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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Linfuhrscheine und Deckmigsfrage

Außer bei dem Roggen ist hiernach die Einfuhr jeder einzelnen Waren¬
gattung so stark überwiegend, daß die glatte Unterbringung ihrer Ausfuhrscheine
bei der Einfuhr derselben Warengattung gesichert erscheint und es nur nötig
sein wird, die Umlaufdauer der Scheine auf zwölf Monate zu erstrecken, damit
der Eigner in aller Muße gute Verwendung dafür suchen kann. Bei Hafer
und Buchweizen wenigstens kann das mal erwünscht sein, alle anderen Scheine
dürften nach wie vor stets sofort anzubringen sein.

So berechtigt und notwendig nun diese Maßregel auch erscheint, so schreckt
man doch zurück, sie auszuführen, angesichts der Umwälzungen für die Ost¬
provinzen, deren Hauptfrucht gerade der Roggen ist. Die Befürchtung einer
wüsten Spekulation in Roggenscheinen bis zur völligen Entwertung hat sich in
den Landwirtschafts- und Handelskreisen des Ostens zu sehr festgesetzt, als daß
sie durch Gegenausführungen zu bannen wäre.

Wenn diese Kreise schon mal in Verwertung der Scheine beschränkt sein
sollen, wird ihnen jedenfalls ein fester Verlust, mit dem sie kalkulieren können
lieber sein. Nun hatte die Handelskammer Berlin vorgeschlagen, die Scheine
über Weizen, Hafer, Roggen um 1 ^/z Mark pro Doppelzentner niedriger aus¬
zustellen. Dies auch beim Weizen zu tun, liegt überhaupt kein Grund vor
und gerade ihm ist Austauschwanderung am nötigsten. Die müßige Überaus¬
fuhr von Hafer, die sich nicht wiederholt hat, mag nur eine vorbeugende
Kürzung minimalster Höhe, vielleicht 15 Pfennig pro Doppelzentner rechtfertigen.
Zur Beseitigung der Roggenüberausfuhr dürfte ein Abzug von 1 Mark pro
Doppelzentner schon genügen. Ein höherer Abzug kann leicht die ganze Aus¬
fuhr fortrasieren, das Kind mit dem Bade ausschütten. Den Gedanken einer
Beschränkung der Ausfuhrvergütung soll übrigens schon 1888 der Vorkämpfer
dieser Vergütungen, Graf Mirbach, ausgesprochen haben und nur eine 90vro-
zentige Zollvergütung vorgeschlagen haben.

Um zu positiven Vorschlägen zu kommen, möchte ich mich bezüglich des
Roggens dieses Gedankens bemächtigen und dielvProzentKürzung gleich 50Pfennig
pro Doppelzentner vorschlagen. Das wird allerdings nicht genügen, die Über¬
ausfuhr zu beseitigen, aber doch, sie erheblich, vielleicht auf die Hälfte zu be¬
schränken. Für den zum Roggenmehl benötigten Roggen darf der Abzug noch
etwas niedriger sein, um den Mehlexport mehr als den Roggenexport zu be¬
günstigen, Kleie und Mahllohn also dem Inlande zu erhalten.

Prinzipiell wären auch alle übrigen Warengattungen mit einer minimalen,
den Verkehr nicht hindernden Auflage zu bedenken, etwa 10 Pfennig pro
Doppelzentner. "Ein Groschen für das Reich" fällt beim Exportgeschäft schon
nebenher ab. Der Exporteur und der ausländische Importeur tragen ihn zu¬
sammen als "Spesen".

Vorstehendes in das Zolltarifgesetz ZU hineinzuarbeiten ist umständlich
und birgt die Gefahr, daß alle die schwierigen Fragen der Gesamtmaterie auf¬
gerollt werden, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Ein Quittungsstempel


Linfuhrscheine und Deckmigsfrage

Außer bei dem Roggen ist hiernach die Einfuhr jeder einzelnen Waren¬
gattung so stark überwiegend, daß die glatte Unterbringung ihrer Ausfuhrscheine
bei der Einfuhr derselben Warengattung gesichert erscheint und es nur nötig
sein wird, die Umlaufdauer der Scheine auf zwölf Monate zu erstrecken, damit
der Eigner in aller Muße gute Verwendung dafür suchen kann. Bei Hafer
und Buchweizen wenigstens kann das mal erwünscht sein, alle anderen Scheine
dürften nach wie vor stets sofort anzubringen sein.

So berechtigt und notwendig nun diese Maßregel auch erscheint, so schreckt
man doch zurück, sie auszuführen, angesichts der Umwälzungen für die Ost¬
provinzen, deren Hauptfrucht gerade der Roggen ist. Die Befürchtung einer
wüsten Spekulation in Roggenscheinen bis zur völligen Entwertung hat sich in
den Landwirtschafts- und Handelskreisen des Ostens zu sehr festgesetzt, als daß
sie durch Gegenausführungen zu bannen wäre.

Wenn diese Kreise schon mal in Verwertung der Scheine beschränkt sein
sollen, wird ihnen jedenfalls ein fester Verlust, mit dem sie kalkulieren können
lieber sein. Nun hatte die Handelskammer Berlin vorgeschlagen, die Scheine
über Weizen, Hafer, Roggen um 1 ^/z Mark pro Doppelzentner niedriger aus¬
zustellen. Dies auch beim Weizen zu tun, liegt überhaupt kein Grund vor
und gerade ihm ist Austauschwanderung am nötigsten. Die müßige Überaus¬
fuhr von Hafer, die sich nicht wiederholt hat, mag nur eine vorbeugende
Kürzung minimalster Höhe, vielleicht 15 Pfennig pro Doppelzentner rechtfertigen.
Zur Beseitigung der Roggenüberausfuhr dürfte ein Abzug von 1 Mark pro
Doppelzentner schon genügen. Ein höherer Abzug kann leicht die ganze Aus¬
fuhr fortrasieren, das Kind mit dem Bade ausschütten. Den Gedanken einer
Beschränkung der Ausfuhrvergütung soll übrigens schon 1888 der Vorkämpfer
dieser Vergütungen, Graf Mirbach, ausgesprochen haben und nur eine 90vro-
zentige Zollvergütung vorgeschlagen haben.

