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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Linfuhrscheine und Dcckimgsfrage

geführt zu werden. Das braucht nicht pari passu zu geschehen. Die speziell
auf Vermählung harten Auslandweizens eingerichteten Mühlen gehen davon nicht
gleich ab, wenn Jnlandsweizen stärker oder billiger angeboten wird. Sie fügen
sich eher in eine geringere Rente, als daß sie ihre Methode ändern. Aber
angenommen, die Weizeneinfuhr ginge pari pa8su zurück, so entginge dem
Reiche nur eine Zolleinnahme, die es bisher nicht bar, sondern in Scheinen genoß.

Wird das bisherige Roggenfeld nun in Klee oder Wiesenkultur genommen,
mit Kartoffeln, Winterraps usw. bestellt, so schraubt das die Weizeneinfuhr nicht
zurück. Sie bleibt bestehen, wird aber bar verzollt, statt bisher mit Roggen¬
scheinen. Reiner Einnahmezuwachs für die Zollkasse!

Letztere Wirkung tritt auch ein bezüglich desjenigen Roggens, der künftig,
statt ausgeführt zu werden, im Inlande verfüttert wird. Allerdings mag jeder
verfütterte Doppelzentner Roggen die Einfuhr eines Doppelzentners Futtergerste
unnötig machen, also dem Reiche 1,30 Mark Zolleinnahme entziehen. Aber er
vermindert auch die Ausstellung und Jnzahlunggabe von 5 Mark Einfuhr¬
scheinen. Es bleiben sonach 3,70 Mark pro Doppelzentner reiner Einnahme¬
zuwachs für die Zollkasse.

Insoweit bislang exportierter Roggen künftig zum Jnlcmdsverzehr kommt,
mag das auf den Weizenverzehr und Weizenimport drücken. Aber auch nicht
pari pÄ8Su. Ich bekomme täglich eine feste Zahl Weißbrötchen; aber vom Laib
Roggenbrod schneide ich ab solange und soviel mir schmeckt. Ich kann mir
denken, daß der Arbeiter um so mehr davon abschneiden wird, je billiger es wird.
Mühlen, die nur auf Weizenvermahlung konstruiert sind, können wegen der
neuen Roggenkonkurrenz nicht gleich umsatteln, sie müssen ihre Walzen und
Gänge beschütten und auch bei schmälerer Rente weiter Weizen kaufen resp,
einführen.

Nach alledem ist wohl nicht zu bezweifeln, daß durch Verminderung der
'Roggenausfuhr die Reichskasse Vorteile erhielte, daß sie durch den jetzigen Zustand
also Nachteile hat.

Zu untersuchen bleibt auch die volkswirtschaftliche Wirkung der Mehrausfuhr
von 731268 Tonnen Roggen und ihr Ersatz durch entsprechende Weizeneinfuhr.
Das Mittel der Großhandelspreise für Roggen an den Hauptausfuhrzentren
Königsberg, Danzig, Stettin, Breslau. Posen war im Jahresdurchschnitt 1912
175,2 Mark pro Tonne. Das Mittel der Großhandelspreise für Weizen an
den Haupteinfuhrplätzen Köln. Frankfurt, Mannheim, München im Jahres¬
durchschnitt 1912 war 242,7 Mark pro Tonne. Der Mehraufwand zu Lasten
des Volkshaushalts von 67^ Mark pro Tonne beträgt für 1912 rund 50
Millionen Mark, denen kein wirtschaftlicher Faktor gegenübersteht, da die provo¬
zierte Geschmacksverfeinerung kein wirtschaftliches Bedürfnis ist und keinen Er¬
nährungsvorteil auslöst. Im Gegenteil, Ärzte und Zahnärzte empfehlen mehr
die Roggenbrotnahrung und England geht im Interesse der Volksgesundheit
wieder mehr zum Roggenbrotverbrauch über.


