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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Deutscher Imperialismus

wirren und dort die Kolonisationsarbeit fortzusetzen, die vor Jahrhunderten
abgebrochen wurde. Überhaupt wird die scharfe, aggressive Politik der russisch¬
französisch Verbündeten leicht auch anderen Nationen ihre bedrohte Lage vor
Augen führen. Dann wäre es Deutschlands -- als der germanischen Vor¬
macht -- Pflicht, alle diese germanischen Anlieger der Ostsee bis hin nach
Holland zu einen: entwicklungsfähigen Bündnis zusammenzuschließen. Die
gemeinsame Bedrohung würde das Mißtrauen der Kleineren gegen den Großen
zurücktreten lassen, zumal wenn sich ihnen durch den Anschluß an das ungeheuer
mächtige Wirtschaftsgebiet des Deutschen Reiches auch wirtschaftliche Vorteile
böten. Die politische Selbständigkeit müßte natürlich allen solchen Gliedern
eines Bundes gewährleistet werden. Die Zeit der völligen politischen Ver¬
schmelzung mit kleineren Nationen durch Schaffung neuer Reichslande oder
Provinzen ist vorüber. Eine solche Aufnahme fremdsprachiger Elemente wäre
nur eine Schwächung Deutschlands.

Alle diese mitteleuropäischen Fragen aber müßten ruhen, wenn z. B. die
orientalische Frage nicht zum Stillstand käme. Ein weiterer Zerfall der Türkei
würde Deutschland zwingen, seinen kleinasiatischen Interessen endgültige Geltung
zu verschaffen. Wenn Portugal seinen Kolonialbesitz liquidieren wollte, so würde
Deutschland diese Gelegenheit, seinen afrikanischen Besitz zu vergrößern, nicht
vorübergehen lassen dürfen. Ein deutsch ° englischer Konflikt ist zu sehr in die
Ferne gerückt, als daß eine Erörterung seiner kolonialen Folgen für Deutschland
nötig wäre.

So gäbe es der Möglichkeiten für eine deutsche imperialistische Politik genug.
Wann die Gelegenheit sich bietet, sie in die Tat umzusetzen, muß der Zukunft
überlassen bleiben.

Der deutsche Staatsmann aber, der eine imperialistische Politik beginnen
wird, wird schon am ersten Tage über ganz andere, viel größere Hilfsmittel,
als die meisten anderen imperialistischen Nationen verfügen. Er wird nicht,
wie die Amerikaner, zu kämpfen brauchen, um in fremden Ländern amerikanische
Interessen erst zu schaffen; er wird nicht, wie die Franzosen, eine zurückgehende
Schiffahrt durch übermäßige Subventionen künstlich konkurrenzfähig erhalten
müssen. In allen wichtigen Ländern der Erde sind ja die deutschen Interessen
schon vorhanden, ist deutscher Einfluß schon mächtig. Eine kraftvolle deutsche
Politik würde ihn vervielfältigen, würde die Schwachen, die jetzt sicherer unter
anderer Flagge segeln, wieder zurückgewinnen und dem Deutschtum nutzbar
machen. Die deutsche Schiffahrt und der deutsche Handel, die trotz der quie-
tistischen äußeren Politik Deutschlands groß und mächtig geworden sind, würden
dann erst zu ihrer vollen Geltung kommen.

Der Boden ist überall in der Welt bereitet für deutschen Imperialismus.
E Darms s ist nur nötig, daß wir kommen und ihn bestellen.




Deutscher Imperialismus

wirren und dort die Kolonisationsarbeit fortzusetzen, die vor Jahrhunderten
abgebrochen wurde. Überhaupt wird die scharfe, aggressive Politik der russisch¬
französisch Verbündeten leicht auch anderen Nationen ihre bedrohte Lage vor
Augen führen. Dann wäre es Deutschlands — als der germanischen Vor¬
macht — Pflicht, alle diese germanischen Anlieger der Ostsee bis hin nach
Holland zu einen: entwicklungsfähigen Bündnis zusammenzuschließen. Die
gemeinsame Bedrohung würde das Mißtrauen der Kleineren gegen den Großen
zurücktreten lassen, zumal wenn sich ihnen durch den Anschluß an das ungeheuer
mächtige Wirtschaftsgebiet des Deutschen Reiches auch wirtschaftliche Vorteile
böten. Die politische Selbständigkeit müßte natürlich allen solchen Gliedern
eines Bundes gewährleistet werden. Die Zeit der völligen politischen Ver¬
schmelzung mit kleineren Nationen durch Schaffung neuer Reichslande oder
Provinzen ist vorüber. Eine solche Aufnahme fremdsprachiger Elemente wäre
nur eine Schwächung Deutschlands.

Alle diese mitteleuropäischen Fragen aber müßten ruhen, wenn z. B. die
orientalische Frage nicht zum Stillstand käme. Ein weiterer Zerfall der Türkei
würde Deutschland zwingen, seinen kleinasiatischen Interessen endgültige Geltung
zu verschaffen. Wenn Portugal seinen Kolonialbesitz liquidieren wollte, so würde
Deutschland diese Gelegenheit, seinen afrikanischen Besitz zu vergrößern, nicht
vorübergehen lassen dürfen. Ein deutsch ° englischer Konflikt ist zu sehr in die
Ferne gerückt, als daß eine Erörterung seiner kolonialen Folgen für Deutschland
nötig wäre.

