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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Mit dem Kaiser a"f Reisen

letzterer verlängert sich oft das Konzert, besonders in den Häfen, wo Hunderte
von Booten sich um das Kaiserschiff drängen, während ihre Insassen gespannt
lauschen und stets Beifall klatschen, wenn die norwegische Nationalhymne
ertönt."

Kiderlen, der übrigens in musikalischer Hinsicht ein Barbar ist, gibt zu
obiger Beschreibung am 16. Juli 1889 eine hübsche Illustration, indem er
berichtet:

"Die Reise geht nun also doch noch bis zum Nordkap, vor einer Stunde
haben wir den nördlichen Polarkreis überschritten. Die Gegend ist wild und
großartig, das Wetter prachtvoll.

Mein Geburtstag war doch nachträglich herausgekommen, und wurde am
11. Juli nachträglich durch ein von Leutnant von Hülsen vorgetragenes Gedicht
gefeiert, worauf sich der Kaiser erhob und mit mir anstieß.

Auf Anstiften Waldersees schenkte mir die Tischgesellschaft einen großen
Porzellanhumpen. Ich hoffe, daß Ihr über unsere Erlebnisse genügend durch
meine Reiseberichte in der Kölnischen informiert seid, und mich auch in dem ,in
Sandven zur Kur weilenden Landsmann' erkannt habt.

Die Abende verlaufen harmlos, teils musikalisch (!!!), teils zaubert Hülsen
etwas vor, teils muß man irgendetwas aufführen: ich habe schon den Zwerg
aufgeführt und zum allergrößten Gaudium des Kaisers das Licht ausgelöscht!!!

Nun werden wir gleich nach Bodo kommen, wo ich diesen Brief auf die
norwegische Post gebe. . . . Dann geht es über Tromsö, Hammerfest nach dem
Nordkap, von da auf dem Rückweg nach den Lofoten und dann in einer
geraden Tour nach Bergen (25. Juli)."

Die Umgebung des Kaisers während der ersten Nordlandfahrten umfaßte
nach den Angaben Güßfeldts dreizehn Herren; während der folgenden Reisen
wurde die Zahl um drei vermehrt. Das engere Gefolge setzt sich zusammen
aus den mit dienstlichen Funktionen betrauten Herren. Unter diesen muß der
Hausmarschall Seiner Majestät, Freiherr von Lyneker, an erster Stelle genannt
werden, der auf sämtlichen Nordlandreisen die Leitung der weit verzweigten
Hofhaushaltung verwaltete. "Alle übrigen Chargen, die der Kabinettschefs, der
beiden diensttuenden Flügeladjutanten und des Leibarztes haben im Laufe der
Jahre andere Vertreter gefordert. Zu dem engeren Gefolge treten nun die
sieben bis neun Gäste, die der Kaiser aus einem kleinen Kreise vor jeder Nord-
landreise auswählt. So ist es gekommen, daß vier Herren zu sämtlichen Reisen
befohlen worden sind; freilich haben nur zwei davon das Glück erfahren, tat¬
sächlich an den vierundzwanzig Fahrten teilzunehmen." Nach statistischen Aus¬
zügen aus vorhandenen Tagebüchern haben teilgenommen:

10 mal: der Legationsrat von Kiderlen-Waechter;
12 mal: der Graf Philipp Eulenburg:
16 mal: der Graf von Görtz und Prinz Albert von Holstein;
17 mal: der Chef des Generalstabes, General der Infanterie von Moltke;

Mit dem Kaiser a»f Reisen

letzterer verlängert sich oft das Konzert, besonders in den Häfen, wo Hunderte
von Booten sich um das Kaiserschiff drängen, während ihre Insassen gespannt
lauschen und stets Beifall klatschen, wenn die norwegische Nationalhymne
ertönt."

Kiderlen, der übrigens in musikalischer Hinsicht ein Barbar ist, gibt zu
obiger Beschreibung am 16. Juli 1889 eine hübsche Illustration, indem er
berichtet:

„Die Reise geht nun also doch noch bis zum Nordkap, vor einer Stunde
haben wir den nördlichen Polarkreis überschritten. Die Gegend ist wild und
großartig, das Wetter prachtvoll.

Mein Geburtstag war doch nachträglich herausgekommen, und wurde am
11. Juli nachträglich durch ein von Leutnant von Hülsen vorgetragenes Gedicht
gefeiert, worauf sich der Kaiser erhob und mit mir anstieß.

Auf Anstiften Waldersees schenkte mir die Tischgesellschaft einen großen
Porzellanhumpen. Ich hoffe, daß Ihr über unsere Erlebnisse genügend durch
meine Reiseberichte in der Kölnischen informiert seid, und mich auch in dem ,in
Sandven zur Kur weilenden Landsmann' erkannt habt.

Die Abende verlaufen harmlos, teils musikalisch (!!!), teils zaubert Hülsen
etwas vor, teils muß man irgendetwas aufführen: ich habe schon den Zwerg
aufgeführt und zum allergrößten Gaudium des Kaisers das Licht ausgelöscht!!!

