Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ginfuhrscheinc und Deckungsfrage

bestand -- ohne Zweck -- nur noch über die Summe der gesamten heterogenen
Warengruppe, man konnte schrankenlos exportieren und warf sich hierin besonders
auf Roggen.

Der Bodennutzungsgemeinbetrieb der deutschen Landwirtschaft änderte sich
durch Hypertrophie von Roggenproduktion und Roggenexport zu Lasten un¬
genügender Erzeugung anderer Bedarfspflanzen,

Es wurden ausgeführt:

1912 1911 1910
in Tonnen 5 1000
Roggenmehl...... 166 863 145714 166310

welche bei einem Ausbeuteverhältnis von 100 zu 155 einer Körnermenge von

258 638 225 857 257 780

entsprechen, dazu

Roggen (Korn) . . . . . 790 008 768 527_820 006
zusammen . . . 1048 646 994 384 1077 736
eingeführt wurden zusammen 317 378 615 885_391 019
Überausfuhr...... 731268 378499 686767

Die Ausfuhr ging nicht nur wie früher nach Finnland, Schweden, Nor¬
wegen, Schweiz, Österreich-Ungarn, sondern auch nach Frankreich, Belgien,
Dänemark, Rußland! (Livland und Polen), Niederlande. Nordamerika (!),
Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien, Egvpten, Deutsch-Südwestafrika (!).

Das industrie- und volkreiche Deutschland, traditionell das zweitgrößte
Importland der Erde bezüglich Roggen, wird Weltkornkammer I

Im ersten Quartal resp, bis 20. April 1913 haben wir

191133 Tonnen Roggen,
59 965 " Roggenmehl, entsprechend 92 945 Tonnen Roggen in Körnern, zusammen
284 078

mehr ausgeführt als eingeführt. Die Überausfuhr wächst also beständig, wenn
keine Hemmungsmaßregel eintritt.

Jede Mehrausfuhr -- auch nur einer Warengattung -- vermindert die
Reichszolleinnahme. Bezüglich Hafer, dessen vorübergehende Mehrausfuhr sich
glücklicherweise nicht wiederholt hat, gibt dies die Reichsregierung*) ausdrücklich
zu. Bezüglich der Roggenmehrausfuhr will man das nicht recht Wort haben;
sie solle eine gleich große, sogar S, 5^ Mark zu verzollende, Mehreinfuhr von
Weizen erzeugen. Man verschweigt nur, daß der bezügliche Weizenzoll -- 37
Millionen Mark in 1912 -- nicht bar entrichtet wird, sondern in Scheinen,
welche das Reich den Witwen und Waisen nicht in Zahlung geben kann.

Verminderung der Roggenausfuhr mag Beschränkung des Roggenanbaues
herbeiführen. Insoweit ihn Weizenanbau ablöst, braucht weniger Weizen ein-



") Denkschrift an den Reichstag Ur. 267/68 vom März 1910, Seite 24.
Ginfuhrscheinc und Deckungsfrage

bestand — ohne Zweck — nur noch über die Summe der gesamten heterogenen
Warengruppe, man konnte schrankenlos exportieren und warf sich hierin besonders
auf Roggen.

Der Bodennutzungsgemeinbetrieb der deutschen Landwirtschaft änderte sich
durch Hypertrophie von Roggenproduktion und Roggenexport zu Lasten un¬
genügender Erzeugung anderer Bedarfspflanzen,

Es wurden ausgeführt:

1912 1911 1910
in Tonnen 5 1000
Roggenmehl...... 166 863 145714 166310

welche bei einem Ausbeuteverhältnis von 100 zu 155 einer Körnermenge von

258 638 225 857 257 780

entsprechen, dazu

Roggen (Korn) . . . . . 790 008 768 527_820 006
zusammen . . . 1048 646 994 384 1077 736
eingeführt wurden zusammen 317 378 615 885_391 019
Überausfuhr...... 731268 378499 686767

Die Ausfuhr ging nicht nur wie früher nach Finnland, Schweden, Nor¬
wegen, Schweiz, Österreich-Ungarn, sondern auch nach Frankreich, Belgien,
Dänemark, Rußland! (Livland und Polen), Niederlande. Nordamerika (!),
Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien, Egvpten, Deutsch-Südwestafrika (!).

