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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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wollte, besser angestanden: die Verteidigung der Firma Krupp oder die Ver¬
teidigung der Armee? Der Herr Kriegsminister sprach von Feldwebeln und
unteren Beamtin, die mit Brand in Verbindung getreten waren, so kühl, daß
man zu dem Glauben kommen könnte, es handle sich hier um ganz alltägliche
Vorgänge, die auch im Kriegsministerium seitens der Vorgesetzten als unab¬
änderliche Schickung hingenommen werden. Ich meine, der Herr Kriegsminister
hätte seine persönliche Stellung und was wichtiger ist, das Ansehen des Kriegs¬
ministeriums und damit der Armee -- und zu deren Anwalt ist er doch bestellt
-- besser gewahrt, wenn er ein Wort der Anerkennung für Krupp in diesem
Augenblick vermieden und statt dessen mit unnachstchtlicher Verfolgung derjenigen
gedroht hätte, die es schon gewagt oder jemals wagen würden, Ehre und
Disziplin der Armee anzutasten. Wollte der Herr Kriegsminister den persönlichen
Freund des Kaisers schonen? Galt es allgemeinstaatliche Interessen zu schützen?
Diskutabel wäre das Bestreben, den durch die Angelegenheit gefährdeten Ruf einer
Weltfirma nicht unter gar zu grelle Beleuchtung zu bringen, um das Vertrauen
im Auslande nicht ins Wanken zu bringen. Krupp ist einer unserer bedeutendsten
Exporteure; das Wohl und Wehe von mehr als zweihunderttausend Menschen
ist heute mit der Firma verbunden. Gilt aber auch nicht hier der Spruch:
Hilf dir selbst so hilft dir Gott!? Gibt es für den Staatsmann, für den
preußischen Kriegsminister nicht doch etwas höheres, als den Export und den
Ruf einer einzelnen Privatfirma? Der Herr Kriegsminister hat schließlich an
die Dankbarkeit der Nation appelliert, die sie der Firma Krupp schulde. In
der schon zitierten Rede heißt es: "Die Firma Krupp hat ein Jahr¬
hundert lang dem Heer treu zur Seite gestanden und zu den Er¬
folgen des deutschen Heeres beigetragen. Die deutsche Artillerie
verdankt der Firma Krupp wesentliche Verbesserungen. Das muß
dankbar anerkannt werden. . . ."

Ganz abgesehen von allem anderen halten diese Angaben des Herrn Kriegs¬
ministers vor einer ernsten Kritik nicht stand. Die Firma Krupp hat nicht
"hundert Jahre dem Heere treu zur Seite gestanden", sondern kaum sechzig,
nämlich seit 1855, wovon man sich in der "Jahrhundertschrift der preußischen
Artillerie-Prüfungskommission" von 1909 überzeugen kann. Dort ist auch der
Wirkungskreis der Firma als "einer treuen Mitarbeiterin" ziemlich genau um¬
schrieben. Es heißt, die Verdienste anderer Industrien, die ihren Anteil an der
Entwicklung der deutschen Artillerie haben, z. B. der chemischen, optischen, elek¬
trischen usw. und vor allen Dingen die Verdienste der Artillerie selbst verdunkeln,
wenn bei einem Anlaß, wie dem letzten, von besonderen Verdiensten einer ein¬
zelnen Firma gesprochen wird. Krupp hat die Kanonenfabrikation anfänglich
lediglich als Reklame für seinen Gußstahl betrieben. Wenn er sie nach 1855
beibehalten hat und somit die Firma das werden konnte, was sie heute ist, braucht
niemand in Deutschland dem damaligen Chef der Firma dankbar dafür zu sein.
Dem weitblickenden und kühnen Entschluß des Prinzregenten von Preußen, der


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wollte, besser angestanden: die Verteidigung der Firma Krupp oder die Ver¬
teidigung der Armee? Der Herr Kriegsminister sprach von Feldwebeln und
unteren Beamtin, die mit Brand in Verbindung getreten waren, so kühl, daß
man zu dem Glauben kommen könnte, es handle sich hier um ganz alltägliche
Vorgänge, die auch im Kriegsministerium seitens der Vorgesetzten als unab¬
änderliche Schickung hingenommen werden. Ich meine, der Herr Kriegsminister
hätte seine persönliche Stellung und was wichtiger ist, das Ansehen des Kriegs¬
ministeriums und damit der Armee — und zu deren Anwalt ist er doch bestellt
— besser gewahrt, wenn er ein Wort der Anerkennung für Krupp in diesem
Augenblick vermieden und statt dessen mit unnachstchtlicher Verfolgung derjenigen
gedroht hätte, die es schon gewagt oder jemals wagen würden, Ehre und
Disziplin der Armee anzutasten. Wollte der Herr Kriegsminister den persönlichen
Freund des Kaisers schonen? Galt es allgemeinstaatliche Interessen zu schützen?
Diskutabel wäre das Bestreben, den durch die Angelegenheit gefährdeten Ruf einer
Weltfirma nicht unter gar zu grelle Beleuchtung zu bringen, um das Vertrauen
im Auslande nicht ins Wanken zu bringen. Krupp ist einer unserer bedeutendsten
Exporteure; das Wohl und Wehe von mehr als zweihunderttausend Menschen
ist heute mit der Firma verbunden. Gilt aber auch nicht hier der Spruch:
Hilf dir selbst so hilft dir Gott!? Gibt es für den Staatsmann, für den
preußischen Kriegsminister nicht doch etwas höheres, als den Export und den
Ruf einer einzelnen Privatfirma? Der Herr Kriegsminister hat schließlich an
die Dankbarkeit der Nation appelliert, die sie der Firma Krupp schulde. In
der schon zitierten Rede heißt es: „Die Firma Krupp hat ein Jahr¬
hundert lang dem Heer treu zur Seite gestanden und zu den Er¬
folgen des deutschen Heeres beigetragen. Die deutsche Artillerie
verdankt der Firma Krupp wesentliche Verbesserungen. Das muß
dankbar anerkannt werden. . . ."

Ganz abgesehen von allem anderen halten diese Angaben des Herrn Kriegs¬
ministers vor einer ernsten Kritik nicht stand. Die Firma Krupp hat nicht
„hundert Jahre dem Heere treu zur Seite gestanden", sondern kaum sechzig,
nämlich seit 1855, wovon man sich in der „Jahrhundertschrift der preußischen
Artillerie-Prüfungskommission" von 1909 überzeugen kann. Dort ist auch der
Wirkungskreis der Firma als „einer treuen Mitarbeiterin" ziemlich genau um¬
schrieben. Es heißt, die Verdienste anderer Industrien, die ihren Anteil an der
Entwicklung der deutschen Artillerie haben, z. B. der chemischen, optischen, elek¬
trischen usw. und vor allen Dingen die Verdienste der Artillerie selbst verdunkeln,
wenn bei einem Anlaß, wie dem letzten, von besonderen Verdiensten einer ein¬
zelnen Firma gesprochen wird. Krupp hat die Kanonenfabrikation anfänglich
lediglich als Reklame für seinen Gußstahl betrieben. Wenn er sie nach 1855
beibehalten hat und somit die Firma das werden konnte, was sie heute ist, braucht
niemand in Deutschland dem damaligen Chef der Firma dankbar dafür zu sein.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/266>, abgerufen am 28.07.2024.