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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

Ernst der Zweite an König Wilhelm.

Gotha. den 2. April 66.
durch H. von Schleinitz.

Konzept.


Allergnädigster König!

Deine Nachrichten, die Du so gnädig warst, mir in Deinem Briefe vom
26. v. M. über Eure Stellung zu Österreich zukommen zu lassen und die mir
fast gleichzeitig bekannt gewordene überraschende Aufforderung Deines Gou¬
vernements an die deutschen Regierungen, sich zu erklären, was sie im Fall
eines Krieges zwischen Preußen und Österreich tun würden, haben mich so
alarmiert, daß ich für nötig befunden habe, sofort einen Vertrauten nach Wien
zu senden, um sich genau zu unterrichten, ob man denn wirklich dort uner¬
hörterweise so kriegerisch gesinnt sein sollte, wie man es Dich glauben gemacht
zu haben scheint.

Es ist mir eine wahre Herzenserleichterung, jetzt aus sichersten Quellen zu
hören, daß glücklicherweise in Wien gerade das Entgegengesetzte der Fall ist.
Man denkt nicht daran, Euch zu irgend etwas durch militärische Anstalten
nötigen zu wollen, ja man hält einen Krieg zwischen Preußen und Österreich
sogar dort wie anderwärts für etwas Ungeheuerliches. Aber allerdings erklärt
man in Wien, durch die Art und Weise, wie Graf Bismarck privatim und
offen seinen Wunsch, einen Krieg mit Österreich herbeizuführen, zu erkennen
gegeben habe und durch die letzte Maßregel in Schleswig, die man als einen
weiteren Schritt zu einem beabsichtigten Bruche ansieht, so frappiert worden zu
sein, daß man sich zu einigen defensiven Vorbereitungen in den österreichisch¬
preußischen Grenzländern bewogen gefunden habe, um sich von einen: für so
unberechenbar gehaltenen Gegner nicht überraschen zu lassen. Übrigens be¬
stehen diese Vorbereitungen, wie mir konstatiert wird, lediglich in Dislokationen
einiger Brigaden auf dem Friedensfuße (Kompagnie 70 Mann, Brigade
2000 Mann), was soviel wie gar nichts heißt. Nicht ein Urlauber ist ein¬
berufen, nicht ein Pferd ist zu kaufen befohlen worden. In Wien, höre ich.
lächelt man über den von den Zeitungen in Berlin aufgesprengten österreichischen
Rüstungs- und Angriffselfer.

Zum Überfluß bin ich in der Lage. Dir einen authentischen Beweis darüber
zu geben, wie man an maßgebender Stelle in Wien die Situation auffaßt,
indem ich mir die Indiskretion gestatte, Dich zu bitten, von dem beiliegenden
Privatschreiben des Grafen A. Mensdorff an mich Einsicht zu nehmen und mir
dasselbe dann gnädigst zurückstellen lassen zu wollen.

Ich schließe in der freudigen Hoffnung, daß alle in den letzten Tagen so
verhängnisvollen Mißverständnisse sich noch lösen werden und daß es Deiner
persönlichen Weisheit und Mäßigung gelingen wird, auch in der Hauptfrage
eine nach allen Richtungen genügende Lösung zu finden.


In aufrichtiger Verehrung verbleibe ich, allergnädigster König,
Dein treuergebener Freund und Diener Ernst.
Fürstliche Gegner Bismarcks

Ernst der Zweite an König Wilhelm.

Gotha. den 2. April 66.
durch H. von Schleinitz.

Konzept.


Allergnädigster König!

Deine Nachrichten, die Du so gnädig warst, mir in Deinem Briefe vom
26. v. M. über Eure Stellung zu Österreich zukommen zu lassen und die mir
fast gleichzeitig bekannt gewordene überraschende Aufforderung Deines Gou¬
vernements an die deutschen Regierungen, sich zu erklären, was sie im Fall
eines Krieges zwischen Preußen und Österreich tun würden, haben mich so
alarmiert, daß ich für nötig befunden habe, sofort einen Vertrauten nach Wien
zu senden, um sich genau zu unterrichten, ob man denn wirklich dort uner¬
hörterweise so kriegerisch gesinnt sein sollte, wie man es Dich glauben gemacht
zu haben scheint.