Nun werden wir gleich nach Bodo kommen, wo ich diesen Brief auf die
norwegische Post gebe. . . . Dann geht es über Tromsö, Hammerfest nach dem
Nordkap, von da auf dem Rückweg nach den Lofoten und dann in einer
geraden Tour nach Bergen (25. Juli)."

Die Umgebung des Kaisers während der ersten Nordlandfahrten umfaßte
nach den Angaben Güßfeldts dreizehn Herren; während der folgenden Reisen
wurde die Zahl um drei vermehrt. Das engere Gefolge setzt sich zusammen
aus den mit dienstlichen Funktionen betrauten Herren. Unter diesen muß der
Hausmarschall Seiner Majestät, Freiherr von Lyneker, an erster Stelle genannt
werden, der auf sämtlichen Nordlandreisen die Leitung der weit verzweigten
Hofhaushaltung verwaltete. „Alle übrigen Chargen, die der Kabinettschefs, der
beiden diensttuenden Flügeladjutanten und des Leibarztes haben im Laufe der
Jahre andere Vertreter gefordert. Zu dem engeren Gefolge treten nun die
sieben bis neun Gäste, die der Kaiser aus einem kleinen Kreise vor jeder Nord-
landreise auswählt. So ist es gekommen, daß vier Herren zu sämtlichen Reisen
befohlen worden sind; freilich haben nur zwei davon das Glück erfahren, tat¬
sächlich an den vierundzwanzig Fahrten teilzunehmen." Nach statistischen Aus¬
zügen aus vorhandenen Tagebüchern haben teilgenommen:

10 mal: der Legationsrat von Kiderlen-Waechter;
12 mal: der Graf Philipp Eulenburg:
16 mal: der Graf von Görtz und Prinz Albert von Holstein;
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[0511] Mit dem Kaiser a»f Reisen letzterer verlängert sich oft das Konzert, besonders in den Häfen, wo Hunderte von Booten sich um das Kaiserschiff drängen, während ihre Insassen gespannt lauschen und stets Beifall klatschen, wenn die norwegische Nationalhymne ertönt." Kiderlen, der übrigens in musikalischer Hinsicht ein Barbar ist, gibt zu obiger Beschreibung am 16. Juli 1889 eine hübsche Illustration, indem er berichtet: „Die Reise geht nun also doch noch bis zum Nordkap, vor einer Stunde haben wir den nördlichen Polarkreis überschritten. Die Gegend ist wild und großartig, das Wetter prachtvoll. Mein Geburtstag war doch nachträglich herausgekommen, und wurde am 11. Juli nachträglich durch ein von Leutnant von Hülsen vorgetragenes Gedicht gefeiert, worauf sich der Kaiser erhob und mit mir anstieß. Auf Anstiften Waldersees schenkte mir die Tischgesellschaft einen großen Porzellanhumpen. Ich hoffe, daß Ihr über unsere Erlebnisse genügend durch meine Reiseberichte in der Kölnischen informiert seid, und mich auch in dem ,in Sandven zur Kur weilenden Landsmann' erkannt habt. Die Abende verlaufen harmlos, teils musikalisch (!!!), teils zaubert Hülsen etwas vor, teils muß man irgendetwas aufführen: ich habe schon den Zwerg aufgeführt und zum allergrößten Gaudium des Kaisers das Licht ausgelöscht!!! Nun werden wir gleich nach Bodo kommen, wo ich diesen Brief auf die norwegische Post gebe. . . . Dann geht es über Tromsö, Hammerfest nach dem Nordkap, von da auf dem Rückweg nach den Lofoten und dann in einer geraden Tour nach Bergen (25. Juli)." Die Umgebung des Kaisers während der ersten Nordlandfahrten umfaßte nach den Angaben Güßfeldts dreizehn Herren; während der folgenden Reisen wurde die Zahl um drei vermehrt. Das engere Gefolge setzt sich zusammen aus den mit dienstlichen Funktionen betrauten Herren. Unter diesen muß der Hausmarschall Seiner Majestät, Freiherr von Lyneker, an erster Stelle genannt werden, der auf sämtlichen Nordlandreisen die Leitung der weit verzweigten Hofhaushaltung verwaltete. „Alle übrigen Chargen, die der Kabinettschefs, der beiden diensttuenden Flügeladjutanten und des Leibarztes haben im Laufe der Jahre andere Vertreter gefordert. Zu dem engeren Gefolge treten nun die sieben bis neun Gäste, die der Kaiser aus einem kleinen Kreise vor jeder Nord- landreise auswählt. So ist es gekommen, daß vier Herren zu sämtlichen Reisen befohlen worden sind; freilich haben nur zwei davon das Glück erfahren, tat¬ sächlich an den vierundzwanzig Fahrten teilzunehmen." Nach statistischen Aus¬ zügen aus vorhandenen Tagebüchern haben teilgenommen: 10 mal: der Legationsrat von Kiderlen-Waechter; 12 mal: der Graf Philipp Eulenburg: 16 mal: der Graf von Görtz und Prinz Albert von Holstein; 17 mal: der Chef des Generalstabes, General der Infanterie von Moltke;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/511>, abgerufen am 21.12.2024.