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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Neidhardt von Gneisenau
Beiträge zu seinem Charakterbilds
Dr. I- von Ncwald i vonn

lief war an ihm, als müßte es so sein", schreibt ein Zeitgenosse
über Gneisenau. Er war einer von jenen, die eine "unsichtbare
Königskrone" auf dem Haupte tragen. Frau von Beguelin, mit
dem General innig befreundet und seine Verehrerin, sagt wie mit
einem leisen Schauer von dem Dämonischen dieser Persönlichkeit:
"Ginge es ihm wie Napoleon, wäre er in zwanzig Jahren besser?"

Daß in solchem Manne ein mächtiger individueller Ehrgeiz schlummerte,
ist nur naturgemäß und, wie bei anderen, eine Voraussetzung der größten
Leistungen. Schon die Natur schien diesen stattlichen Herrn mit dem im¬
ponierender Auftreten und der vollkommenen Selbstbeherrschung zum Befehlen
bestimmt zu haben. Die schöne ritterliche Erscheinung mit dem prächtigen
Charakterkopf flößte Sympathie und Ehrfurcht ein. Mit seinem selbstbewußten
Anstand, seinen vornehmen Allüren und seiner diplomatischen Gewandtheit war
Gneisenau ganz besonders zum Verkehr mit all den gekrönten und anderen
hohen Herren geeignet, die -- nicht immer zum Vorteile der Sache -- den Krieg
von 1813 und 1814 mitmachten, oder eigentlich dem Krieg zusahen und in
ihn hineinredeten.

Gneisenau, der elegante redegewandte Offizier, ist ein ganz anderer Typus
wie der finstere, brummige Uorck oder der urwüchsige, derb zufahrende "Marschall
Vorwärts"; eine andere Spezies auch des großen Militärs, wie der bescheidene,
meist in nachlässiger Uniform erscheinende, gesenkten Hauptes einhergehende
Bauernsohn Scharnhorst. Und doch hat sich Gneisenau selber eine Pygmäe
neben dem Riesen Scharnhorst genannt, derselbe Gneisenau, der in vertraulichen
Briefen sich über andere seiner Mitkämpfer, so über Wellington, über Tauentzien,
ja selbst über Blücher sehr freimütig und nicht immer günstig geäußert hat.

Gewiß hat der fähigste Stratege, den die Verbündeten in ihren Heeren
hatten, dieser gefährlichste Gegner des unerreichten korsischen Schlachtenmeisters,
auch für sich einen Lohn angestrebt: Ruhm, Ehre, Beförderung, und da er mit
Glücksgütern nicht allzu gesegnet war, auch eine gewisse materielle Entschädigung
für die zahlreichen und schweren Opfer, die er dem Ganzen gebracht hatte.




Neidhardt von Gneisenau
Beiträge zu seinem Charakterbilds
Dr. I- von Ncwald i vonn

lief war an ihm, als müßte es so sein", schreibt ein Zeitgenosse
über Gneisenau. Er war einer von jenen, die eine „unsichtbare
Königskrone" auf dem Haupte tragen. Frau von Beguelin, mit
dem General innig befreundet und seine Verehrerin, sagt wie mit
einem leisen Schauer von dem Dämonischen dieser Persönlichkeit:
„Ginge es ihm wie Napoleon, wäre er in zwanzig Jahren besser?"

Daß in solchem Manne ein mächtiger individueller Ehrgeiz schlummerte,
ist nur naturgemäß und, wie bei anderen, eine Voraussetzung der größten
Leistungen. Schon die Natur schien diesen stattlichen Herrn mit dem im¬
ponierender Auftreten und der vollkommenen Selbstbeherrschung zum Befehlen
bestimmt zu haben. Die schöne ritterliche Erscheinung mit dem prächtigen
Charakterkopf flößte Sympathie und Ehrfurcht ein. Mit seinem selbstbewußten
Anstand, seinen vornehmen Allüren und seiner diplomatischen Gewandtheit war
Gneisenau ganz besonders zum Verkehr mit all den gekrönten und anderen
hohen Herren geeignet, die — nicht immer zum Vorteile der Sache — den Krieg
von 1813 und 1814 mitmachten, oder eigentlich dem Krieg zusahen und in
ihn hineinredeten.