Linfuhrscheine und Dcckimgsfrage

geführt zu werden. Das braucht nicht pari passu zu geschehen. Die speziell
auf Vermählung harten Auslandweizens eingerichteten Mühlen gehen davon nicht
gleich ab, wenn Jnlandsweizen stärker oder billiger angeboten wird. Sie fügen
sich eher in eine geringere Rente, als daß sie ihre Methode ändern. Aber
angenommen, die Weizeneinfuhr ginge pari pa8su zurück, so entginge dem
Reiche nur eine Zolleinnahme, die es bisher nicht bar, sondern in Scheinen genoß.

Wird das bisherige Roggenfeld nun in Klee oder Wiesenkultur genommen,
mit Kartoffeln, Winterraps usw. bestellt, so schraubt das die Weizeneinfuhr nicht
zurück. Sie bleibt bestehen, wird aber bar verzollt, statt bisher mit Roggen¬
scheinen. Reiner Einnahmezuwachs für die Zollkasse!

Letztere Wirkung tritt auch ein bezüglich desjenigen Roggens, der künftig,
statt ausgeführt zu werden, im Inlande verfüttert wird. Allerdings mag jeder
verfütterte Doppelzentner Roggen die Einfuhr eines Doppelzentners Futtergerste
unnötig machen, also dem Reiche 1,30 Mark Zolleinnahme entziehen. Aber er
vermindert auch die Ausstellung und Jnzahlunggabe von 5 Mark Einfuhr¬
scheinen. Es bleiben sonach 3,70 Mark pro Doppelzentner reiner Einnahme¬
zuwachs für die Zollkasse.

Insoweit bislang exportierter Roggen künftig zum Jnlcmdsverzehr kommt,
mag das auf den Weizenverzehr und Weizenimport drücken. Aber auch nicht
pari pÄ8Su. Ich bekomme täglich eine feste Zahl Weißbrötchen; aber vom Laib
Roggenbrod schneide ich ab solange und soviel mir schmeckt. Ich kann mir
denken, daß der Arbeiter um so mehr davon abschneiden wird, je billiger es wird.
Mühlen, die nur auf Weizenvermahlung konstruiert sind, können wegen der
neuen Roggenkonkurrenz nicht gleich umsatteln, sie müssen ihre Walzen und
Gänge beschütten und auch bei schmälerer Rente weiter Weizen kaufen resp,
einführen.

Nach alledem ist wohl nicht zu bezweifeln, daß durch Verminderung der
'Roggenausfuhr die Reichskasse Vorteile erhielte, daß sie durch den jetzigen Zustand
also Nachteile hat.

Zu untersuchen bleibt auch die volkswirtschaftliche Wirkung der Mehrausfuhr
von 731268 Tonnen Roggen und ihr Ersatz durch entsprechende Weizeneinfuhr.
Das Mittel der Großhandelspreise für Roggen an den Hauptausfuhrzentren
Königsberg, Danzig, Stettin, Breslau. Posen war im Jahresdurchschnitt 1912
175,2 Mark pro Tonne. Das Mittel der Großhandelspreise für Weizen an
den Haupteinfuhrplätzen Köln. Frankfurt, Mannheim, München im Jahres¬
durchschnitt 1912 war 242,7 Mark pro Tonne. Der Mehraufwand zu Lasten
des Volkshaushalts von 67^ Mark pro Tonne beträgt für 1912 rund 50
Millionen Mark, denen kein wirtschaftlicher Faktor gegenübersteht, da die provo¬
zierte Geschmacksverfeinerung kein wirtschaftliches Bedürfnis ist und keinen Er¬
nährungsvorteil auslöst. Im Gegenteil, Ärzte und Zahnärzte empfehlen mehr
die Roggenbrotnahrung und England geht im Interesse der Volksgesundheit
wieder mehr zum Roggenbrotverbrauch über.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/411>, abgerufen am 22.12.2024.