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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die irische Renaissance und George Moore

Schreibende ist ein Mensch, dem das rückhaltlose Bekennen alles in der Stille
und im Austausch mit andern Persönlichkeiten Durchlebten ein angeborenes Be¬
dürfnis ist. Es ist ein Ringen nach Wahrheit, eingeschlossen in eine sehr per¬
sönliche Form, und wer zur Ergänzung die Individualität dieser Führenden
ans ihren Werken kennen gelernt hat, wird Moores Charakterstudien durch ein
Temperament gesehen mit Freude begrüßen.

War doch jene Zeit, als Moore sich der Bewegung anschloß, eine der
interessantesten in der Geschichte der jüngsten englischen Literatur. Denn man
darf dieses Spezialgebiet, das aus nationalen Motiven heraus sich dem Sämmel-
begriff englische Literatur oft feindselig gegenüberstellt, ihm dennoch eingliedern,
weil die englische Sprache einer großen Mehrheit seiner Dichter als Medium
dient. Viele haben von Anfang an betont, daß die irische Volkssprache tot
und nicht wieder zum Leben zu erwecken sei, andere, und unter ihnen Moore,
haben eine solche Erweckung zwar ersehnt, sind indessen in ihren Hoffnungen
enttäuscht worden und selbst die für die galische Sprache unentwegt Begeisterten
haben mit der Schwierigkeit der mannigfaltigen Dialektteilung zu kämpfen. Und
wenn nun auch die unermüdlich tätige Sammlerin follloristischer Denkmäler.
Lady Gregory. sogar etliche fremde Dichtungen, darunter Moliöres "Nöäocin
malZrö lui" und den "Leapin". sowie Sudermanns "Teja" in das heimat¬
liche Idiom übersetzt hat. so dürfte die Spaltung in Jahrzehnten nicht zu über¬
brücken sein.

Ein anderes Element, das die eng national sein wollende galische Dichter-
gruppe der Weltliteratur einordnet, ist die eigentümliche Verbindung dieser
heimatwüchsigen Dichtung Mit einer Seelenanalyse, die dem Maeterlinckfreunde
sogleich vertraut sein wird, weil sie der Weltanschauung dieses Dichters und
Denkers innig verwandt erscheint. Die feinen Unterschiede, die Umbildungen,
die das urwüchsig nationale Element in den Händen eines Yeats erfahrt, treten
am klarsten hervor, sobald man mit dem Werk eines wurzelechten Iren, etwa
dem des Präsidenten-der galischen Liga. Douglas Hyde. in Berührung kommt.
Hier umweht uns der herbe Wind der fremden Geistesregion, die in den Zerren
der bereits mehrfach genannten irischen Mystiker nur ein reizvolles Lüftchen ent¬
sendet. Jedenfalls spiegeln sich alle diese Schattierungen wensiv^in einem groß n
Unternehmen, dem irischen Nationaltheat-r. bei dessen Gründung Moore zu¬
gegen war und das unter verschiedenen Namen seine Lebensfähigkeit b^r^jüngste Zeit und in den letzten Jahren sogar durch sehr erfolgreiche
reisen erwiesen hat. Yeats' Anschauung, daß das Thea -r em '.^in die Höhe und Weite wachsenden Nationalbewußtseins" sei. hat sich hiermit
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GeorgeMooreplaudert nun aus. wie es zu Be^amU^was den beteiligte., blutiger Ernst war. erscheint nun dem Le^ristischer Beleuch?ung ganz so. wie es der Man^^der die Regieversuche eines Häufleins glühend begeisterter, aber rührend uuer-


Die irische Renaissance und George Moore

Schreibende ist ein Mensch, dem das rückhaltlose Bekennen alles in der Stille
und im Austausch mit andern Persönlichkeiten Durchlebten ein angeborenes Be¬
dürfnis ist. Es ist ein Ringen nach Wahrheit, eingeschlossen in eine sehr per¬
sönliche Form, und wer zur Ergänzung die Individualität dieser Führenden
ans ihren Werken kennen gelernt hat, wird Moores Charakterstudien durch ein
Temperament gesehen mit Freude begrüßen.

War doch jene Zeit, als Moore sich der Bewegung anschloß, eine der
interessantesten in der Geschichte der jüngsten englischen Literatur. Denn man
darf dieses Spezialgebiet, das aus nationalen Motiven heraus sich dem Sämmel-
begriff englische Literatur oft feindselig gegenüberstellt, ihm dennoch eingliedern,
weil die englische Sprache einer großen Mehrheit seiner Dichter als Medium
dient. Viele haben von Anfang an betont, daß die irische Volkssprache tot
und nicht wieder zum Leben zu erwecken sei, andere, und unter ihnen Moore,
haben eine solche Erweckung zwar ersehnt, sind indessen in ihren Hoffnungen
enttäuscht worden und selbst die für die galische Sprache unentwegt Begeisterten
haben mit der Schwierigkeit der mannigfaltigen Dialektteilung zu kämpfen. Und
wenn nun auch die unermüdlich tätige Sammlerin follloristischer Denkmäler.
Lady Gregory. sogar etliche fremde Dichtungen, darunter Moliöres „Nöäocin
malZrö lui" und den „Leapin". sowie Sudermanns „Teja" in das heimat¬
liche Idiom übersetzt hat. so dürfte die Spaltung in Jahrzehnten nicht zu über¬
brücken sein.

Ein anderes Element, das die eng national sein wollende galische Dichter-
gruppe der Weltliteratur einordnet, ist die eigentümliche Verbindung dieser
heimatwüchsigen Dichtung Mit einer Seelenanalyse, die dem Maeterlinckfreunde
sogleich vertraut sein wird, weil sie der Weltanschauung dieses Dichters und
Denkers innig verwandt erscheint. Die feinen Unterschiede, die Umbildungen,
die das urwüchsig nationale Element in den Händen eines Yeats erfahrt, treten
am klarsten hervor, sobald man mit dem Werk eines wurzelechten Iren, etwa
dem des Präsidenten-der galischen Liga. Douglas Hyde. in Berührung kommt.
Hier umweht uns der herbe Wind der fremden Geistesregion, die in den Zerren
der bereits mehrfach genannten irischen Mystiker nur ein reizvolles Lüftchen ent¬
sendet. Jedenfalls spiegeln sich alle diese Schattierungen wensiv^in einem groß n
Unternehmen, dem irischen Nationaltheat-r. bei dessen Gründung Moore zu¬
gegen war und das unter verschiedenen Namen seine Lebensfähigkeit b^r^jüngste Zeit und in den letzten Jahren sogar durch sehr erfolgreiche
reisen erwiesen hat. Yeats' Anschauung, daß das Thea -r em '.^in die Höhe und Weite wachsenden Nationalbewußtseins" sei. hat sich hiermit
^^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/49>, abgerufen am 27.07.2024.