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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Linfuhrscheinc und Deckungsfrage

4 Millionen Doppelzentner Roggen und 1^ Millionen Doppelzentner zu Mehl
verarbeiteten Roggen 5 5 Mark im Betrage von 26^ Millionen Mark würden
dann weniger ausgegeben und bei Verzollung anderer Waren weniger in Zahlung
gegeben werden. Die Barzolleinnahme des Reiches würde sich erheblich erhöhen!
Dies beides spricht bei der jetzt im Vordergrunde des Interesses stehenden
Deckungsfrage doch schon mitt

Die Landwirtschaft der "Roggenprovinzen" mag durch die Reform etwas
von ihrer Hochrentabilität einbüßen. Sie hatte auch den größten Vorteil von
diesem System. Roggen kostete im Jahresdurchschnitt 1912 in Königsberg
17,78 Mark pro Doppelzentner. Im Geburtsjahr des Einfuhrscheinsystems
1894 kostete er nur 10,68. Weizen 1912 20,98 Mark, im Jahre 1894 nur 12,69.
(Heute ist Roggen wieder billiger, aber 1907 und 1908 stand er noch höher.)
Königsberg, 1904 der billigste Getreideplatz Deutschlands, hat heute höheren
Roggenpreis als Danzig, Stettin, Posen, Breslau, Magdeburg, Halle, Leipzig,
Dresden. Die heutige Danziger Weizennotiz ist, abgesehen von Rhein- und
Süddeutschland, die höchste von ganz Deutschland.*)

Die Rentabilität der Landwirtschaft im Osten ist im letzten Jahrzehnt allein
bis 100 Prozent gestiegen; der Bodenpreis von S73 Mark pro Hektar im Jahre
1894, auf 1383 Mark im Jahre 1906.**)

Der Getrcidehandel dort wird für den Ausfall im Roggenausfuhrgeschäft
andere Beschäftigung finden. Die Speicheranlagen Danzigs können für die
Verminderung des Roggenumschlagverkehrs Ersatz finden in stärkerer Lager¬
haltung als Grundlage eines auszubildenden Gctreideterminhandels (zugelassener
handelsrechtlicher Lieferungshandel).

Es ist der Herren im Osten nobile ottieium, auch ein Opfer zu bringen.
Sie sollten es sich nicht erst abringen lassen. Die Angriffe gegen das System
verstummen nicht. Sie ermangeln nicht mancher, kaum länger wegzuleugnender
Berechtigung. Über den Landwirtschaftsminister hinweg wird sich der Reichs¬
schatzsekretär die Wirkung auf die Zölle mit eigenen Augen ansehen müssen.
Das Ausland ist erbittert. Schon 1910 forderte ein polnischer Gutsbesitzer***)
russische Gegenmaßregeln gegen den ostdeutschen Prämienroggen. spätestens
bei den neuen Handelsvertragsverhandlungen wird der Stein des Anstoßes ins
Rollen kommen. Vielleicht früher schon mal über Nacht. Die betreffenden
Kreise täten besser, freiwillig einem maßvollen Reformvorschläge zuzustimmen,
als zu warten, bis die Welle mißgestimmter Gegnerschaft weit mehr von den
Errungenschaften fortschwemmt.







*) Kurzer Getreidewochenbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrates
vom 2t. April 1913.
Siegmund von Chlapowsri: "Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation
im Osten." Preußische Jahrbücher 1913, Februarheft.
G. Prosoroff im Tag Ur. 291.
Linfuhrscheinc und Deckungsfrage

4 Millionen Doppelzentner Roggen und 1^ Millionen Doppelzentner zu Mehl
verarbeiteten Roggen 5 5 Mark im Betrage von 26^ Millionen Mark würden
dann weniger ausgegeben und bei Verzollung anderer Waren weniger in Zahlung
gegeben werden. Die Barzolleinnahme des Reiches würde sich erheblich erhöhen!
Dies beides spricht bei der jetzt im Vordergrunde des Interesses stehenden
Deckungsfrage doch schon mitt

Die Landwirtschaft der „Roggenprovinzen" mag durch die Reform etwas
von ihrer Hochrentabilität einbüßen. Sie hatte auch den größten Vorteil von
diesem System. Roggen kostete im Jahresdurchschnitt 1912 in Königsberg
17,78 Mark pro Doppelzentner. Im Geburtsjahr des Einfuhrscheinsystems
1894 kostete er nur 10,68. Weizen 1912 20,98 Mark, im Jahre 1894 nur 12,69.
(Heute ist Roggen wieder billiger, aber 1907 und 1908 stand er noch höher.)
Königsberg, 1904 der billigste Getreideplatz Deutschlands, hat heute höheren
Roggenpreis als Danzig, Stettin, Posen, Breslau, Magdeburg, Halle, Leipzig,
Dresden. Die heutige Danziger Weizennotiz ist, abgesehen von Rhein- und
Süddeutschland, die höchste von ganz Deutschland.*)

Die Rentabilität der Landwirtschaft im Osten ist im letzten Jahrzehnt allein
bis 100 Prozent gestiegen; der Bodenpreis von S73 Mark pro Hektar im Jahre
1894, auf 1383 Mark im Jahre 1906.**)

Der Getrcidehandel dort wird für den Ausfall im Roggenausfuhrgeschäft
andere Beschäftigung finden. Die Speicheranlagen Danzigs können für die
Verminderung des Roggenumschlagverkehrs Ersatz finden in stärkerer Lager¬
haltung als Grundlage eines auszubildenden Gctreideterminhandels (zugelassener
handelsrechtlicher Lieferungshandel).