Das industrie- und volkreiche Deutschland, traditionell das zweitgrößte
Importland der Erde bezüglich Roggen, wird Weltkornkammer I

Im ersten Quartal resp, bis 20. April 1913 haben wir

191133 Tonnen Roggen,
59 965 „ Roggenmehl, entsprechend 92 945 Tonnen Roggen in Körnern, zusammen
284 078

mehr ausgeführt als eingeführt. Die Überausfuhr wächst also beständig, wenn
keine Hemmungsmaßregel eintritt.

Jede Mehrausfuhr — auch nur einer Warengattung — vermindert die
Reichszolleinnahme. Bezüglich Hafer, dessen vorübergehende Mehrausfuhr sich
glücklicherweise nicht wiederholt hat, gibt dies die Reichsregierung*) ausdrücklich
zu. Bezüglich der Roggenmehrausfuhr will man das nicht recht Wort haben;
sie solle eine gleich große, sogar S, 5^ Mark zu verzollende, Mehreinfuhr von
Weizen erzeugen. Man verschweigt nur, daß der bezügliche Weizenzoll — 37
Millionen Mark in 1912 — nicht bar entrichtet wird, sondern in Scheinen,
welche das Reich den Witwen und Waisen nicht in Zahlung geben kann.

Verminderung der Roggenausfuhr mag Beschränkung des Roggenanbaues
herbeiführen. Insoweit ihn Weizenanbau ablöst, braucht weniger Weizen ein-