So gäbe es der Möglichkeiten für eine deutsche imperialistische Politik genug.
Wann die Gelegenheit sich bietet, sie in die Tat umzusetzen, muß der Zukunft
überlassen bleiben.

Der deutsche Staatsmann aber, der eine imperialistische Politik beginnen
wird, wird schon am ersten Tage über ganz andere, viel größere Hilfsmittel,
als die meisten anderen imperialistischen Nationen verfügen. Er wird nicht,
wie die Amerikaner, zu kämpfen brauchen, um in fremden Ländern amerikanische
Interessen erst zu schaffen; er wird nicht, wie die Franzosen, eine zurückgehende
Schiffahrt durch übermäßige Subventionen künstlich konkurrenzfähig erhalten
müssen. In allen wichtigen Ländern der Erde sind ja die deutschen Interessen
schon vorhanden, ist deutscher Einfluß schon mächtig. Eine kraftvolle deutsche
Politik würde ihn vervielfältigen, würde die Schwachen, die jetzt sicherer unter
anderer Flagge segeln, wieder zurückgewinnen und dem Deutschtum nutzbar
machen. Die deutsche Schiffahrt und der deutsche Handel, die trotz der quie-
tistischen äußeren Politik Deutschlands groß und mächtig geworden sind, würden
dann erst zu ihrer vollen Geltung kommen.

Der Boden ist überall in der Welt bereitet für deutschen Imperialismus.
E Darms s ist nur nötig, daß wir kommen und ihn bestellen.




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[0361] Deutscher Imperialismus wirren und dort die Kolonisationsarbeit fortzusetzen, die vor Jahrhunderten abgebrochen wurde. Überhaupt wird die scharfe, aggressive Politik der russisch¬ französisch Verbündeten leicht auch anderen Nationen ihre bedrohte Lage vor Augen führen. Dann wäre es Deutschlands — als der germanischen Vor¬ macht — Pflicht, alle diese germanischen Anlieger der Ostsee bis hin nach Holland zu einen: entwicklungsfähigen Bündnis zusammenzuschließen. Die gemeinsame Bedrohung würde das Mißtrauen der Kleineren gegen den Großen zurücktreten lassen, zumal wenn sich ihnen durch den Anschluß an das ungeheuer mächtige Wirtschaftsgebiet des Deutschen Reiches auch wirtschaftliche Vorteile böten. Die politische Selbständigkeit müßte natürlich allen solchen Gliedern eines Bundes gewährleistet werden. Die Zeit der völligen politischen Ver¬ schmelzung mit kleineren Nationen durch Schaffung neuer Reichslande oder Provinzen ist vorüber. Eine solche Aufnahme fremdsprachiger Elemente wäre nur eine Schwächung Deutschlands. Alle diese mitteleuropäischen Fragen aber müßten ruhen, wenn z. B. die orientalische Frage nicht zum Stillstand käme. Ein weiterer Zerfall der Türkei würde Deutschland zwingen, seinen kleinasiatischen Interessen endgültige Geltung zu verschaffen. Wenn Portugal seinen Kolonialbesitz liquidieren wollte, so würde Deutschland diese Gelegenheit, seinen afrikanischen Besitz zu vergrößern, nicht vorübergehen lassen dürfen. Ein deutsch ° englischer Konflikt ist zu sehr in die Ferne gerückt, als daß eine Erörterung seiner kolonialen Folgen für Deutschland nötig wäre. So gäbe es der Möglichkeiten für eine deutsche imperialistische Politik genug. Wann die Gelegenheit sich bietet, sie in die Tat umzusetzen, muß der Zukunft überlassen bleiben. Der deutsche Staatsmann aber, der eine imperialistische Politik beginnen wird, wird schon am ersten Tage über ganz andere, viel größere Hilfsmittel, als die meisten anderen imperialistischen Nationen verfügen. Er wird nicht, wie die Amerikaner, zu kämpfen brauchen, um in fremden Ländern amerikanische Interessen erst zu schaffen; er wird nicht, wie die Franzosen, eine zurückgehende Schiffahrt durch übermäßige Subventionen künstlich konkurrenzfähig erhalten müssen. In allen wichtigen Ländern der Erde sind ja die deutschen Interessen schon vorhanden, ist deutscher Einfluß schon mächtig. Eine kraftvolle deutsche Politik würde ihn vervielfältigen, würde die Schwachen, die jetzt sicherer unter anderer Flagge segeln, wieder zurückgewinnen und dem Deutschtum nutzbar machen. Die deutsche Schiffahrt und der deutsche Handel, die trotz der quie- tistischen äußeren Politik Deutschlands groß und mächtig geworden sind, würden dann erst zu ihrer vollen Geltung kommen. Der Boden ist überall in der Welt bereitet für deutschen Imperialismus. E Darms s ist nur nötig, daß wir kommen und ihn bestellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/361>, abgerufen am 27.07.2024.