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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

Es ist charakteristisch für das Verhältnis des Königs zu Bismarck, daß er
seinem Ministerpräsidenten das Schreiben mit dem Ersuchen um sein Gutachten
weitergibt. Damit war die Intrige mißglückt. In welchem Maße sich Bismarcks
Zorn auf ihren Urheber entlud, kann man aus dem in dem Anhang zu den
Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff. abgedruckten Brief an König Wilhelm
ersehen.

Bismarck an König Wilhelm

Berlin, den 3. April 18LK.


Eure Majestät

haben durch Abeken zu befehlen geruht, daß ich mich über die Frage äußere,
ob der ehrfurchtsvoll wieder beigefügte Brief des Herzogs von Koburg zu
beantworten sei. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß der Herzog von
Koburg seit vier Jahren an jeder Intrige gegen Eurer Majestät innere und
auswärtige Politik beteiligt gewesen ist. Seine Hoheit hat wesentlich zur Herbei¬
führung demokratischer Wahlen in Preußen durch Geld und Einfluß mitgewirkt,
sich in den Vereinen zur Bewaffnung des Volkes (Büchsen-Groschen-Vereinen)
beteiligt und der Monarchie gegenüber sich so verhalten, daß Ew. Majestät in
einem längeren Schreiben dem Herzoge schlagende Vorhaltungen machten und
den Besuch desselben wegen des üblen Eindruckes in der Armee ablehnten.
Der Herzog mit seinen Beamten Samwer und Franke ist der Hauptträger des
antipreußischen Augustenburgertums, ohne ihn hätte der Erbprinz mit sich reden
lassen. Der Herzog hat die Abberufung Lord Napiers, als eines zu preußischen
Diplomaten, herbeigeführt. Die Einwirkung des Herzogs auf Seine Kgl. Hoheit
den Kronprinzen erlaube ich mir ehrfurchtsvoll anzudeuten. Gewiß aber sage
ich nicht zu viel, wenn ich Seine Hoheit als einen der unversöhnlichsten Wider¬
sacher der Politik Eurer Majestät bezeichne und von ihm keine Hingebung für
Eurer Majestät Ehre und Vorteil gewärtige.

Das vorliegende Schreiben des Herzogs, der offenbar zum Behufe der
Mitteilung an Eure Majestät bestellte, durchweg unwahre Brief des Grafen
Mensdorff verrät einen Zusammenhang mit den Eröffnungen, die von der
Königin Viktoria durch Vermittlung Sr. Kgl. Hoheit des Kronprinzen an Eure
Majestät gelangten, und gewiß werden Allerhöchstdenselben ähnliche Insinuationen
auch von anderer Seite zugehen. Das alles beruht ohne Zweifel auf einem
wohlkombinierten Plane, nach welchem die offenen und heimlichen Gegner der
Politik Eurer Majestät bemüht sind, Allerhöchstdieselben zur Nachgiebigkeit gegen
Osterreich zu bereden und eine andere Politik dadurch anzubahnen, daß zunächst
Eurer Majestät jetziges Ministerium und ich insbesondere als Ursache allen Übels
dargestellt werde. Eure Majestät sind gewiß ohne meine Versicherung überzeugt,
daß ich, auch wenn meine Gesundheit von den letzten Jahren unberührt geblieben
wäre, doch jederzeit gern und mit lebenslänglicher Dankbarkeit für Eurer Majestät



") Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff.
Fürstliche Gegner Bismarcks

Es ist charakteristisch für das Verhältnis des Königs zu Bismarck, daß er
seinem Ministerpräsidenten das Schreiben mit dem Ersuchen um sein Gutachten
weitergibt. Damit war die Intrige mißglückt. In welchem Maße sich Bismarcks
Zorn auf ihren Urheber entlud, kann man aus dem in dem Anhang zu den
Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff. abgedruckten Brief an König Wilhelm
ersehen.

Bismarck an König Wilhelm

Berlin, den 3. April 18LK.


Eure Majestät

haben durch Abeken zu befehlen geruht, daß ich mich über die Frage äußere,
ob der ehrfurchtsvoll wieder beigefügte Brief des Herzogs von Koburg zu
beantworten sei. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß der Herzog von
Koburg seit vier Jahren an jeder Intrige gegen Eurer Majestät innere und
auswärtige Politik beteiligt gewesen ist. Seine Hoheit hat wesentlich zur Herbei¬
führung demokratischer Wahlen in Preußen durch Geld und Einfluß mitgewirkt,
sich in den Vereinen zur Bewaffnung des Volkes (Büchsen-Groschen-Vereinen)
beteiligt und der Monarchie gegenüber sich so verhalten, daß Ew. Majestät in
einem längeren Schreiben dem Herzoge schlagende Vorhaltungen machten und
den Besuch desselben wegen des üblen Eindruckes in der Armee ablehnten.
Der Herzog mit seinen Beamten Samwer und Franke ist der Hauptträger des
antipreußischen Augustenburgertums, ohne ihn hätte der Erbprinz mit sich reden
lassen. Der Herzog hat die Abberufung Lord Napiers, als eines zu preußischen
Diplomaten, herbeigeführt. Die Einwirkung des Herzogs auf Seine Kgl. Hoheit
den Kronprinzen erlaube ich mir ehrfurchtsvoll anzudeuten. Gewiß aber sage
ich nicht zu viel, wenn ich Seine Hoheit als einen der unversöhnlichsten Wider¬
sacher der Politik Eurer Majestät bezeichne und von ihm keine Hingebung für
Eurer Majestät Ehre und Vorteil gewärtige.

