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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

Berlin sind im übrigen folgende: der König ist vollständig von Bismarck um¬
garnt. Die systematische Bearbeitung geht so weit, daß ihm Eure Depeschen
oder Mitteilungen, wenn sie dem Minister nicht konvenieren, nicht vorgelegt,
die Zeitungen gefälscht, Eure aufsetzenden Blätter absichtlich verbreitet, Eure
Truppen in vergrößertem Maßstab vorgetragen werden. Der König selbst zwar
sträubt sich noch gegen den Krieg, aber Bismarck -- darauf dürft Ihr Euch
verlassen -- will ihn (soll er doch bereits sein Privatvermögen mobilisiert und
in der Bank von Brüssel angelegt haben, um nötigenfalls, wenn die Dinge
unglücklich gehen, selbst in Sicherheit zu sein.)

Außer ihm will zwar eigentlich in Preußen, einige immer kriegslustige
junge Militärs abgerechnet, kein Mensch den Krieg, und aus dem hier ganz
konfidentiell abschriftlich beiliegenden Briefe des Kronprinzen an mich wirst Du
dessen Denkungsweife ersehen; aber alles dies wird sich ändern, sobald der
Plan Bismarcks ausgeführt sein wird, Euch soweit zu drängen, daß Ihr den
ersten Schuß tut und Preußen in der Rolle des angegriffenen Teils dasteht und
die Ehre seiner Armee engagiert ist. Da nun eben bereits das eklatante Rund-
schreiben Bismarcks an die deutschen Regierungen in Szene gesetzt ist, in welchen!
letztere kategorisch aufgefordert werden, sich zu erklären, ob Preußen auf ihre
Unterstützung rechnen könne, wenn es von Österreich angegriffen oder durch
Demonstrationen genötigt werden sollte, selbst anzugreifen, so dürste es die
höchste Zeit sein, das einzige Mittel beim König anzuwenden, von dem ich mir
noch eine Wirkung auf ihn verspreche, am besten eine persönliche Zusammenkunft,
mindestens aber ein direktes Handschreiben des Kaisers an ihn, durch welches
dem Ideengange, in den sich der König hat einspinnen lassen, vom Kaiser selbst
eine diametral entgegengesetzte Richtung durch unleugbare Tatsachen gegeben
würde, also durch Hinweis auf Eure vollkommene Uneigennützigkeit in der Sache
der Herzogtümer, Eure Achtung des preußischen Besitztitels, Eure Nichtbeteiligung
an den Auslassungen der Presse, durch Betonung allerhöchst persönlichen Wunsches
der Freundschaft und Allianz mit Preußen zum Wohle beider Länder und
Europas, aber auch zugleich des festen Entschlusses, die eigene Gleichberechtigung
in der Herzogtümerfrage sich nicht schmälern lassen zu wollen, also selbst nur
in der Position des Angegriffenen zu stehen. Es könnte darin auch der König
direkt vor den unheilvollen Ratschlägen seines Ministers gewarnt werden, der
offen seinen Wunsch, mit Österreich zu brechen, ausgesprochen, und es dürste
schließlich ein Appell an die Waffenbrüderschaft und die von seinem Vater
ererbten Gesinnungen guter Freundschaft mit Österreich erfolgen, die man jetzt
durch allerhand untergeordnete Rücksichten unter dem Titel provozierter Ge-
fährdung von Staatsinteressen und Staatsehre in blutigen Bruderkrieg zu ver¬
wandeln im Begriff stehe, zu deren Wiederherstellung aber der Kaiser, sobald
nur das Interesse Österreichs gewahrt werde, die brüderliche Hand biete.

Solch ein Schreiben, durch irgendeinen Spezialgesandten direkt in des
Königs Hand gelegt, dürfte das einzige Mittel sein, von dem ich mir. wenn


Grenzboten II 1913 ^
Fürstliche Gegner Bismarcks

Berlin sind im übrigen folgende: der König ist vollständig von Bismarck um¬
garnt. Die systematische Bearbeitung geht so weit, daß ihm Eure Depeschen
oder Mitteilungen, wenn sie dem Minister nicht konvenieren, nicht vorgelegt,
die Zeitungen gefälscht, Eure aufsetzenden Blätter absichtlich verbreitet, Eure
Truppen in vergrößertem Maßstab vorgetragen werden. Der König selbst zwar
sträubt sich noch gegen den Krieg, aber Bismarck — darauf dürft Ihr Euch
verlassen — will ihn (soll er doch bereits sein Privatvermögen mobilisiert und
in der Bank von Brüssel angelegt haben, um nötigenfalls, wenn die Dinge
unglücklich gehen, selbst in Sicherheit zu sein.)

