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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Krupp

Die aber gegenwärtig um sie kämpfen sind nicht Aristokratie und Demokratie,
wie uns von Parteigängern und Gelehrten gesagt wird, sondern Großkapital,
Nation und -- Monarchie. Aristokratie und Demokratie sind Schlagworte
geworden, jenes zur Befriedigung eines mehr persönlichen ästhetischen Bedürfnisses,
dieses um die Massen zu gewinnen oder um ängstliche Gemüter zu schrecken.
Vielleicht, daß beide auch politisch wieder einmal zu Ehren kommen; einstweilen
steht die Verteilung der materiellen Güter noch so im Vordergrunde des Inter¬
esses, daß es nicht ästhetische, sondern rein materielle Gesichtspunkte sein müssen,
nach denen die Kämpfe um die Macht ausgefochten werden.

Betrachten wir den Fall Krupp von dieser Seite, so werden wir das
Geschäftsgebaren der Kanonenfirma mit der allgemeinen Entwicklungstendenz
im Einklang finden. Für sie ist die Welt in erster Linie Markt und seit sie
in aller Welt Konkurrenz gefunden, auch die moderne Arena, auf der
sich alle Kräfte, körperliche, geistige und moralische, frei tummeln können.
Die Tendenz führt über die staatlichen und nationalen Grenzen hinaus; ihr
einziger sichtbarer Maßstab ist ein internationaler Wert: das Gold. Die Menge
des im Kampfe gewonnenen Goldes aber ist auch der einzige Wertmesser für
den Grad der Leistungsfähigkeit und es will mir, rein vom Standpunkt der
kapitalistischen Entwicklung aufgefaßt, nichts natürlicher scheinen, als wenn in
dem allgemeinen Wettstreit eine so gewaltige Organisation wie die von Krupp
nun auch danach trachtet, sich den Staat, in dessen Schutz sie erstarkt ist,
vollständig unterzuordnen: bewußt durch Einflußnahme auf die Politik des
Staates, unbewußt durch Zersetzung der staatlichen Organe beim Kampf um
den inneren Markt. Man fühlt sich stärker und damit berechtigter als der
Staat und überschätzt die eigene Bedeutung für die Nation, die folgerichtig in
erster Linie auch als Markt (Konsument) gewertet wird. Man geht aber in
solcher Überhebung um so weiter, je mehr man die Abhängigkeit der Staaten
vom Gelde kennt und je mehr man gewahr wird, welche Anstrengungen von
seiten aller Staaten gemacht werden, um das Privatkapital an sich zu ziehen
G, Lleinoiv und es bei sich fest zu halten.




Krupp

Die aber gegenwärtig um sie kämpfen sind nicht Aristokratie und Demokratie,
wie uns von Parteigängern und Gelehrten gesagt wird, sondern Großkapital,
Nation und — Monarchie. Aristokratie und Demokratie sind Schlagworte
geworden, jenes zur Befriedigung eines mehr persönlichen ästhetischen Bedürfnisses,
dieses um die Massen zu gewinnen oder um ängstliche Gemüter zu schrecken.
Vielleicht, daß beide auch politisch wieder einmal zu Ehren kommen; einstweilen
steht die Verteilung der materiellen Güter noch so im Vordergrunde des Inter¬
esses, daß es nicht ästhetische, sondern rein materielle Gesichtspunkte sein müssen,
nach denen die Kämpfe um die Macht ausgefochten werden.

