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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

meine eigne Überzeugung vorzutragen, und wenn ich namentlich in der inneren
Politik, in der Militärorganisation zum Nachgeben raten wollte; denn in der
äußeren Politik geschieht ja eigentlich nichts anderes, als was früher von denen,
die mich anfeinden, gewollt wurde. ^

Verzeihen Eure Majestät, wenn mich in diesen Kämpfen das Gefühl,
ungerecht angegriffen zu werden aus dem einzigen Grunde, weil ich meine
Pflicht gegen Eure Majestät ohne Seitenblicke zu erfüllen suche, die Ruhe ver¬
lieren läßt, die ich selbst gern bewahren möchte. Zum Beweise, daß die Ver¬
mittlung des Herzogs schon länger Gegenstand der Presse ist, und von Wien
aus zuerst besprochen wurde, lege ich einige Zeitungsartikel ehrfurchtsvoll bei.


von Bismarck.

Die Gedankengänge dieses Schreibens waren auf die bereits charakterisierte
Eigenart König Wilhelms berechnet und haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Der Versuch des Herzogs von Koburg, den König von seinem Minister zu
trennen, war gescheitert. Am 8. April unterzeichnete der König den Bündnis¬
vertrag mit Italien. Am 9. April wurde der Antrag Preußens auf Berufung
eines deutschen Parlaments auf Grund des allgemeinen Stimmrechts durch
direkte Wahlen am Bundestag übergeben und geheime Verhandlungen mit
Bauern über den Ausschluß Österreichs aus dem neu zu schaffenden Bund, über
Preußens Vormachtstellung in Norddeutschland und Bayerns im Süden Deutsch¬
lands begonnen.

Ernst der Zweite hatte bereits nach Eintreffen des früher erwähnte" könig¬
lichen Briefes sein Spiel verloren gegeben. Das zeigt folgendes Telegramm
an den Grafen Mensdorff: König schenkt keinen Glauben; entgegengesetzte
Rapporte. Persönlich immer noch aufgebracht. Direkter Schritt notwendig.
Große Mäßigung empfehlenswert.

Es darf wohl angenommen werden, daß die österreichische Note vom
7. April unter dem Eindruck und dein Einfluß dieses Telegramms entstanden
ist. Sie enthielt ein ernstes, friedliches Angebot und gab König Wilhelm die
ersehnte Gelegenheit, der Welt seine angezweifelte Friedensliebe zu zeigen.
Eine Zeitlang hatte es zur größten Beunruhigung Bismarcks wirklich den An¬
schein, als ob die Kriegsgefahr noch beschworen werden könnte. Denn der
König milderte den Entwurf der Bismarckschen Antwortnote zweimal und schickte
ihn zweimal zurück. Ihr Kerngedanke war die preußische Bereitwilligkeit, die
Rüstungen rückgängig zu machen, wenn Österreich sich derselben Friedcnsmaß-
regel anschließe. Österreich ging aufs bereitwilligste auf den Vorschlag ein.
Bismarcks Pläne waren arg gefährdet. Daß sie nicht endgültig durchkreuzt
wurden, dafür sorgte, wie so oft, die Torheit seiner Gegner. Gerade in diesen
Tagen der neu erwachten Friedenshoffnung setzte der österreichische Generalstab
die Mobilmachung gegen Italien durch, das möglicherweise infolge des fried¬
lichen Umschwungs in Deutschland besonders kriegerisch zu lärmen begonnen


Fürstliche Gegner Bismarcks

meine eigne Überzeugung vorzutragen, und wenn ich namentlich in der inneren
Politik, in der Militärorganisation zum Nachgeben raten wollte; denn in der
äußeren Politik geschieht ja eigentlich nichts anderes, als was früher von denen,
die mich anfeinden, gewollt wurde. ^

Verzeihen Eure Majestät, wenn mich in diesen Kämpfen das Gefühl,
ungerecht angegriffen zu werden aus dem einzigen Grunde, weil ich meine
Pflicht gegen Eure Majestät ohne Seitenblicke zu erfüllen suche, die Ruhe ver¬
lieren läßt, die ich selbst gern bewahren möchte. Zum Beweise, daß die Ver¬
mittlung des Herzogs schon länger Gegenstand der Presse ist, und von Wien
aus zuerst besprochen wurde, lege ich einige Zeitungsartikel ehrfurchtsvoll bei.


von Bismarck.

Die Gedankengänge dieses Schreibens waren auf die bereits charakterisierte
Eigenart König Wilhelms berechnet und haben ihre Wirkung nicht verfehlt.
Der Versuch des Herzogs von Koburg, den König von seinem Minister zu
trennen, war gescheitert. Am 8. April unterzeichnete der König den Bündnis¬
vertrag mit Italien. Am 9. April wurde der Antrag Preußens auf Berufung
eines deutschen Parlaments auf Grund des allgemeinen Stimmrechts durch
direkte Wahlen am Bundestag übergeben und geheime Verhandlungen mit
Bauern über den Ausschluß Österreichs aus dem neu zu schaffenden Bund, über
Preußens Vormachtstellung in Norddeutschland und Bayerns im Süden Deutsch¬
lands begonnen.

Ernst der Zweite hatte bereits nach Eintreffen des früher erwähnte» könig¬
lichen Briefes sein Spiel verloren gegeben. Das zeigt folgendes Telegramm
an den Grafen Mensdorff: König schenkt keinen Glauben; entgegengesetzte
Rapporte. Persönlich immer noch aufgebracht. Direkter Schritt notwendig.
Große Mäßigung empfehlenswert.

Es darf wohl angenommen werden, daß die österreichische Note vom
7. April unter dem Eindruck und dein Einfluß dieses Telegramms entstanden
ist. Sie enthielt ein ernstes, friedliches Angebot und gab König Wilhelm die
ersehnte Gelegenheit, der Welt seine angezweifelte Friedensliebe zu zeigen.
Eine Zeitlang hatte es zur größten Beunruhigung Bismarcks wirklich den An¬
schein, als ob die Kriegsgefahr noch beschworen werden könnte. Denn der
König milderte den Entwurf der Bismarckschen Antwortnote zweimal und schickte
ihn zweimal zurück. Ihr Kerngedanke war die preußische Bereitwilligkeit, die
Rüstungen rückgängig zu machen, wenn Österreich sich derselben Friedcnsmaß-
regel anschließe. Österreich ging aufs bereitwilligste auf den Vorschlag ein.
Bismarcks Pläne waren arg gefährdet. Daß sie nicht endgültig durchkreuzt
wurden, dafür sorgte, wie so oft, die Torheit seiner Gegner. Gerade in diesen
Tagen der neu erwachten Friedenshoffnung setzte der österreichische Generalstab
die Mobilmachung gegen Italien durch, das möglicherweise infolge des fried¬
lichen Umschwungs in Deutschland besonders kriegerisch zu lärmen begonnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/42>, abgerufen am 30.12.2024.