Um zu positiven Vorschlägen zu kommen, möchte ich mich bezüglich des
Roggens dieses Gedankens bemächtigen und dielvProzentKürzung gleich 50Pfennig
pro Doppelzentner vorschlagen. Das wird allerdings nicht genügen, die Über¬
ausfuhr zu beseitigen, aber doch, sie erheblich, vielleicht auf die Hälfte zu be¬
schränken. Für den zum Roggenmehl benötigten Roggen darf der Abzug noch
etwas niedriger sein, um den Mehlexport mehr als den Roggenexport zu be¬
günstigen, Kleie und Mahllohn also dem Inlande zu erhalten.

Prinzipiell wären auch alle übrigen Warengattungen mit einer minimalen,
den Verkehr nicht hindernden Auflage zu bedenken, etwa 10 Pfennig pro
Doppelzentner. „Ein Groschen für das Reich" fällt beim Exportgeschäft schon
nebenher ab. Der Exporteur und der ausländische Importeur tragen ihn zu¬
sammen als „Spesen".

Vorstehendes in das Zolltarifgesetz ZU hineinzuarbeiten ist umständlich
und birgt die Gefahr, daß alle die schwierigen Fragen der Gesamtmaterie auf¬
gerollt werden, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Ein Quittungsstempel


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[0413] Linfuhrscheine und Deckmigsfrage Außer bei dem Roggen ist hiernach die Einfuhr jeder einzelnen Waren¬ gattung so stark überwiegend, daß die glatte Unterbringung ihrer Ausfuhrscheine bei der Einfuhr derselben Warengattung gesichert erscheint und es nur nötig sein wird, die Umlaufdauer der Scheine auf zwölf Monate zu erstrecken, damit der Eigner in aller Muße gute Verwendung dafür suchen kann. Bei Hafer und Buchweizen wenigstens kann das mal erwünscht sein, alle anderen Scheine dürften nach wie vor stets sofort anzubringen sein. So berechtigt und notwendig nun diese Maßregel auch erscheint, so schreckt man doch zurück, sie auszuführen, angesichts der Umwälzungen für die Ost¬ provinzen, deren Hauptfrucht gerade der Roggen ist. Die Befürchtung einer wüsten Spekulation in Roggenscheinen bis zur völligen Entwertung hat sich in den Landwirtschafts- und Handelskreisen des Ostens zu sehr festgesetzt, als daß sie durch Gegenausführungen zu bannen wäre. Wenn diese Kreise schon mal in Verwertung der Scheine beschränkt sein sollen, wird ihnen jedenfalls ein fester Verlust, mit dem sie kalkulieren können lieber sein. Nun hatte die Handelskammer Berlin vorgeschlagen, die Scheine über Weizen, Hafer, Roggen um 1 ^/z Mark pro Doppelzentner niedriger aus¬ zustellen. Dies auch beim Weizen zu tun, liegt überhaupt kein Grund vor und gerade ihm ist Austauschwanderung am nötigsten. Die müßige Überaus¬ fuhr von Hafer, die sich nicht wiederholt hat, mag nur eine vorbeugende Kürzung minimalster Höhe, vielleicht 15 Pfennig pro Doppelzentner rechtfertigen. Zur Beseitigung der Roggenüberausfuhr dürfte ein Abzug von 1 Mark pro Doppelzentner schon genügen. Ein höherer Abzug kann leicht die ganze Aus¬ fuhr fortrasieren, das Kind mit dem Bade ausschütten. Den Gedanken einer Beschränkung der Ausfuhrvergütung soll übrigens schon 1888 der Vorkämpfer dieser Vergütungen, Graf Mirbach, ausgesprochen haben und nur eine 90vro- zentige Zollvergütung vorgeschlagen haben. Um zu positiven Vorschlägen zu kommen, möchte ich mich bezüglich des Roggens dieses Gedankens bemächtigen und dielvProzentKürzung gleich 50Pfennig pro Doppelzentner vorschlagen. Das wird allerdings nicht genügen, die Über¬ ausfuhr zu beseitigen, aber doch, sie erheblich, vielleicht auf die Hälfte zu be¬ schränken. Für den zum Roggenmehl benötigten Roggen darf der Abzug noch etwas niedriger sein, um den Mehlexport mehr als den Roggenexport zu be¬ günstigen, Kleie und Mahllohn also dem Inlande zu erhalten. Prinzipiell wären auch alle übrigen Warengattungen mit einer minimalen, den Verkehr nicht hindernden Auflage zu bedenken, etwa 10 Pfennig pro Doppelzentner. „Ein Groschen für das Reich" fällt beim Exportgeschäft schon nebenher ab. Der Exporteur und der ausländische Importeur tragen ihn zu¬ sammen als „Spesen". Vorstehendes in das Zolltarifgesetz ZU hineinzuarbeiten ist umständlich und birgt die Gefahr, daß alle die schwierigen Fragen der Gesamtmaterie auf¬ gerollt werden, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Ein Quittungsstempel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/413>, abgerufen am 28.07.2024.