Es ist der Herren im Osten nobile ottieium, auch ein Opfer zu bringen.
Sie sollten es sich nicht erst abringen lassen. Die Angriffe gegen das System
verstummen nicht. Sie ermangeln nicht mancher, kaum länger wegzuleugnender
Berechtigung. Über den Landwirtschaftsminister hinweg wird sich der Reichs¬
schatzsekretär die Wirkung auf die Zölle mit eigenen Augen ansehen müssen.
Das Ausland ist erbittert. Schon 1910 forderte ein polnischer Gutsbesitzer***)
russische Gegenmaßregeln gegen den ostdeutschen Prämienroggen. spätestens
bei den neuen Handelsvertragsverhandlungen wird der Stein des Anstoßes ins
Rollen kommen. Vielleicht früher schon mal über Nacht. Die betreffenden
Kreise täten besser, freiwillig einem maßvollen Reformvorschläge zuzustimmen,
als zu warten, bis die Welle mißgestimmter Gegnerschaft weit mehr von den
Errungenschaften fortschwemmt.







*) Kurzer Getreidewochenbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrates
vom 2t. April 1913.
Siegmund von Chlapowsri: „Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation
im Osten." Preußische Jahrbücher 1913, Februarheft.
G. Prosoroff im Tag Ur. 291.
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[0415] Linfuhrscheinc und Deckungsfrage 4 Millionen Doppelzentner Roggen und 1^ Millionen Doppelzentner zu Mehl verarbeiteten Roggen 5 5 Mark im Betrage von 26^ Millionen Mark würden dann weniger ausgegeben und bei Verzollung anderer Waren weniger in Zahlung gegeben werden. Die Barzolleinnahme des Reiches würde sich erheblich erhöhen! Dies beides spricht bei der jetzt im Vordergrunde des Interesses stehenden Deckungsfrage doch schon mitt Die Landwirtschaft der „Roggenprovinzen" mag durch die Reform etwas von ihrer Hochrentabilität einbüßen. Sie hatte auch den größten Vorteil von diesem System. Roggen kostete im Jahresdurchschnitt 1912 in Königsberg 17,78 Mark pro Doppelzentner. Im Geburtsjahr des Einfuhrscheinsystems 1894 kostete er nur 10,68. Weizen 1912 20,98 Mark, im Jahre 1894 nur 12,69. (Heute ist Roggen wieder billiger, aber 1907 und 1908 stand er noch höher.) Königsberg, 1904 der billigste Getreideplatz Deutschlands, hat heute höheren Roggenpreis als Danzig, Stettin, Posen, Breslau, Magdeburg, Halle, Leipzig, Dresden. Die heutige Danziger Weizennotiz ist, abgesehen von Rhein- und Süddeutschland, die höchste von ganz Deutschland.*) Die Rentabilität der Landwirtschaft im Osten ist im letzten Jahrzehnt allein bis 100 Prozent gestiegen; der Bodenpreis von S73 Mark pro Hektar im Jahre 1894, auf 1383 Mark im Jahre 1906.**) Der Getrcidehandel dort wird für den Ausfall im Roggenausfuhrgeschäft andere Beschäftigung finden. Die Speicheranlagen Danzigs können für die Verminderung des Roggenumschlagverkehrs Ersatz finden in stärkerer Lager¬ haltung als Grundlage eines auszubildenden Gctreideterminhandels (zugelassener handelsrechtlicher Lieferungshandel). Es ist der Herren im Osten nobile ottieium, auch ein Opfer zu bringen. Sie sollten es sich nicht erst abringen lassen. Die Angriffe gegen das System verstummen nicht. Sie ermangeln nicht mancher, kaum länger wegzuleugnender Berechtigung. Über den Landwirtschaftsminister hinweg wird sich der Reichs¬ schatzsekretär die Wirkung auf die Zölle mit eigenen Augen ansehen müssen. Das Ausland ist erbittert. Schon 1910 forderte ein polnischer Gutsbesitzer***) russische Gegenmaßregeln gegen den ostdeutschen Prämienroggen. spätestens bei den neuen Handelsvertragsverhandlungen wird der Stein des Anstoßes ins Rollen kommen. Vielleicht früher schon mal über Nacht. Die betreffenden Kreise täten besser, freiwillig einem maßvollen Reformvorschläge zuzustimmen, als zu warten, bis die Welle mißgestimmter Gegnerschaft weit mehr von den Errungenschaften fortschwemmt. *) Kurzer Getreidewochenbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrates vom 2t. April 1913. Siegmund von Chlapowsri: „Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten." Preußische Jahrbücher 1913, Februarheft. G. Prosoroff im Tag Ur. 291.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/415>, abgerufen am 30.12.2024.