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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Anselm Feuerbach und seine Zeit

der zweite Band ist kaum noch erträglich. Freilich war er wehrlos, sein
Schicksal unverdient und jeder Gedanke daran Empörung und wer sagen kann,
daß der Schmerz wie ein Raubtier an ihm hänge, dem darf man wohl glauben,
daß er leidet.

Man fragt sich, was die Ursache dieses dauernden Mißerfolges sein könne?
Feuerbach stand im Grunde ganz auf dem Boden seiner Zeit; er war Historien¬
maler wie Piloty und Makart, er ging in der Vergangenheit auf wie sie. Er
war kein Revolutionär, nirgends stieß er an, nur das Edelste war ihm gemäß,
und die Schönheit sein oberstes Gesetz. Man kann sagen, daß es die Tiefe
war, in die er sich stets begab, was ihm den Erfolg vorenthielt. Er war eine
im Innersten lyrische Natur, alle seine Bilder sind von einem lyrischen Grund¬
gefühl geschaffen, und dafür hatte die Zeit kein Herz. Er ging den Dingen
auf den Grund und so auch seinen Träumen. Die Welt, die ihm hätte er¬
widern sollen, liebte den Prunk, die Oberfläche, den vergehenden Rausch. Das
Pathos und die Dekoration siegten, er, der die Reinheit einer Seele zu geben
hatte, unterlag. AIs er auf dem Höhepunkte seiner Existenz ankam, wollte es
sein Schicksal, daß auch die deutsche Nation ihren Gipfel erstieg; das Jahr der
deutschen Einigung ward ihm zum Untergang. Denn nun war man voll von
sich, von den Triumphen lärmend, und die stille Stimme der Kunst verklang.
Die Gründerjahre, der wirtschaftliche Aufschwung, das Erwachen eines neuen
materiellen und sozialen Geistes schlössen die Idealitäten einer ewig verlorenen
Traumwelt aus, in der Feuerbach lebte. Dieselbe Epoche, die Nietzsche über¬
hörte, übersah auch ihn. Das Selbstbewußtsein der Nation gestattete ihr nicht,
einer Kunst entgegenzukommen, die ihr fremd war; was hingegen ihr durch
Gefälligkeit oder Pathetik entgegenkam, unterstützte sie und schien sich edel dabei.

Feuerbachs Unstern fügte es überdies, daß er als Professor der Akademie
nach Wien berufen wurde, der Stadt Makarts, den er stets als seinen glück¬
licheren Nebenbuhler ansah. Hier nun war es, wo ihm die bösesten Demütigungen
angetan wurden. Der Geschmack der Stadt, an Makarts Kolossalgemälden
geschult, duldete seine Kunst nicht, die Kritik rezensterte ihn mit Hohn und
Spott, man verfolgte ihn geradezu und Speidel, der zu seinem Freundeskreise
in Wien gehörte, erzählt, daß sogar im Gasthaus, darin Feuerbach zu Mittag
aß, unter seinem Kuvert Zettel mit Schmäh- oder Spottworten lagen. All¬
mählich ergriff den reizbaren Mann Erbitterung gegen die feindliche Stadt.
Seine einzige Freude waren seine Schüler, allein er bekam kein Atelier in der
Akademie und war gezwungen, täglich von einem Schüler zum anderen zu fahren.
Als die Linienwälle fielen und Wiens große Bauzeit anbrach, zog man Feuer¬
bach für die Ausschmückung der Universität, des Parlaments und der Akademie
heran. Es ist bekannt, daß man dem Künstler die schon erteilten Aufträge
wieder entzog, nur das Deckengemälde in der Akademie wurde ihm belassen: es
stellt den Sturz der Titanen dar, keineswegs seine bedeutendste Arbeit: vor drama¬
tischen Aufgaben -- wie auch bei der Nürnberger Amazonenschlacht -- mußte


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Anselm Feuerbach und seine Zeit

der zweite Band ist kaum noch erträglich. Freilich war er wehrlos, sein
Schicksal unverdient und jeder Gedanke daran Empörung und wer sagen kann,
daß der Schmerz wie ein Raubtier an ihm hänge, dem darf man wohl glauben,
daß er leidet.

Man fragt sich, was die Ursache dieses dauernden Mißerfolges sein könne?
Feuerbach stand im Grunde ganz auf dem Boden seiner Zeit; er war Historien¬
maler wie Piloty und Makart, er ging in der Vergangenheit auf wie sie. Er
war kein Revolutionär, nirgends stieß er an, nur das Edelste war ihm gemäß,
und die Schönheit sein oberstes Gesetz. Man kann sagen, daß es die Tiefe
war, in die er sich stets begab, was ihm den Erfolg vorenthielt. Er war eine
im Innersten lyrische Natur, alle seine Bilder sind von einem lyrischen Grund¬
gefühl geschaffen, und dafür hatte die Zeit kein Herz. Er ging den Dingen
auf den Grund und so auch seinen Träumen. Die Welt, die ihm hätte er¬
widern sollen, liebte den Prunk, die Oberfläche, den vergehenden Rausch. Das
Pathos und die Dekoration siegten, er, der die Reinheit einer Seele zu geben
hatte, unterlag. AIs er auf dem Höhepunkte seiner Existenz ankam, wollte es
sein Schicksal, daß auch die deutsche Nation ihren Gipfel erstieg; das Jahr der
deutschen Einigung ward ihm zum Untergang. Denn nun war man voll von
sich, von den Triumphen lärmend, und die stille Stimme der Kunst verklang.
Die Gründerjahre, der wirtschaftliche Aufschwung, das Erwachen eines neuen
materiellen und sozialen Geistes schlössen die Idealitäten einer ewig verlorenen
Traumwelt aus, in der Feuerbach lebte. Dieselbe Epoche, die Nietzsche über¬
hörte, übersah auch ihn. Das Selbstbewußtsein der Nation gestattete ihr nicht,
einer Kunst entgegenzukommen, die ihr fremd war; was hingegen ihr durch
Gefälligkeit oder Pathetik entgegenkam, unterstützte sie und schien sich edel dabei.

Feuerbachs Unstern fügte es überdies, daß er als Professor der Akademie
nach Wien berufen wurde, der Stadt Makarts, den er stets als seinen glück¬
licheren Nebenbuhler ansah. Hier nun war es, wo ihm die bösesten Demütigungen
angetan wurden. Der Geschmack der Stadt, an Makarts Kolossalgemälden
geschult, duldete seine Kunst nicht, die Kritik rezensterte ihn mit Hohn und
Spott, man verfolgte ihn geradezu und Speidel, der zu seinem Freundeskreise
in Wien gehörte, erzählt, daß sogar im Gasthaus, darin Feuerbach zu Mittag
aß, unter seinem Kuvert Zettel mit Schmäh- oder Spottworten lagen. All¬
mählich ergriff den reizbaren Mann Erbitterung gegen die feindliche Stadt.
Seine einzige Freude waren seine Schüler, allein er bekam kein Atelier in der
Akademie und war gezwungen, täglich von einem Schüler zum anderen zu fahren.
Als die Linienwälle fielen und Wiens große Bauzeit anbrach, zog man Feuer¬
bach für die Ausschmückung der Universität, des Parlaments und der Akademie
heran. Es ist bekannt, daß man dem Künstler die schon erteilten Aufträge
wieder entzog, nur das Deckengemälde in der Akademie wurde ihm belassen: es
stellt den Sturz der Titanen dar, keineswegs seine bedeutendste Arbeit: vor drama¬
tischen Aufgaben — wie auch bei der Nürnberger Amazonenschlacht — mußte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/327>, abgerufen am 28.07.2024.