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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Krupp

febern, Briefpapier und Konfektion recht, ist für Kanonen und Kriegsfahrzeuge
billig; wer für den Markt produziert, muß den Markt mit allen seinen Eigen¬
arten, Ansprüchen und auch seine, denselben Markt aufsuchende Konkurrenz
kennen; somit handelte Krupp als Waffenproduzent und Waffenhändler nicht
weniger ehrenhaft und korrekt, wie als Verkäufer von Friedensmaterial, wenn
er seine Berliner Vertretung modern aufbaute; um gerecht zu sein, muß man
sich nur vergegenwärtigen, wie schwer es ist, Kanonen auch an den preußischen
Staat zu verkaufen: vom ersten Versuch mit Kruppschem Kanonenstahl bis zur
Bestellung von dreihundert Rohrblöcken durch die preußische Armeeverwaltung
find rund fünfzehn Jahre (1844 bis 1859) ins Land gegangen; inzwischen ist
das Geschäft aber unendlich komplizierter geworden: nicht nur die Konkurrenz
macht es heißer, auch die Zahl der mit den Kanonen eng zusammenhängenden
Artikel, der Munition, optischen Hilfsmittel, Ausrüstungsgegenstände, ist auf
viele Tausende gestiegen und damit ist auch die Vielgestaltigkeit der Abnahme¬
organisationen gewachsen.

Dennoch! Jede Branche hat ihre Sitten und Gebräuche: Usancen, ihren
ungeschriebenen Ehrenkodex, den niemand ungestraft verletzen darf. Der Ver¬
käufer technischer Öle ist gezwungen, die Maschinenmeister für seine spezielle
Schmierölsorte freundlich zu stimmen, weil es hundert gleichwertige Sorten gibt
und kein Fabrikdirektor es wagen dürfte, Öl einzukaufen gegen ernste Bedenken
des oder der Meister, denen die Beaufsichtigung der Maschinen obliegt. -- Der
Kanonenreisende, der fast ausschließlich mit staatlichen Behörden zu tun hat,
ist, wenigstens im deutschen Inlande, ausschließlich an Qualität und Preis
gebunden, er ist bei einer intakten Heeresverwaltung nicht abhängig vom guten
Willen Nachgeordneter oder gar Subalterner Stellen, wenn diese auch gelegentliche
Schwierigkeiten bereiten können. Ich meine: die Firma Krupp hat die durch
ihre Branche gezogenen Grenzen nicht respektiert, wenn sie das, sagen wir ruhig,
aristokratische Geschäft in die Hände von Subalternen legte und wenn sie
der Auskundschaftung des deutschen inneren Marktes eine auf Nachgeordnete
Stellen des Kriegsministeriums eingerichtete Organisation gab. Brand, ein
früherer Unteroffizier, erhielt ein Gehalt von siebentausend Mark und außerdem
noch fünftausend Mark Repräsentationsgelder! Wohl gemerkt: ein Unteroffizier,
der weder ein Erfindergenie noch ein großzügiger Verkäufer ist.

Die gegenwärtige Organisation des Kruppschen Nachrichtendienstes beruht
auf falschen Grundsätzen. Sie entbehrt der Ethik, an die die Firma Krupp
nun einmal gebunden ist: der Chef einer Privatfirma, der der Ehre teilhaftig
wird, das Reichsoberhaupt freundschaftlich in seinem Hause zu bewirten, darf
durch seine verantwortlichen Direktoren nicht in die Lage gebracht werden, Be¬
amte besolden zu müssen, die Staatsdiener zum Bruch des Treueides gegen den
Monarchen verleiten.

Was hätte dem Herrn Kriegsminister unter den obigen Verhältnissen, wenn
er schon auf die Mitwirkung der bürgerlichen Parlamentsfraktionen verzichten


Krupp

febern, Briefpapier und Konfektion recht, ist für Kanonen und Kriegsfahrzeuge
billig; wer für den Markt produziert, muß den Markt mit allen seinen Eigen¬
arten, Ansprüchen und auch seine, denselben Markt aufsuchende Konkurrenz
kennen; somit handelte Krupp als Waffenproduzent und Waffenhändler nicht
weniger ehrenhaft und korrekt, wie als Verkäufer von Friedensmaterial, wenn
er seine Berliner Vertretung modern aufbaute; um gerecht zu sein, muß man
sich nur vergegenwärtigen, wie schwer es ist, Kanonen auch an den preußischen
Staat zu verkaufen: vom ersten Versuch mit Kruppschem Kanonenstahl bis zur
Bestellung von dreihundert Rohrblöcken durch die preußische Armeeverwaltung
find rund fünfzehn Jahre (1844 bis 1859) ins Land gegangen; inzwischen ist
das Geschäft aber unendlich komplizierter geworden: nicht nur die Konkurrenz
macht es heißer, auch die Zahl der mit den Kanonen eng zusammenhängenden
Artikel, der Munition, optischen Hilfsmittel, Ausrüstungsgegenstände, ist auf
viele Tausende gestiegen und damit ist auch die Vielgestaltigkeit der Abnahme¬
organisationen gewachsen.

