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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Grundlagen dos Imperialismus

terrenis, daß der Kapitalismus eine der treibenden Kräfte des Imperialismus
ist -- jede auf ihre Weise -- zu Nutz. Wenn daher auch Rosa Luxemburg
in ihrem neuen umfangreichen Buch*) mit marxistisch belasteten Verstand noch
glaubt, die Fülle der Erscheinungen unseres wirtschaftlichen Lebens in einige
Formeln bannen zu können**), so ist sie doch zu einer annähernd richtigen Er¬
kenntnis der ökonomischen Zwecke des Kapitalismus (S. 419) und der Art der
imperialistisch-kapitalistischen Ausdehnungspolitik gelangt. Daß sie diese Erkenntnis
dazu verwendet, alle die verschiedensten Probleme auf den einen Nenner "Kapital¬
akkumulation und Mehrwert" zu bringen, ist hier nicht von Belang. Wichtig
ist nur, daß auch sie und die marxistische Schule***), die den Imperialismus
als einen "Rückfall auf historisch überlebte Entwicklungsstufen der kapitalistischen
Produktionsweise" auffassen, sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß
"der Imperialismus eine innere Notwendigkeit und keine zufällige Tatsache"
ist und daß "es heute keine geschichtliche Wahl mehr gibt, als Imperialismus
oder Sozialismusf)".

Eine weniger akademisch-sozialistische Erklärung der imperialistischen Be¬
wegung, als die Zurückführung auf Mehrwert und Kapitalakkumulation hat die
revisionistische Richtung gefunden, wenn auch sie ganz im Materialismus stecken
bleibt. Schippelff) erkennt den Imperialismus wenigstens als eine Weiter¬
entwicklung, nicht als einen Rückschritt an, indem er ihn geradezu definiert als
"die Wiederabkehr der bürgerlichen Weltpolitik vom Mancheftertum, als das
Wiederauftauchen der einst verdrängten Staatsmacht auf dem internationalen
Wirtschaftskampffeld". Er geht sogar so weit, daß er dem Imperialismus die
innere Notwendigkeit und Berechtigung nicht abspricht. Schippel, als Vertreter







*) Die Akkumulation des Kapitals, ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des
Imperialismus, Berlin. 1913. Ein Buch, das das Fremdwort für ein Kennzeichen der
Gelehrsamkeit, unklaren Wortschwulst für Tiefsinn hält.
"*) S. 14: "Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft
des Kapitals stellt sich also folgendermaßen dar:
wobei ^ den kapitalisierten Teil des in der früheren Produktionsperiode angeeigneten Mehr¬
werth darstellt, in' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert."
S. 18. "Die nächste Produktionsperiode würde dann in der Formel zum Ausdruck
kommen:" "
Mehring. der in einer Artikelreihe "Das historische Wesen des Imperialismus
das Luxemburgsche Buch bespricht und belobt. (Bremer Bürgerzeitung. Ur. 38, 39. 46. 1913.)
1) Die Zusammenhänge, die zwischen Demokratie und Imperialismus bestehen, hat
Seilliöre im Band 3 seines Werkes über die Philosophie des Imperialismus. Berlin 1S07
behandelt.
Schippel in den sozialistischen Monatsheften; Heft 18--21, Jahrgang 1912? Heft 3,
Jahrgang 1913.
Grenzboten II 1913 18
Grundlagen dos Imperialismus

terrenis, daß der Kapitalismus eine der treibenden Kräfte des Imperialismus
ist — jede auf ihre Weise — zu Nutz. Wenn daher auch Rosa Luxemburg
in ihrem neuen umfangreichen Buch*) mit marxistisch belasteten Verstand noch
glaubt, die Fülle der Erscheinungen unseres wirtschaftlichen Lebens in einige
Formeln bannen zu können**), so ist sie doch zu einer annähernd richtigen Er¬
kenntnis der ökonomischen Zwecke des Kapitalismus (S. 419) und der Art der
imperialistisch-kapitalistischen Ausdehnungspolitik gelangt. Daß sie diese Erkenntnis
dazu verwendet, alle die verschiedensten Probleme auf den einen Nenner „Kapital¬
akkumulation und Mehrwert" zu bringen, ist hier nicht von Belang. Wichtig
ist nur, daß auch sie und die marxistische Schule***), die den Imperialismus
als einen „Rückfall auf historisch überlebte Entwicklungsstufen der kapitalistischen
Produktionsweise" auffassen, sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß
„der Imperialismus eine innere Notwendigkeit und keine zufällige Tatsache"
ist und daß „es heute keine geschichtliche Wahl mehr gibt, als Imperialismus
oder Sozialismusf)".