Gneisenau, der elegante redegewandte Offizier, ist ein ganz anderer Typus
wie der finstere, brummige Uorck oder der urwüchsige, derb zufahrende „Marschall
Vorwärts"; eine andere Spezies auch des großen Militärs, wie der bescheidene,
meist in nachlässiger Uniform erscheinende, gesenkten Hauptes einhergehende
Bauernsohn Scharnhorst. Und doch hat sich Gneisenau selber eine Pygmäe
neben dem Riesen Scharnhorst genannt, derselbe Gneisenau, der in vertraulichen
Briefen sich über andere seiner Mitkämpfer, so über Wellington, über Tauentzien,
ja selbst über Blücher sehr freimütig und nicht immer günstig geäußert hat.

Gewiß hat der fähigste Stratege, den die Verbündeten in ihren Heeren
hatten, dieser gefährlichste Gegner des unerreichten korsischen Schlachtenmeisters,
auch für sich einen Lohn angestrebt: Ruhm, Ehre, Beförderung, und da er mit
Glücksgütern nicht allzu gesegnet war, auch eine gewisse materielle Entschädigung
für die zahlreichen und schweren Opfer, die er dem Ganzen gebracht hatte.


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[0362] [Abbildung] Neidhardt von Gneisenau Beiträge zu seinem Charakterbilds Dr. I- von Ncwald i vonn lief war an ihm, als müßte es so sein", schreibt ein Zeitgenosse über Gneisenau. Er war einer von jenen, die eine „unsichtbare Königskrone" auf dem Haupte tragen. Frau von Beguelin, mit dem General innig befreundet und seine Verehrerin, sagt wie mit einem leisen Schauer von dem Dämonischen dieser Persönlichkeit: „Ginge es ihm wie Napoleon, wäre er in zwanzig Jahren besser?" Daß in solchem Manne ein mächtiger individueller Ehrgeiz schlummerte, ist nur naturgemäß und, wie bei anderen, eine Voraussetzung der größten Leistungen. Schon die Natur schien diesen stattlichen Herrn mit dem im¬ ponierender Auftreten und der vollkommenen Selbstbeherrschung zum Befehlen bestimmt zu haben. Die schöne ritterliche Erscheinung mit dem prächtigen Charakterkopf flößte Sympathie und Ehrfurcht ein. Mit seinem selbstbewußten Anstand, seinen vornehmen Allüren und seiner diplomatischen Gewandtheit war Gneisenau ganz besonders zum Verkehr mit all den gekrönten und anderen hohen Herren geeignet, die — nicht immer zum Vorteile der Sache — den Krieg von 1813 und 1814 mitmachten, oder eigentlich dem Krieg zusahen und in ihn hineinredeten. Gneisenau, der elegante redegewandte Offizier, ist ein ganz anderer Typus wie der finstere, brummige Uorck oder der urwüchsige, derb zufahrende „Marschall Vorwärts"; eine andere Spezies auch des großen Militärs, wie der bescheidene, meist in nachlässiger Uniform erscheinende, gesenkten Hauptes einhergehende Bauernsohn Scharnhorst. Und doch hat sich Gneisenau selber eine Pygmäe neben dem Riesen Scharnhorst genannt, derselbe Gneisenau, der in vertraulichen Briefen sich über andere seiner Mitkämpfer, so über Wellington, über Tauentzien, ja selbst über Blücher sehr freimütig und nicht immer günstig geäußert hat. Gewiß hat der fähigste Stratege, den die Verbündeten in ihren Heeren hatten, dieser gefährlichste Gegner des unerreichten korsischen Schlachtenmeisters, auch für sich einen Lohn angestrebt: Ruhm, Ehre, Beförderung, und da er mit Glücksgütern nicht allzu gesegnet war, auch eine gewisse materielle Entschädigung für die zahlreichen und schweren Opfer, die er dem Ganzen gebracht hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/362>, abgerufen am 21.12.2024.