Dennoch! Jede Branche hat ihre Sitten und Gebräuche: Usancen, ihren
ungeschriebenen Ehrenkodex, den niemand ungestraft verletzen darf. Der Ver¬
käufer technischer Öle ist gezwungen, die Maschinenmeister für seine spezielle
Schmierölsorte freundlich zu stimmen, weil es hundert gleichwertige Sorten gibt
und kein Fabrikdirektor es wagen dürfte, Öl einzukaufen gegen ernste Bedenken
des oder der Meister, denen die Beaufsichtigung der Maschinen obliegt. — Der
Kanonenreisende, der fast ausschließlich mit staatlichen Behörden zu tun hat,
ist, wenigstens im deutschen Inlande, ausschließlich an Qualität und Preis
gebunden, er ist bei einer intakten Heeresverwaltung nicht abhängig vom guten
Willen Nachgeordneter oder gar Subalterner Stellen, wenn diese auch gelegentliche
Schwierigkeiten bereiten können. Ich meine: die Firma Krupp hat die durch
ihre Branche gezogenen Grenzen nicht respektiert, wenn sie das, sagen wir ruhig,
aristokratische Geschäft in die Hände von Subalternen legte und wenn sie
der Auskundschaftung des deutschen inneren Marktes eine auf Nachgeordnete
Stellen des Kriegsministeriums eingerichtete Organisation gab. Brand, ein
früherer Unteroffizier, erhielt ein Gehalt von siebentausend Mark und außerdem
noch fünftausend Mark Repräsentationsgelder! Wohl gemerkt: ein Unteroffizier,
der weder ein Erfindergenie noch ein großzügiger Verkäufer ist.

Die gegenwärtige Organisation des Kruppschen Nachrichtendienstes beruht
auf falschen Grundsätzen. Sie entbehrt der Ethik, an die die Firma Krupp
nun einmal gebunden ist: der Chef einer Privatfirma, der der Ehre teilhaftig
wird, das Reichsoberhaupt freundschaftlich in seinem Hause zu bewirten, darf
durch seine verantwortlichen Direktoren nicht in die Lage gebracht werden, Be¬
amte besolden zu müssen, die Staatsdiener zum Bruch des Treueides gegen den
Monarchen verleiten.

Was hätte dem Herrn Kriegsminister unter den obigen Verhältnissen, wenn
er schon auf die Mitwirkung der bürgerlichen Parlamentsfraktionen verzichten


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[0265] Krupp febern, Briefpapier und Konfektion recht, ist für Kanonen und Kriegsfahrzeuge billig; wer für den Markt produziert, muß den Markt mit allen seinen Eigen¬ arten, Ansprüchen und auch seine, denselben Markt aufsuchende Konkurrenz kennen; somit handelte Krupp als Waffenproduzent und Waffenhändler nicht weniger ehrenhaft und korrekt, wie als Verkäufer von Friedensmaterial, wenn er seine Berliner Vertretung modern aufbaute; um gerecht zu sein, muß man sich nur vergegenwärtigen, wie schwer es ist, Kanonen auch an den preußischen Staat zu verkaufen: vom ersten Versuch mit Kruppschem Kanonenstahl bis zur Bestellung von dreihundert Rohrblöcken durch die preußische Armeeverwaltung find rund fünfzehn Jahre (1844 bis 1859) ins Land gegangen; inzwischen ist das Geschäft aber unendlich komplizierter geworden: nicht nur die Konkurrenz macht es heißer, auch die Zahl der mit den Kanonen eng zusammenhängenden Artikel, der Munition, optischen Hilfsmittel, Ausrüstungsgegenstände, ist auf viele Tausende gestiegen und damit ist auch die Vielgestaltigkeit der Abnahme¬ organisationen gewachsen. Dennoch! Jede Branche hat ihre Sitten und Gebräuche: Usancen, ihren ungeschriebenen Ehrenkodex, den niemand ungestraft verletzen darf. Der Ver¬ käufer technischer Öle ist gezwungen, die Maschinenmeister für seine spezielle Schmierölsorte freundlich zu stimmen, weil es hundert gleichwertige Sorten gibt und kein Fabrikdirektor es wagen dürfte, Öl einzukaufen gegen ernste Bedenken des oder der Meister, denen die Beaufsichtigung der Maschinen obliegt. — Der Kanonenreisende, der fast ausschließlich mit staatlichen Behörden zu tun hat, ist, wenigstens im deutschen Inlande, ausschließlich an Qualität und Preis gebunden, er ist bei einer intakten Heeresverwaltung nicht abhängig vom guten Willen Nachgeordneter oder gar Subalterner Stellen, wenn diese auch gelegentliche Schwierigkeiten bereiten können. Ich meine: die Firma Krupp hat die durch ihre Branche gezogenen Grenzen nicht respektiert, wenn sie das, sagen wir ruhig, aristokratische Geschäft in die Hände von Subalternen legte und wenn sie der Auskundschaftung des deutschen inneren Marktes eine auf Nachgeordnete Stellen des Kriegsministeriums eingerichtete Organisation gab. Brand, ein früherer Unteroffizier, erhielt ein Gehalt von siebentausend Mark und außerdem noch fünftausend Mark Repräsentationsgelder! Wohl gemerkt: ein Unteroffizier, der weder ein Erfindergenie noch ein großzügiger Verkäufer ist. Die gegenwärtige Organisation des Kruppschen Nachrichtendienstes beruht auf falschen Grundsätzen. Sie entbehrt der Ethik, an die die Firma Krupp nun einmal gebunden ist: der Chef einer Privatfirma, der der Ehre teilhaftig wird, das Reichsoberhaupt freundschaftlich in seinem Hause zu bewirten, darf durch seine verantwortlichen Direktoren nicht in die Lage gebracht werden, Be¬ amte besolden zu müssen, die Staatsdiener zum Bruch des Treueides gegen den Monarchen verleiten. Was hätte dem Herrn Kriegsminister unter den obigen Verhältnissen, wenn er schon auf die Mitwirkung der bürgerlichen Parlamentsfraktionen verzichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/265>, abgerufen am 22.12.2024.