Eine weniger akademisch-sozialistische Erklärung der imperialistischen Be¬
wegung, als die Zurückführung auf Mehrwert und Kapitalakkumulation hat die
revisionistische Richtung gefunden, wenn auch sie ganz im Materialismus stecken
bleibt. Schippelff) erkennt den Imperialismus wenigstens als eine Weiter¬
entwicklung, nicht als einen Rückschritt an, indem er ihn geradezu definiert als
„die Wiederabkehr der bürgerlichen Weltpolitik vom Mancheftertum, als das
Wiederauftauchen der einst verdrängten Staatsmacht auf dem internationalen
Wirtschaftskampffeld". Er geht sogar so weit, daß er dem Imperialismus die
innere Notwendigkeit und Berechtigung nicht abspricht. Schippel, als Vertreter







*) Die Akkumulation des Kapitals, ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des
Imperialismus, Berlin. 1913. Ein Buch, das das Fremdwort für ein Kennzeichen der
Gelehrsamkeit, unklaren Wortschwulst für Tiefsinn hält.
"*) S. 14: „Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft
des Kapitals stellt sich also folgendermaßen dar:
wobei ^ den kapitalisierten Teil des in der früheren Produktionsperiode angeeigneten Mehr¬
werth darstellt, in' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert."
S. 18. „Die nächste Produktionsperiode würde dann in der Formel zum Ausdruck
kommen:" "
Mehring. der in einer Artikelreihe „Das historische Wesen des Imperialismus
das Luxemburgsche Buch bespricht und belobt. (Bremer Bürgerzeitung. Ur. 38, 39. 46. 1913.)
1) Die Zusammenhänge, die zwischen Demokratie und Imperialismus bestehen, hat
Seilliöre im Band 3 seines Werkes über die Philosophie des Imperialismus. Berlin 1S07
behandelt.
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Jahrgang 1913.
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[0277] Grundlagen dos Imperialismus terrenis, daß der Kapitalismus eine der treibenden Kräfte des Imperialismus ist — jede auf ihre Weise — zu Nutz. Wenn daher auch Rosa Luxemburg in ihrem neuen umfangreichen Buch*) mit marxistisch belasteten Verstand noch glaubt, die Fülle der Erscheinungen unseres wirtschaftlichen Lebens in einige Formeln bannen zu können**), so ist sie doch zu einer annähernd richtigen Er¬ kenntnis der ökonomischen Zwecke des Kapitalismus (S. 419) und der Art der imperialistisch-kapitalistischen Ausdehnungspolitik gelangt. Daß sie diese Erkenntnis dazu verwendet, alle die verschiedensten Probleme auf den einen Nenner „Kapital¬ akkumulation und Mehrwert" zu bringen, ist hier nicht von Belang. Wichtig ist nur, daß auch sie und die marxistische Schule***), die den Imperialismus als einen „Rückfall auf historisch überlebte Entwicklungsstufen der kapitalistischen Produktionsweise" auffassen, sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß „der Imperialismus eine innere Notwendigkeit und keine zufällige Tatsache" ist und daß „es heute keine geschichtliche Wahl mehr gibt, als Imperialismus oder Sozialismusf)". Eine weniger akademisch-sozialistische Erklärung der imperialistischen Be¬ wegung, als die Zurückführung auf Mehrwert und Kapitalakkumulation hat die revisionistische Richtung gefunden, wenn auch sie ganz im Materialismus stecken bleibt. Schippelff) erkennt den Imperialismus wenigstens als eine Weiter¬ entwicklung, nicht als einen Rückschritt an, indem er ihn geradezu definiert als „die Wiederabkehr der bürgerlichen Weltpolitik vom Mancheftertum, als das Wiederauftauchen der einst verdrängten Staatsmacht auf dem internationalen Wirtschaftskampffeld". Er geht sogar so weit, daß er dem Imperialismus die innere Notwendigkeit und Berechtigung nicht abspricht. Schippel, als Vertreter *) Die Akkumulation des Kapitals, ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, Berlin. 1913. Ein Buch, das das Fremdwort für ein Kennzeichen der Gelehrsamkeit, unklaren Wortschwulst für Tiefsinn hält. "*) S. 14: „Die allgemeine Formel der erweiterten Reproduktion unter der Herrschaft des Kapitals stellt sich also folgendermaßen dar: [FORMEL] wobei ^ den kapitalisierten Teil des in der früheren Produktionsperiode angeeigneten Mehr¬ werth darstellt, in' den neuen, aus dem gewachsenen Kapital erzeugten Mehrwert." S. 18. „Die nächste Produktionsperiode würde dann in der Formel zum Ausdruck kommen:" [FORMEL] " Mehring. der in einer Artikelreihe „Das historische Wesen des Imperialismus das Luxemburgsche Buch bespricht und belobt. (Bremer Bürgerzeitung. Ur. 38, 39. 46. 1913.) 1) Die Zusammenhänge, die zwischen Demokratie und Imperialismus bestehen, hat Seilliöre im Band 3 seines Werkes über die Philosophie des Imperialismus. Berlin 1S07 behandelt. Schippel in den sozialistischen Monatsheften; Heft 18—21, Jahrgang 1912? Heft 3, Jahrgang 1913. Grenzboten II 1913 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/277>, abgerufen am 28.07.2024.