Betrachten wir den Fall Krupp von dieser Seite, so werden wir das
Geschäftsgebaren der Kanonenfirma mit der allgemeinen Entwicklungstendenz
im Einklang finden. Für sie ist die Welt in erster Linie Markt und seit sie
in aller Welt Konkurrenz gefunden, auch die moderne Arena, auf der
sich alle Kräfte, körperliche, geistige und moralische, frei tummeln können.
Die Tendenz führt über die staatlichen und nationalen Grenzen hinaus; ihr
einziger sichtbarer Maßstab ist ein internationaler Wert: das Gold. Die Menge
des im Kampfe gewonnenen Goldes aber ist auch der einzige Wertmesser für
den Grad der Leistungsfähigkeit und es will mir, rein vom Standpunkt der
kapitalistischen Entwicklung aufgefaßt, nichts natürlicher scheinen, als wenn in
dem allgemeinen Wettstreit eine so gewaltige Organisation wie die von Krupp
nun auch danach trachtet, sich den Staat, in dessen Schutz sie erstarkt ist,
vollständig unterzuordnen: bewußt durch Einflußnahme auf die Politik des
Staates, unbewußt durch Zersetzung der staatlichen Organe beim Kampf um
den inneren Markt. Man fühlt sich stärker und damit berechtigter als der
Staat und überschätzt die eigene Bedeutung für die Nation, die folgerichtig in
erster Linie auch als Markt (Konsument) gewertet wird. Man geht aber in
solcher Überhebung um so weiter, je mehr man die Abhängigkeit der Staaten
vom Gelde kennt und je mehr man gewahr wird, welche Anstrengungen von
seiten aller Staaten gemacht werden, um das Privatkapital an sich zu ziehen
G, Lleinoiv und es bei sich fest zu halten.




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[0268] Krupp Die aber gegenwärtig um sie kämpfen sind nicht Aristokratie und Demokratie, wie uns von Parteigängern und Gelehrten gesagt wird, sondern Großkapital, Nation und — Monarchie. Aristokratie und Demokratie sind Schlagworte geworden, jenes zur Befriedigung eines mehr persönlichen ästhetischen Bedürfnisses, dieses um die Massen zu gewinnen oder um ängstliche Gemüter zu schrecken. Vielleicht, daß beide auch politisch wieder einmal zu Ehren kommen; einstweilen steht die Verteilung der materiellen Güter noch so im Vordergrunde des Inter¬ esses, daß es nicht ästhetische, sondern rein materielle Gesichtspunkte sein müssen, nach denen die Kämpfe um die Macht ausgefochten werden. Betrachten wir den Fall Krupp von dieser Seite, so werden wir das Geschäftsgebaren der Kanonenfirma mit der allgemeinen Entwicklungstendenz im Einklang finden. Für sie ist die Welt in erster Linie Markt und seit sie in aller Welt Konkurrenz gefunden, auch die moderne Arena, auf der sich alle Kräfte, körperliche, geistige und moralische, frei tummeln können. Die Tendenz führt über die staatlichen und nationalen Grenzen hinaus; ihr einziger sichtbarer Maßstab ist ein internationaler Wert: das Gold. Die Menge des im Kampfe gewonnenen Goldes aber ist auch der einzige Wertmesser für den Grad der Leistungsfähigkeit und es will mir, rein vom Standpunkt der kapitalistischen Entwicklung aufgefaßt, nichts natürlicher scheinen, als wenn in dem allgemeinen Wettstreit eine so gewaltige Organisation wie die von Krupp nun auch danach trachtet, sich den Staat, in dessen Schutz sie erstarkt ist, vollständig unterzuordnen: bewußt durch Einflußnahme auf die Politik des Staates, unbewußt durch Zersetzung der staatlichen Organe beim Kampf um den inneren Markt. Man fühlt sich stärker und damit berechtigter als der Staat und überschätzt die eigene Bedeutung für die Nation, die folgerichtig in erster Linie auch als Markt (Konsument) gewertet wird. Man geht aber in solcher Überhebung um so weiter, je mehr man die Abhängigkeit der Staaten vom Gelde kennt und je mehr man gewahr wird, welche Anstrengungen von seiten aller Staaten gemacht werden, um das Privatkapital an sich zu ziehen G, Lleinoiv und es bei sich fest zu halten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/268>, abgerufen am 27.07.2024.