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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die wehrsieuern und die wirtschaftliche Lage

in dieser Form der reichsgesetzlich vorgeschriebenen Deckung keine Bedenken ent¬
gegenstehen) manche Erörterung anknüpfen. Dagegen ist es am Platz, einen
^nel auf die Tragweite der Vorlagen für das gesamte Wirtschaftsleben zu werfen.




Man hat den "mittelalterlichen" Gedanken der einmaligen Vermögens¬
abgabe heftig angegriffen und die "moderne" Form der Anleihedeckung als die
einzig richtige bezeichnet, von der man sich auch durch die augenblickliche "Borg¬
scheu" und die Angst vor dem Kursrückgang der Neichsanleihe nicht sollte ab¬
halten lassen. Bei dieser Argumentation tritt die deutsche Vorliebe des
Theoretisierens wieder recht augenfällig zutage. Geht doch ein angesehener
Nationalökonom soweit, es für Torheit zu erklären, wenn man die "gerechtere
und zweckmäßigere" Anleihedeckung aus Angst vor einem Kurssturz vermeiden
wolle; nicht etwa weil er einen solchen Kurssturz nicht befürchtet, sondern weil
er meint, ein Kurssturz werde sich auch bei Steuerdeckung nicht vermeiden lassen.

Man glaubt also im Kreise gewisser Theoretiker ernstlich, das Reich könne
in der heutigen Zeit eine Anleihe von über eine Milliarde Mark an den
Markt bringen! Und dies, wo einige Wochen zuvor 200 Millionen Schatz-
anweisungen (also nicht Rente) sich als unanbringlich erwiesen haben, weil für
kurzfristige Kapitalanlagen auch allererster Qualität kein Geld vorhanden ist.
Man glaubt an die Möglichkeit einer Anleiheemission, obwohl alle Kultur¬
staaten nur auf den Augenblick einer Erleichterung des Geldmarkts warten, um
Milliardenbeträge von ihm zu heischen I Im Ernst wird man solche An¬
schauungen nicht verteidigen können. Geht man davon aus, daß diese be¬
deutenden Aufwendungen Deutschlands notwendig und zwar augenblicklich not¬
wendig sind, so bleibt schlechterdings gar kein anderes Mittel übrig, als das,
die erforderliche Summe im Besteuerungswege aufzubringen. Und diese Auf-
bringung durch eine einmalige Abgabe vom Vermögen hat unleugbar etwas
Großzügiges und Bestechendes. Veranlagungsschwierigkeiten im einzelnen mögen
sich ergeben; sie sind aber dadurch gemindert, daß die Veranlagung selbst den
Einzelstaaten überlassen ist. . ,

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Wichtig für unsere Betrachtung ist natürlich die Frage, ob d.e Aufbringung
der Milliarde, sei es im Steuer- sei es im Anleihewege, geeignet ist das wir -
schaftliche Gleichgewicht zu stören und einen nachteiligen Einfluß auf das wirt¬
schaftliche Leben auszuüben. Die Debatte hierüber ist freilich insofern müßig.
als, wenn die politische Notwendigkeit der Aufbringung be-ahd wird, man
etwaige Störungen des Wirtschaftslebens mit in den ^Kauf nehmen mußte
und nur darauf bedacht sein könnte, sie durch entsprechende Maßnahmen zu
mildern. Indessen ist diese Befürchtung ganz unbegründet. Es sind die eigen¬
tümlichsten Ansichten über die mutmaßliche Wirkung ^ser Mit^tag- getreten. Hauptsächlich wird damit argumentiert, daß durch diese Steuer


Die wehrsieuern und die wirtschaftliche Lage

in dieser Form der reichsgesetzlich vorgeschriebenen Deckung keine Bedenken ent¬
gegenstehen) manche Erörterung anknüpfen. Dagegen ist es am Platz, einen
^nel auf die Tragweite der Vorlagen für das gesamte Wirtschaftsleben zu werfen.




Man hat den „mittelalterlichen" Gedanken der einmaligen Vermögens¬
abgabe heftig angegriffen und die „moderne" Form der Anleihedeckung als die
einzig richtige bezeichnet, von der man sich auch durch die augenblickliche „Borg¬
scheu" und die Angst vor dem Kursrückgang der Neichsanleihe nicht sollte ab¬
halten lassen. Bei dieser Argumentation tritt die deutsche Vorliebe des
Theoretisierens wieder recht augenfällig zutage. Geht doch ein angesehener
Nationalökonom soweit, es für Torheit zu erklären, wenn man die „gerechtere
und zweckmäßigere" Anleihedeckung aus Angst vor einem Kurssturz vermeiden
wolle; nicht etwa weil er einen solchen Kurssturz nicht befürchtet, sondern weil
er meint, ein Kurssturz werde sich auch bei Steuerdeckung nicht vermeiden lassen.

Man glaubt also im Kreise gewisser Theoretiker ernstlich, das Reich könne
in der heutigen Zeit eine Anleihe von über eine Milliarde Mark an den
Markt bringen! Und dies, wo einige Wochen zuvor 200 Millionen Schatz-
anweisungen (also nicht Rente) sich als unanbringlich erwiesen haben, weil für
kurzfristige Kapitalanlagen auch allererster Qualität kein Geld vorhanden ist.
Man glaubt an die Möglichkeit einer Anleiheemission, obwohl alle Kultur¬
staaten nur auf den Augenblick einer Erleichterung des Geldmarkts warten, um
Milliardenbeträge von ihm zu heischen I Im Ernst wird man solche An¬
schauungen nicht verteidigen können. Geht man davon aus, daß diese be¬
deutenden Aufwendungen Deutschlands notwendig und zwar augenblicklich not¬
wendig sind, so bleibt schlechterdings gar kein anderes Mittel übrig, als das,
die erforderliche Summe im Besteuerungswege aufzubringen. Und diese Auf-
bringung durch eine einmalige Abgabe vom Vermögen hat unleugbar etwas
Großzügiges und Bestechendes. Veranlagungsschwierigkeiten im einzelnen mögen
sich ergeben; sie sind aber dadurch gemindert, daß die Veranlagung selbst den
Einzelstaaten überlassen ist. . ,

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Wichtig für unsere Betrachtung ist natürlich die Frage, ob d.e Aufbringung
der Milliarde, sei es im Steuer- sei es im Anleihewege, geeignet ist das wir -
schaftliche Gleichgewicht zu stören und einen nachteiligen Einfluß auf das wirt¬
schaftliche Leben auszuüben. Die Debatte hierüber ist freilich insofern müßig.
als, wenn die politische Notwendigkeit der Aufbringung be-ahd wird, man
etwaige Störungen des Wirtschaftslebens mit in den ^Kauf nehmen mußte
und nur darauf bedacht sein könnte, sie durch entsprechende Maßnahmen zu
mildern. Indessen ist diese Befürchtung ganz unbegründet. Es sind die eigen¬
tümlichsten Ansichten über die mutmaßliche Wirkung ^ser Mit^tag- getreten. Hauptsächlich wird damit argumentiert, daß durch diese Steuer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/55>, abgerufen am 27.07.2024.