Es ist mir eine wahre Herzenserleichterung, jetzt aus sichersten Quellen zu
hören, daß glücklicherweise in Wien gerade das Entgegengesetzte der Fall ist.
Man denkt nicht daran, Euch zu irgend etwas durch militärische Anstalten
nötigen zu wollen, ja man hält einen Krieg zwischen Preußen und Österreich
sogar dort wie anderwärts für etwas Ungeheuerliches. Aber allerdings erklärt
man in Wien, durch die Art und Weise, wie Graf Bismarck privatim und
offen seinen Wunsch, einen Krieg mit Österreich herbeizuführen, zu erkennen
gegeben habe und durch die letzte Maßregel in Schleswig, die man als einen
weiteren Schritt zu einem beabsichtigten Bruche ansieht, so frappiert worden zu
sein, daß man sich zu einigen defensiven Vorbereitungen in den österreichisch¬
preußischen Grenzländern bewogen gefunden habe, um sich von einen: für so
unberechenbar gehaltenen Gegner nicht überraschen zu lassen. Übrigens be¬
stehen diese Vorbereitungen, wie mir konstatiert wird, lediglich in Dislokationen
einiger Brigaden auf dem Friedensfuße (Kompagnie 70 Mann, Brigade
2000 Mann), was soviel wie gar nichts heißt. Nicht ein Urlauber ist ein¬
berufen, nicht ein Pferd ist zu kaufen befohlen worden. In Wien, höre ich.
lächelt man über den von den Zeitungen in Berlin aufgesprengten österreichischen
Rüstungs- und Angriffselfer.

Zum Überfluß bin ich in der Lage. Dir einen authentischen Beweis darüber
zu geben, wie man an maßgebender Stelle in Wien die Situation auffaßt,
indem ich mir die Indiskretion gestatte, Dich zu bitten, von dem beiliegenden
Privatschreiben des Grafen A. Mensdorff an mich Einsicht zu nehmen und mir
dasselbe dann gnädigst zurückstellen lassen zu wollen.

Ich schließe in der freudigen Hoffnung, daß alle in den letzten Tagen so
verhängnisvollen Mißverständnisse sich noch lösen werden und daß es Deiner
persönlichen Weisheit und Mäßigung gelingen wird, auch in der Hauptfrage
eine nach allen Richtungen genügende Lösung zu finden.


In aufrichtiger Verehrung verbleibe ich, allergnädigster König,
Dein treuergebener Freund und Diener Ernst.
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[0033] Fürstliche Gegner Bismarcks Ernst der Zweite an König Wilhelm. Gotha. den 2. April 66. durch H. von Schleinitz. Konzept. Allergnädigster König! Deine Nachrichten, die Du so gnädig warst, mir in Deinem Briefe vom 26. v. M. über Eure Stellung zu Österreich zukommen zu lassen und die mir fast gleichzeitig bekannt gewordene überraschende Aufforderung Deines Gou¬ vernements an die deutschen Regierungen, sich zu erklären, was sie im Fall eines Krieges zwischen Preußen und Österreich tun würden, haben mich so alarmiert, daß ich für nötig befunden habe, sofort einen Vertrauten nach Wien zu senden, um sich genau zu unterrichten, ob man denn wirklich dort uner¬ hörterweise so kriegerisch gesinnt sein sollte, wie man es Dich glauben gemacht zu haben scheint. Es ist mir eine wahre Herzenserleichterung, jetzt aus sichersten Quellen zu hören, daß glücklicherweise in Wien gerade das Entgegengesetzte der Fall ist. Man denkt nicht daran, Euch zu irgend etwas durch militärische Anstalten nötigen zu wollen, ja man hält einen Krieg zwischen Preußen und Österreich sogar dort wie anderwärts für etwas Ungeheuerliches. Aber allerdings erklärt man in Wien, durch die Art und Weise, wie Graf Bismarck privatim und offen seinen Wunsch, einen Krieg mit Österreich herbeizuführen, zu erkennen gegeben habe und durch die letzte Maßregel in Schleswig, die man als einen weiteren Schritt zu einem beabsichtigten Bruche ansieht, so frappiert worden zu sein, daß man sich zu einigen defensiven Vorbereitungen in den österreichisch¬ preußischen Grenzländern bewogen gefunden habe, um sich von einen: für so unberechenbar gehaltenen Gegner nicht überraschen zu lassen. Übrigens be¬ stehen diese Vorbereitungen, wie mir konstatiert wird, lediglich in Dislokationen einiger Brigaden auf dem Friedensfuße (Kompagnie 70 Mann, Brigade 2000 Mann), was soviel wie gar nichts heißt. Nicht ein Urlauber ist ein¬ berufen, nicht ein Pferd ist zu kaufen befohlen worden. In Wien, höre ich. lächelt man über den von den Zeitungen in Berlin aufgesprengten österreichischen Rüstungs- und Angriffselfer. Zum Überfluß bin ich in der Lage. Dir einen authentischen Beweis darüber zu geben, wie man an maßgebender Stelle in Wien die Situation auffaßt, indem ich mir die Indiskretion gestatte, Dich zu bitten, von dem beiliegenden Privatschreiben des Grafen A. Mensdorff an mich Einsicht zu nehmen und mir dasselbe dann gnädigst zurückstellen lassen zu wollen. Ich schließe in der freudigen Hoffnung, daß alle in den letzten Tagen so verhängnisvollen Mißverständnisse sich noch lösen werden und daß es Deiner persönlichen Weisheit und Mäßigung gelingen wird, auch in der Hauptfrage eine nach allen Richtungen genügende Lösung zu finden. In aufrichtiger Verehrung verbleibe ich, allergnädigster König, Dein treuergebener Freund und Diener Ernst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/33>, abgerufen am 27.07.2024.