man auf 50 bis 60 Kilometer.
Dies bedeutet große Schwierigkeiten für die Entwicklung zum Gefecht und für
die Verpflegung. Es wird lange Zeit dauern, ehe die Hinteren Korps in der
Höhe der vorderen angelangt sind, um in ein Gefecht eingreifen zu können.
Selbst wenn man in der Nähe des Gegners und bei dem Herannahen der
Entscheidung die Hinteren Korps auch unter Benutzung minder guter Wege vor¬
ziehen wollte, beseitigt dies die Schwierigkeiten nicht, ganz abgesehen davon,
daß dies für die Hinteren Truppen ganz bedeutende Marschleistungen verlangt.
Hierin liegt eine der größten Schwierigkeiten für die Führung und Bewegung
der modernen Massenheere. Die Verpflegungsschwierigkeiten werden sich nur
dadurch beheben lassen, daß man Verpflegungsfahrzeuge zwischen die Truppen
einschickt, wodurch aber wieder eine sehr unerwünschte Verlängerung der Marsch¬
kolonne eintritt. Das Zurücksenden der geleerten und das Vorführen frischer
Kolonnen zu den vorderen Truppen mitten durch die Quartiere der Hinteren
Truppen erfordert sehr genaue und sorgsam überlegte Anordnungen. Auch die
Technik der Marschbefehle bezüglich Antretens der einzelnen Abteilung, der
Sammlung der Bagagen, des Einlegens der Rasten usw. ist sehr schwierig.


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[0560] Führung und Verpflegung der Millionenheere ihre Kräfte auf Grund der dadurch gewonnenen Einsicht in die Verhältnisse des Feindes einzusetzen. Darauf beruht auch ihr Aufmarsch und die Gliederung ihres Heeres. Wir halten dies, wie schon gesagt, nicht für möglich und bezweifeln, daß solche künstliche Manöver zu einem Erfolge führen können. Wesentlich werden die Massenheere auf die Anordnung der Märsche ein¬ wirken. Früher galt es als Grundsatz, jeder Division eine besondere Marsch¬ straße zuzuweisen. Dies erwies sich aber bald als unmöglich. Und jetzt kann man nicht einmal jedem Armeekorps eine solche überlassen. Man muß sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß namentlich im Anfange eines Krieges, wenn der Vormarsch von enger Versammlung aus angetreten wird, zwei oder gar drei Armeekorps hintereinander marschieren werden. Eine einfache Be¬ rechnung und Betrachtung der Karte ergibt diese Notwendigkeit. Rechnet man fünfundzwanzig aktive Armeekorps und — ganz willkürlich — etwa dreizehn Reservekorps, so würden etwa dreißig Korps für die Westgrenze verfügbar bleiben, wenn man acht Korps für den Schutz der Ostgrenze ausreichend halten würde. Es ist aber unmöglich, z. B. zwischen dein Nordfuß der Vogesen und Luxemburg dreißig große durchgehende Straßenzüge zu finden, die aus Deutsch¬ land nach Frankreich führen, auf denen ein Korps mit seinen Trains und Kolonnen marschieren könnte. Der Mangel an Straßen zwingt also dazu, mehrere Korps hintereinander zu setzen, trotz der schweren Bedenken, die eine derartige Maßnahme hat. Man berücksichtige, daß die fechtenden Truppen eines Korps, ohne Sicherungsabstände und ohne Bagagen, Kolonnen und Trains allein eine Marschlänge von 18 bis 20 Kilometer besitzen. Rechnet man diese und die notwendigen Abstände hinzu, so kommt man auf 50 bis 60 Kilometer. Dies bedeutet große Schwierigkeiten für die Entwicklung zum Gefecht und für die Verpflegung. Es wird lange Zeit dauern, ehe die Hinteren Korps in der Höhe der vorderen angelangt sind, um in ein Gefecht eingreifen zu können. Selbst wenn man in der Nähe des Gegners und bei dem Herannahen der Entscheidung die Hinteren Korps auch unter Benutzung minder guter Wege vor¬ ziehen wollte, beseitigt dies die Schwierigkeiten nicht, ganz abgesehen davon, daß dies für die Hinteren Truppen ganz bedeutende Marschleistungen verlangt. Hierin liegt eine der größten Schwierigkeiten für die Führung und Bewegung der modernen Massenheere. Die Verpflegungsschwierigkeiten werden sich nur dadurch beheben lassen, daß man Verpflegungsfahrzeuge zwischen die Truppen einschickt, wodurch aber wieder eine sehr unerwünschte Verlängerung der Marsch¬ kolonne eintritt. Das Zurücksenden der geleerten und das Vorführen frischer Kolonnen zu den vorderen Truppen mitten durch die Quartiere der Hinteren Truppen erfordert sehr genaue und sorgsam überlegte Anordnungen. Auch die Technik der Marschbefehle bezüglich Antretens der einzelnen Abteilung, der Sammlung der Bagagen, des Einlegens der Rasten usw. ist sehr schwierig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/560>, abgerufen am 28.07.2024.