") Denkschrift an den Reichstag Ur. 267/68 vom März 1910, Seite 24.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0410" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325930"/>
          <fw type="header" place="top"> Ginfuhrscheinc und Deckungsfrage</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1674" prev="#ID_1673"> bestand &#x2014; ohne Zweck &#x2014; nur noch über die Summe der gesamten heterogenen<lb/>
Warengruppe, man konnte schrankenlos exportieren und warf sich hierin besonders<lb/>
auf Roggen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1675"> Der Bodennutzungsgemeinbetrieb der deutschen Landwirtschaft änderte sich<lb/>
durch Hypertrophie von Roggenproduktion und Roggenexport zu Lasten un¬<lb/>
genügender Erzeugung anderer Bedarfspflanzen,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1676" next="#ID_1677"> Es wurden ausgeführt:</p><lb/>
          <list>
            <item> 1912 1911 1910</item>
            <item> in Tonnen 5 1000</item>
            <item> Roggenmehl...... 166 863    145714 166310</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1677" prev="#ID_1676" next="#ID_1678"> welche bei einem Ausbeuteverhältnis von 100 zu 155 einer Körnermenge von</p><lb/>
          <list>
            <item> 258 638    225 857 257 780</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1678" prev="#ID_1677"> entsprechen, dazu</p><lb/>
          <list>
            <item> Roggen (Korn) .  .  .  .  .  790 008 768 527_820 006</item>
            <item> zusammen .  .  . 1048 646 994 384    1077 736</item>
            <item> eingeführt wurden zusammen  317 378    615 885_391 019</item>
            <item> Überausfuhr......            731268 378499 686767</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1679"> Die Ausfuhr ging nicht nur wie früher nach Finnland, Schweden, Nor¬<lb/>
wegen, Schweiz, Österreich-Ungarn, sondern auch nach Frankreich, Belgien,<lb/>
Dänemark, Rußland! (Livland und Polen), Niederlande. Nordamerika (!),<lb/>
Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien, Egvpten, Deutsch-Südwestafrika (!).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1680"> Das industrie- und volkreiche Deutschland, traditionell das zweitgrößte<lb/>
Importland der Erde bezüglich Roggen, wird Weltkornkammer I</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1681" next="#ID_1682"> Im ersten Quartal resp, bis 20. April 1913 haben wir</p><lb/>
          <list>
            <item> 191133 Tonnen Roggen,</item>
            <item> 59 965 &#x201E; Roggenmehl, entsprechend 92 945 Tonnen Roggen in Körnern, zusammen</item>
            <item> 284 078</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1682" prev="#ID_1681"> mehr ausgeführt als eingeführt. Die Überausfuhr wächst also beständig, wenn<lb/>
keine Hemmungsmaßregel eintritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1683"> Jede Mehrausfuhr &#x2014; auch nur einer Warengattung &#x2014; vermindert die<lb/>
Reichszolleinnahme. Bezüglich Hafer, dessen vorübergehende Mehrausfuhr sich<lb/>
glücklicherweise nicht wiederholt hat, gibt dies die Reichsregierung*) ausdrücklich<lb/>
zu. Bezüglich der Roggenmehrausfuhr will man das nicht recht Wort haben;<lb/>
sie solle eine gleich große, sogar S, 5^ Mark zu verzollende, Mehreinfuhr von<lb/>
Weizen erzeugen. Man verschweigt nur, daß der bezügliche Weizenzoll &#x2014; 37<lb/>
Millionen Mark in 1912 &#x2014; nicht bar entrichtet wird, sondern in Scheinen,<lb/>
welche das Reich den Witwen und Waisen nicht in Zahlung geben kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1684" next="#ID_1685"> Verminderung der Roggenausfuhr mag Beschränkung des Roggenanbaues<lb/>
herbeiführen. Insoweit ihn Weizenanbau ablöst, braucht weniger Weizen ein-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_78" place="foot"> ") Denkschrift an den Reichstag Ur. 267/68 vom März 1910, Seite 24.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0410] Ginfuhrscheinc und Deckungsfrage bestand — ohne Zweck — nur noch über die Summe der gesamten heterogenen Warengruppe, man konnte schrankenlos exportieren und warf sich hierin besonders auf Roggen. Der Bodennutzungsgemeinbetrieb der deutschen Landwirtschaft änderte sich durch Hypertrophie von Roggenproduktion und Roggenexport zu Lasten un¬ genügender Erzeugung anderer Bedarfspflanzen, Es wurden ausgeführt: 1912 1911 1910 in Tonnen 5 1000 Roggenmehl...... 166 863 145714 166310 welche bei einem Ausbeuteverhältnis von 100 zu 155 einer Körnermenge von 258 638 225 857 257 780 entsprechen, dazu Roggen (Korn) . . . . . 790 008 768 527_820 006 zusammen . . . 1048 646 994 384 1077 736 eingeführt wurden zusammen 317 378 615 885_391 019 Überausfuhr...... 731268 378499 686767 Die Ausfuhr ging nicht nur wie früher nach Finnland, Schweden, Nor¬ wegen, Schweiz, Österreich-Ungarn, sondern auch nach Frankreich, Belgien, Dänemark, Rußland! (Livland und Polen), Niederlande. Nordamerika (!), Großbritannien, Italien, Portugal, Spanien, Egvpten, Deutsch-Südwestafrika (!). Das industrie- und volkreiche Deutschland, traditionell das zweitgrößte Importland der Erde bezüglich Roggen, wird Weltkornkammer I Im ersten Quartal resp, bis 20. April 1913 haben wir 191133 Tonnen Roggen, 59 965 „ Roggenmehl, entsprechend 92 945 Tonnen Roggen in Körnern, zusammen 284 078 mehr ausgeführt als eingeführt. Die Überausfuhr wächst also beständig, wenn keine Hemmungsmaßregel eintritt. Jede Mehrausfuhr — auch nur einer Warengattung — vermindert die Reichszolleinnahme. Bezüglich Hafer, dessen vorübergehende Mehrausfuhr sich glücklicherweise nicht wiederholt hat, gibt dies die Reichsregierung*) ausdrücklich zu. Bezüglich der Roggenmehrausfuhr will man das nicht recht Wort haben; sie solle eine gleich große, sogar S, 5^ Mark zu verzollende, Mehreinfuhr von Weizen erzeugen. Man verschweigt nur, daß der bezügliche Weizenzoll — 37 Millionen Mark in 1912 — nicht bar entrichtet wird, sondern in Scheinen, welche das Reich den Witwen und Waisen nicht in Zahlung geben kann. Verminderung der Roggenausfuhr mag Beschränkung des Roggenanbaues herbeiführen. Insoweit ihn Weizenanbau ablöst, braucht weniger Weizen ein- ") Denkschrift an den Reichstag Ur. 267/68 vom März 1910, Seite 24.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/410
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/410>, abgerufen am 27.07.2024.