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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

vielfache Gnade in den Ruhestand übergehen würde, auch dann, wenn mit
meinem Verbleiben im Dienste keine Nachteile für Eure Majestät verbunden
wären, um wie viel mehr also, wenn mein Rücktritt für König und Vaterland
irgendwelchen Nutzen bringen könnte.

Ich sehe aber keine Möglichkeit, daß irgendein anderer Minister Eurer
Majestät irgendeine andere Politik als die bisher verfolgte und in dem Conseil
vom 28. Februar genehmigte, mit Ehren anraten könnte, denn diese Politik ist
von jeder Parteifärbung unabhängig, nur durch Preußens Interesse geboten,
durch die Situation unvermeidlich gemacht. Wenn der Herzog von Koburg eine
andere Politik, wie sie den Wiener Vorschriften zusagt. empfiehlt, so hebe ich
ehrfurchtsvoll hervor, daß derselbe Herr seit vier Jahren alles empfohlen hat.
was den monarchischen Interessen und insbesondere den preußischen entgegen¬
gesetzt war. Eure Majestät haben dem Herzoge dennoch die Ehre erzeigt,
seinen vom 22. eingegangenen Brief zu beantworten. Wollten Eure Majestät
diesen jetzigen Brief mit seiner beleidigenden und wahrheitswidrigen Einlage
auch beantworten, so würden Allerhöchstdieselben Ihre Gegner ermutigen. Ihre
Diener entmutigen.

Das Schreiben schließt mit folgenden Sätzen:

Mein aller untertänigster Vorschlag geht (deshalb) dahin, daß Eure Majestät
geruhen wollen, den Brief des Herzogs unbeantwortet zu lassen und dem
Adjutanten nicht zu verhehlen, daß die Übersendung der Einlage Allerhöchst¬
dieselben nicht angenehm berührt hat. Ist die Persönlichkeit des Adjutanten
dazu geeignet, so wäre es vielleicht gut, mündlich anzudeuten, daß Eure Majestät
qie Absichtlichkeit des ganzen Manövers mit dem Mensdorffschen Briefe voll"
kommen durchschauen und den Ton des letzteren daher nicht goutieren.


von Bismarck.

Nach dem Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen (I 132) hat König
Wilhelm den wenig verbindlichen Rat seines Ministers befolgt; denn es findet
sich hier, sogar in autographischer Nachbildung, ein Notizzettel des Königs für
den Adjutanten Leutnant von Schleinitz als mündliche Antwort an den Herzog
von Koburg. und in einem Schreiben an Bismarck. auf das ich an späterer
Stelle eingehen werde, betont der König, daß er dem Herzog nicht geantwortet
habe. Im Koburger Archiv ist jedoch, von demselben Tage datiert, ein Brief
des Königs erhalten, der zwar mit dem Gedankengang des Notizzettels an¬
nähernd übereinstimmt, im Wortlaut aber völlig abweicht und ausführliche,
teilweise charakteristische Zusätze aufweist. Ich hebe nur hervor: Auf Minister
Äußerungen pflegt man nicht döfensiv Rüstung in dem jetzigen Maße wie in
Böhmen anzuordnen.

Im einzelnen lautet der Brief wie folgt:


Fürstliche Gegner Bismarcks

vielfache Gnade in den Ruhestand übergehen würde, auch dann, wenn mit
meinem Verbleiben im Dienste keine Nachteile für Eure Majestät verbunden
wären, um wie viel mehr also, wenn mein Rücktritt für König und Vaterland
irgendwelchen Nutzen bringen könnte.

Ich sehe aber keine Möglichkeit, daß irgendein anderer Minister Eurer
Majestät irgendeine andere Politik als die bisher verfolgte und in dem Conseil
vom 28. Februar genehmigte, mit Ehren anraten könnte, denn diese Politik ist
von jeder Parteifärbung unabhängig, nur durch Preußens Interesse geboten,
durch die Situation unvermeidlich gemacht. Wenn der Herzog von Koburg eine
andere Politik, wie sie den Wiener Vorschriften zusagt. empfiehlt, so hebe ich
ehrfurchtsvoll hervor, daß derselbe Herr seit vier Jahren alles empfohlen hat.
was den monarchischen Interessen und insbesondere den preußischen entgegen¬
gesetzt war. Eure Majestät haben dem Herzoge dennoch die Ehre erzeigt,
seinen vom 22. eingegangenen Brief zu beantworten. Wollten Eure Majestät
diesen jetzigen Brief mit seiner beleidigenden und wahrheitswidrigen Einlage
auch beantworten, so würden Allerhöchstdieselben Ihre Gegner ermutigen. Ihre
Diener entmutigen.

Das Schreiben schließt mit folgenden Sätzen:

Mein aller untertänigster Vorschlag geht (deshalb) dahin, daß Eure Majestät
geruhen wollen, den Brief des Herzogs unbeantwortet zu lassen und dem
Adjutanten nicht zu verhehlen, daß die Übersendung der Einlage Allerhöchst¬
dieselben nicht angenehm berührt hat. Ist die Persönlichkeit des Adjutanten
dazu geeignet, so wäre es vielleicht gut, mündlich anzudeuten, daß Eure Majestät
qie Absichtlichkeit des ganzen Manövers mit dem Mensdorffschen Briefe voll«
kommen durchschauen und den Ton des letzteren daher nicht goutieren.


von Bismarck.

Nach dem Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen (I 132) hat König
Wilhelm den wenig verbindlichen Rat seines Ministers befolgt; denn es findet
sich hier, sogar in autographischer Nachbildung, ein Notizzettel des Königs für
den Adjutanten Leutnant von Schleinitz als mündliche Antwort an den Herzog
von Koburg. und in einem Schreiben an Bismarck. auf das ich an späterer
Stelle eingehen werde, betont der König, daß er dem Herzog nicht geantwortet
habe. Im Koburger Archiv ist jedoch, von demselben Tage datiert, ein Brief
des Königs erhalten, der zwar mit dem Gedankengang des Notizzettels an¬
nähernd übereinstimmt, im Wortlaut aber völlig abweicht und ausführliche,
teilweise charakteristische Zusätze aufweist. Ich hebe nur hervor: Auf Minister
Äußerungen pflegt man nicht döfensiv Rüstung in dem jetzigen Maße wie in
Böhmen anzuordnen.

Im einzelnen lautet der Brief wie folgt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/35>, abgerufen am 27.07.2024.