Das vorliegende Schreiben des Herzogs, der offenbar zum Behufe der
Mitteilung an Eure Majestät bestellte, durchweg unwahre Brief des Grafen
Mensdorff verrät einen Zusammenhang mit den Eröffnungen, die von der
Königin Viktoria durch Vermittlung Sr. Kgl. Hoheit des Kronprinzen an Eure
Majestät gelangten, und gewiß werden Allerhöchstdenselben ähnliche Insinuationen
auch von anderer Seite zugehen. Das alles beruht ohne Zweifel auf einem
wohlkombinierten Plane, nach welchem die offenen und heimlichen Gegner der
Politik Eurer Majestät bemüht sind, Allerhöchstdieselben zur Nachgiebigkeit gegen
Osterreich zu bereden und eine andere Politik dadurch anzubahnen, daß zunächst
Eurer Majestät jetziges Ministerium und ich insbesondere als Ursache allen Übels
dargestellt werde. Eure Majestät sind gewiß ohne meine Versicherung überzeugt,
daß ich, auch wenn meine Gesundheit von den letzten Jahren unberührt geblieben
wäre, doch jederzeit gern und mit lebenslänglicher Dankbarkeit für Eurer Majestät



") Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff.
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[0034] Fürstliche Gegner Bismarcks Es ist charakteristisch für das Verhältnis des Königs zu Bismarck, daß er seinem Ministerpräsidenten das Schreiben mit dem Ersuchen um sein Gutachten weitergibt. Damit war die Intrige mißglückt. In welchem Maße sich Bismarcks Zorn auf ihren Urheber entlud, kann man aus dem in dem Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff. abgedruckten Brief an König Wilhelm ersehen. Bismarck an König Wilhelm Berlin, den 3. April 18LK. Eure Majestät haben durch Abeken zu befehlen geruht, daß ich mich über die Frage äußere, ob der ehrfurchtsvoll wieder beigefügte Brief des Herzogs von Koburg zu beantworten sei. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß der Herzog von Koburg seit vier Jahren an jeder Intrige gegen Eurer Majestät innere und auswärtige Politik beteiligt gewesen ist. Seine Hoheit hat wesentlich zur Herbei¬ führung demokratischer Wahlen in Preußen durch Geld und Einfluß mitgewirkt, sich in den Vereinen zur Bewaffnung des Volkes (Büchsen-Groschen-Vereinen) beteiligt und der Monarchie gegenüber sich so verhalten, daß Ew. Majestät in einem längeren Schreiben dem Herzoge schlagende Vorhaltungen machten und den Besuch desselben wegen des üblen Eindruckes in der Armee ablehnten. Der Herzog mit seinen Beamten Samwer und Franke ist der Hauptträger des antipreußischen Augustenburgertums, ohne ihn hätte der Erbprinz mit sich reden lassen. Der Herzog hat die Abberufung Lord Napiers, als eines zu preußischen Diplomaten, herbeigeführt. Die Einwirkung des Herzogs auf Seine Kgl. Hoheit den Kronprinzen erlaube ich mir ehrfurchtsvoll anzudeuten. Gewiß aber sage ich nicht zu viel, wenn ich Seine Hoheit als einen der unversöhnlichsten Wider¬ sacher der Politik Eurer Majestät bezeichne und von ihm keine Hingebung für Eurer Majestät Ehre und Vorteil gewärtige. Das vorliegende Schreiben des Herzogs, der offenbar zum Behufe der Mitteilung an Eure Majestät bestellte, durchweg unwahre Brief des Grafen Mensdorff verrät einen Zusammenhang mit den Eröffnungen, die von der Königin Viktoria durch Vermittlung Sr. Kgl. Hoheit des Kronprinzen an Eure Majestät gelangten, und gewiß werden Allerhöchstdenselben ähnliche Insinuationen auch von anderer Seite zugehen. Das alles beruht ohne Zweifel auf einem wohlkombinierten Plane, nach welchem die offenen und heimlichen Gegner der Politik Eurer Majestät bemüht sind, Allerhöchstdieselben zur Nachgiebigkeit gegen Osterreich zu bereden und eine andere Politik dadurch anzubahnen, daß zunächst Eurer Majestät jetziges Ministerium und ich insbesondere als Ursache allen Übels dargestellt werde. Eure Majestät sind gewiß ohne meine Versicherung überzeugt, daß ich, auch wenn meine Gesundheit von den letzten Jahren unberührt geblieben wäre, doch jederzeit gern und mit lebenslänglicher Dankbarkeit für Eurer Majestät ") Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I S. 129 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/34>, abgerufen am 27.07.2024.