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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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vom alten und vom neuen Reichsarchiv

hatte. Damit war der Stein ins Rollen gekommen; an ein Aufhalten war
nicht mehr zu denken.

Der telegraphische Wunsch, den die Königin von England am 7. April
nach Koburg übermittelt hatte, ist erfreulicherweise nicht in Erfüllung gegangen.

Sie hat depeschiert:

Viktoria an Ernst den Zweiten."

"^
7. April Windsor Castle.

Dank für Brief vom 2. Ich habe ihn mit Deinen Einlagen Lord Clarendon
übergeben und schicke Dir hiermit Clarendons Brief . . .

... Gott gebe, daß dieses schändliche, sündhafte Benehmen Bismarcks
reichlich bestraft und der Frieden erhalten sein möge.


Ewig Deinetreue und unglückliche
Schwester und Freundin 1-ne ()u.


Vom alten und vom neuen Reichsarchiv
v Dr. Paul Wcntzcke onin

me kurze Bemerkung im preußischen Haushaltsetat für 1913 kündet
ein neues Reichsamt an. Beim Neubau des seit langem mehr
als unzureichenden Geheimen Staatsarchivs in Berlin ist gleich¬
zeitig ein Bauplatz für ein neu zu begründendes Reichsarchiv,
räumlich getrennt und selbständig erweiterungsfähig, vorgesehen.
Ausführliche Motive sollen erst dem nächsten Haushaltsetat des Reiches bei¬
gelegt werden, da zurzeit noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden kann,
welchen Raum die reponierten Registraturen der Reichsämter benötigen. Deren
Kanzleien sind bereits jetzt, nach dreiundvierzigjähriger Arbeit so überfüllt, daß
sich eine Entlastung als unbedingt nötig erweist. Die historische Wissenschaft
hat heute, da die Trüger der Verhandlungen von 1870 alle dahingegangen
sind, ein Anrecht auf Ordnung und Einsicht der Akten, in denen die Arbeit
der Paladine des alten Kaisers niedergelegt ist. Darüber hinaus aber erheischt
der Gedanke eines Reichsarchivs noch besondere Bedeutung.- das alte Deutsche
Reich hat sich trotz einer fast tausendjährigen Geschichte nie dauernd ein selb¬
ständiges Archiv schaffen können.

Die deutschen Könige des früheren Mittelalters führten zumeist ein Wander¬
leben. Mit ihnen zog Kanzlei und Registratur von Bischofssitz zu Bischofssitz.


vom alten und vom neuen Reichsarchiv

hatte. Damit war der Stein ins Rollen gekommen; an ein Aufhalten war
nicht mehr zu denken.

Der telegraphische Wunsch, den die Königin von England am 7. April
nach Koburg übermittelt hatte, ist erfreulicherweise nicht in Erfüllung gegangen.

Sie hat depeschiert:

Viktoria an Ernst den Zweiten."

„^
7. April Windsor Castle.

Dank für Brief vom 2. Ich habe ihn mit Deinen Einlagen Lord Clarendon
übergeben und schicke Dir hiermit Clarendons Brief . . .

... Gott gebe, daß dieses schändliche, sündhafte Benehmen Bismarcks
reichlich bestraft und der Frieden erhalten sein möge.


Ewig Deinetreue und unglückliche
Schwester und Freundin 1-ne ()u.


Vom alten und vom neuen Reichsarchiv
v Dr. Paul Wcntzcke onin

me kurze Bemerkung im preußischen Haushaltsetat für 1913 kündet
ein neues Reichsamt an. Beim Neubau des seit langem mehr
als unzureichenden Geheimen Staatsarchivs in Berlin ist gleich¬
zeitig ein Bauplatz für ein neu zu begründendes Reichsarchiv,
räumlich getrennt und selbständig erweiterungsfähig, vorgesehen.
Ausführliche Motive sollen erst dem nächsten Haushaltsetat des Reiches bei¬
gelegt werden, da zurzeit noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden kann,
welchen Raum die reponierten Registraturen der Reichsämter benötigen. Deren
Kanzleien sind bereits jetzt, nach dreiundvierzigjähriger Arbeit so überfüllt, daß
sich eine Entlastung als unbedingt nötig erweist. Die historische Wissenschaft
hat heute, da die Trüger der Verhandlungen von 1870 alle dahingegangen
sind, ein Anrecht auf Ordnung und Einsicht der Akten, in denen die Arbeit
der Paladine des alten Kaisers niedergelegt ist. Darüber hinaus aber erheischt
der Gedanke eines Reichsarchivs noch besondere Bedeutung.- das alte Deutsche
Reich hat sich trotz einer fast tausendjährigen Geschichte nie dauernd ein selb¬
ständiges Archiv schaffen können.

Die deutschen Könige des früheren Mittelalters führten zumeist ein Wander¬
leben. Mit ihnen zog Kanzlei und Registratur von Bischofssitz zu Bischofssitz.


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[0043] vom alten und vom neuen Reichsarchiv hatte. Damit war der Stein ins Rollen gekommen; an ein Aufhalten war nicht mehr zu denken. Der telegraphische Wunsch, den die Königin von England am 7. April nach Koburg übermittelt hatte, ist erfreulicherweise nicht in Erfüllung gegangen. Sie hat depeschiert: Viktoria an Ernst den Zweiten." „^ 7. April Windsor Castle. Dank für Brief vom 2. Ich habe ihn mit Deinen Einlagen Lord Clarendon übergeben und schicke Dir hiermit Clarendons Brief . . . ... Gott gebe, daß dieses schändliche, sündhafte Benehmen Bismarcks reichlich bestraft und der Frieden erhalten sein möge. Ewig Deinetreue und unglückliche Schwester und Freundin 1-ne ()u. Vom alten und vom neuen Reichsarchiv v Dr. Paul Wcntzcke onin me kurze Bemerkung im preußischen Haushaltsetat für 1913 kündet ein neues Reichsamt an. Beim Neubau des seit langem mehr als unzureichenden Geheimen Staatsarchivs in Berlin ist gleich¬ zeitig ein Bauplatz für ein neu zu begründendes Reichsarchiv, räumlich getrennt und selbständig erweiterungsfähig, vorgesehen. Ausführliche Motive sollen erst dem nächsten Haushaltsetat des Reiches bei¬ gelegt werden, da zurzeit noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden kann, welchen Raum die reponierten Registraturen der Reichsämter benötigen. Deren Kanzleien sind bereits jetzt, nach dreiundvierzigjähriger Arbeit so überfüllt, daß sich eine Entlastung als unbedingt nötig erweist. Die historische Wissenschaft hat heute, da die Trüger der Verhandlungen von 1870 alle dahingegangen sind, ein Anrecht auf Ordnung und Einsicht der Akten, in denen die Arbeit der Paladine des alten Kaisers niedergelegt ist. Darüber hinaus aber erheischt der Gedanke eines Reichsarchivs noch besondere Bedeutung.- das alte Deutsche Reich hat sich trotz einer fast tausendjährigen Geschichte nie dauernd ein selb¬ ständiges Archiv schaffen können. Die deutschen Könige des früheren Mittelalters führten zumeist ein Wander¬ leben. Mit ihnen zog Kanzlei und Registratur von Bischofssitz zu Bischofssitz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/43>, abgerufen am 30.12.2024.