Außer ihm will zwar eigentlich in Preußen, einige immer kriegslustige
junge Militärs abgerechnet, kein Mensch den Krieg, und aus dem hier ganz
konfidentiell abschriftlich beiliegenden Briefe des Kronprinzen an mich wirst Du
dessen Denkungsweife ersehen; aber alles dies wird sich ändern, sobald der
Plan Bismarcks ausgeführt sein wird, Euch soweit zu drängen, daß Ihr den
ersten Schuß tut und Preußen in der Rolle des angegriffenen Teils dasteht und
die Ehre seiner Armee engagiert ist. Da nun eben bereits das eklatante Rund-
schreiben Bismarcks an die deutschen Regierungen in Szene gesetzt ist, in welchen!
letztere kategorisch aufgefordert werden, sich zu erklären, ob Preußen auf ihre
Unterstützung rechnen könne, wenn es von Österreich angegriffen oder durch
Demonstrationen genötigt werden sollte, selbst anzugreifen, so dürste es die
höchste Zeit sein, das einzige Mittel beim König anzuwenden, von dem ich mir
noch eine Wirkung auf ihn verspreche, am besten eine persönliche Zusammenkunft,
mindestens aber ein direktes Handschreiben des Kaisers an ihn, durch welches
dem Ideengange, in den sich der König hat einspinnen lassen, vom Kaiser selbst
eine diametral entgegengesetzte Richtung durch unleugbare Tatsachen gegeben
würde, also durch Hinweis auf Eure vollkommene Uneigennützigkeit in der Sache
der Herzogtümer, Eure Achtung des preußischen Besitztitels, Eure Nichtbeteiligung
an den Auslassungen der Presse, durch Betonung allerhöchst persönlichen Wunsches
der Freundschaft und Allianz mit Preußen zum Wohle beider Länder und
Europas, aber auch zugleich des festen Entschlusses, die eigene Gleichberechtigung
in der Herzogtümerfrage sich nicht schmälern lassen zu wollen, also selbst nur
in der Position des Angegriffenen zu stehen. Es könnte darin auch der König
direkt vor den unheilvollen Ratschlägen seines Ministers gewarnt werden, der
offen seinen Wunsch, mit Österreich zu brechen, ausgesprochen, und es dürste
schließlich ein Appell an die Waffenbrüderschaft und die von seinem Vater
ererbten Gesinnungen guter Freundschaft mit Österreich erfolgen, die man jetzt
durch allerhand untergeordnete Rücksichten unter dem Titel provozierter Ge-
fährdung von Staatsinteressen und Staatsehre in blutigen Bruderkrieg zu ver¬
wandeln im Begriff stehe, zu deren Wiederherstellung aber der Kaiser, sobald
nur das Interesse Österreichs gewahrt werde, die brüderliche Hand biete.

Solch ein Schreiben, durch irgendeinen Spezialgesandten direkt in des
Königs Hand gelegt, dürfte das einzige Mittel sein, von dem ich mir. wenn


Grenzboten II 1913 ^
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[0029] Fürstliche Gegner Bismarcks Berlin sind im übrigen folgende: der König ist vollständig von Bismarck um¬ garnt. Die systematische Bearbeitung geht so weit, daß ihm Eure Depeschen oder Mitteilungen, wenn sie dem Minister nicht konvenieren, nicht vorgelegt, die Zeitungen gefälscht, Eure aufsetzenden Blätter absichtlich verbreitet, Eure Truppen in vergrößertem Maßstab vorgetragen werden. Der König selbst zwar sträubt sich noch gegen den Krieg, aber Bismarck — darauf dürft Ihr Euch verlassen — will ihn (soll er doch bereits sein Privatvermögen mobilisiert und in der Bank von Brüssel angelegt haben, um nötigenfalls, wenn die Dinge unglücklich gehen, selbst in Sicherheit zu sein.) Außer ihm will zwar eigentlich in Preußen, einige immer kriegslustige junge Militärs abgerechnet, kein Mensch den Krieg, und aus dem hier ganz konfidentiell abschriftlich beiliegenden Briefe des Kronprinzen an mich wirst Du dessen Denkungsweife ersehen; aber alles dies wird sich ändern, sobald der Plan Bismarcks ausgeführt sein wird, Euch soweit zu drängen, daß Ihr den ersten Schuß tut und Preußen in der Rolle des angegriffenen Teils dasteht und die Ehre seiner Armee engagiert ist. Da nun eben bereits das eklatante Rund- schreiben Bismarcks an die deutschen Regierungen in Szene gesetzt ist, in welchen! letztere kategorisch aufgefordert werden, sich zu erklären, ob Preußen auf ihre Unterstützung rechnen könne, wenn es von Österreich angegriffen oder durch Demonstrationen genötigt werden sollte, selbst anzugreifen, so dürste es die höchste Zeit sein, das einzige Mittel beim König anzuwenden, von dem ich mir noch eine Wirkung auf ihn verspreche, am besten eine persönliche Zusammenkunft, mindestens aber ein direktes Handschreiben des Kaisers an ihn, durch welches dem Ideengange, in den sich der König hat einspinnen lassen, vom Kaiser selbst eine diametral entgegengesetzte Richtung durch unleugbare Tatsachen gegeben würde, also durch Hinweis auf Eure vollkommene Uneigennützigkeit in der Sache der Herzogtümer, Eure Achtung des preußischen Besitztitels, Eure Nichtbeteiligung an den Auslassungen der Presse, durch Betonung allerhöchst persönlichen Wunsches der Freundschaft und Allianz mit Preußen zum Wohle beider Länder und Europas, aber auch zugleich des festen Entschlusses, die eigene Gleichberechtigung in der Herzogtümerfrage sich nicht schmälern lassen zu wollen, also selbst nur in der Position des Angegriffenen zu stehen. Es könnte darin auch der König direkt vor den unheilvollen Ratschlägen seines Ministers gewarnt werden, der offen seinen Wunsch, mit Österreich zu brechen, ausgesprochen, und es dürste schließlich ein Appell an die Waffenbrüderschaft und die von seinem Vater ererbten Gesinnungen guter Freundschaft mit Österreich erfolgen, die man jetzt durch allerhand untergeordnete Rücksichten unter dem Titel provozierter Ge- fährdung von Staatsinteressen und Staatsehre in blutigen Bruderkrieg zu ver¬ wandeln im Begriff stehe, zu deren Wiederherstellung aber der Kaiser, sobald nur das Interesse Österreichs gewahrt werde, die brüderliche Hand biete. Solch ein Schreiben, durch irgendeinen Spezialgesandten direkt in des Königs Hand gelegt, dürfte das einzige Mittel sein, von dem ich mir. wenn Grenzboten II 1913 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/29>, abgerufen am 27.07.2024.