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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

Jetzt soll der Krieg ihm heraushelfen; weil einmal er glaubt, dann und infolge
der erwarteten Siege das Land auf seine Seite treten zu sehen, ferner aber
weil er auf den (so!) Chaos rechnet, der aus jenem Kriege entstehen wird, um
denselben zugunsten Preußens auszubeuten.

Wenn wir aber nicht gleich siegen, wenn die Nachbarn sich gegen uns
erklären -- was dann? Das ist das Schauerliche, das ebenso möglich ist, wie
die Erfolge, auf die man hier so sehr zuversichtlich rechnet.

Mit gebundenen Händen überantworten wir uns einem blinden Schicksal!
Ich werde meinerseits nichts unversucht lassen, um dem Unheil zu begegnen,
abzuwehren, zu warnen, zu verhindern! Du weißt aber, wie wenig ich vermag!

Der Tante küssen Vicky und ich die Hand, und mit tausend herzlichen
Grüßen der ersteren an Dich, wie immer, mein teuerer, lieber Onkel,


Deintreuergebener
Neffe und Freund
Friedrich Wilhelm.

Mehr noch als das Schreiben des Kronprinzen bewies dem Herzog die
Antwort des Königs, daß Bismarck im Begriffe stand, sein heißersehntes Ziel
zu erreichen. Denn auch die Stimmen der nächsten Angehörigen des Königs
hatten ihre Wirkung verloren. Nur durch ein möglichst offensichtliches Eintreten
Österreichs für den Frieden konnte im letzten Augenblick das Spiel des Ministers
in Verwirrung gebracht werden. Der Herzog richtete deshalb an seinen Vetter,
den österreichischen Ministerpräsidenten, folgendes Schreiben.

Konzept.

Ernst der Zweite an Graf Alexander Mensdorff.

Gotha, den 27. März 1866.


Lieber Alexander.

In der jetzigen kritischen Lage möchte ich keinen Augenblick zögern, Dir
ganz im Vertrauen Kenntnis von zwei wichtigen Handschreiben zu geben, die
ich soeben von Berlin erhalte und welche Euch authentisch darlegen, wie man
höchsten Ortes in Berlin denkt und daß es, wenn es Euch um Erhaltung des
Friedens zu tun ist, die höchste Zeit wird, den einzigen Weg einzuschlagen, der
das Gewebe von Täuschung und Mißverständnis noch durchdringen kann, den
von Person zu Person, vom Kaiser an den König direkt.

Ich hatte Schleinitz nach Berlin geschickt, um dem König aus Anlaß seines
Geburtstages einen Brief zu überbringen, in dem ich ihn bei allen Seiten
seines Charakters, die mir zugänglich schienen, angriff, um ihn vor den Ver¬
lockungen zu einem so unseligen Kriege wie dem um die unrechtmäßige Er¬
werbung eines deutschen Erblandes mit Osterreich aufs inständigste zu warnen.
Die Antwort ist die anliegende, in der der König nur sich selbst als den be¬
leidigten und bedrohten Teil hinstellt. Meine zuverlässigen Nachrichten aus


Fürstliche Gegner Bismarcks

Jetzt soll der Krieg ihm heraushelfen; weil einmal er glaubt, dann und infolge
der erwarteten Siege das Land auf seine Seite treten zu sehen, ferner aber
weil er auf den (so!) Chaos rechnet, der aus jenem Kriege entstehen wird, um
denselben zugunsten Preußens auszubeuten.

Wenn wir aber nicht gleich siegen, wenn die Nachbarn sich gegen uns
erklären — was dann? Das ist das Schauerliche, das ebenso möglich ist, wie
die Erfolge, auf die man hier so sehr zuversichtlich rechnet.

Mit gebundenen Händen überantworten wir uns einem blinden Schicksal!
Ich werde meinerseits nichts unversucht lassen, um dem Unheil zu begegnen,
abzuwehren, zu warnen, zu verhindern! Du weißt aber, wie wenig ich vermag!

Der Tante küssen Vicky und ich die Hand, und mit tausend herzlichen
Grüßen der ersteren an Dich, wie immer, mein teuerer, lieber Onkel,


Deintreuergebener
Neffe und Freund
Friedrich Wilhelm.

Mehr noch als das Schreiben des Kronprinzen bewies dem Herzog die
Antwort des Königs, daß Bismarck im Begriffe stand, sein heißersehntes Ziel
zu erreichen. Denn auch die Stimmen der nächsten Angehörigen des Königs
hatten ihre Wirkung verloren. Nur durch ein möglichst offensichtliches Eintreten
Österreichs für den Frieden konnte im letzten Augenblick das Spiel des Ministers
in Verwirrung gebracht werden. Der Herzog richtete deshalb an seinen Vetter,
den österreichischen Ministerpräsidenten, folgendes Schreiben.

Konzept.

Ernst der Zweite an Graf Alexander Mensdorff.

Gotha, den 27. März 1866.


Lieber Alexander.

In der jetzigen kritischen Lage möchte ich keinen Augenblick zögern, Dir
ganz im Vertrauen Kenntnis von zwei wichtigen Handschreiben zu geben, die
ich soeben von Berlin erhalte und welche Euch authentisch darlegen, wie man
höchsten Ortes in Berlin denkt und daß es, wenn es Euch um Erhaltung des
Friedens zu tun ist, die höchste Zeit wird, den einzigen Weg einzuschlagen, der
das Gewebe von Täuschung und Mißverständnis noch durchdringen kann, den
von Person zu Person, vom Kaiser an den König direkt.

Ich hatte Schleinitz nach Berlin geschickt, um dem König aus Anlaß seines
Geburtstages einen Brief zu überbringen, in dem ich ihn bei allen Seiten
seines Charakters, die mir zugänglich schienen, angriff, um ihn vor den Ver¬
lockungen zu einem so unseligen Kriege wie dem um die unrechtmäßige Er¬
werbung eines deutschen Erblandes mit Osterreich aufs inständigste zu warnen.
Die Antwort ist die anliegende, in der der König nur sich selbst als den be¬
leidigten und bedrohten Teil hinstellt. Meine zuverlässigen Nachrichten aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/28>, abgerufen am 27.07.2024.