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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Krupp

Die Berliner Vertretung für Kriegsmaterial ist erst in den letzten zehn
oder zwölf Jahren eingerichtet worden. Früher genügte ein Ingenieur, der
die Abnehmer von Friedensmaterial besuchte und ihnen schnell gewünschte Aus¬
kunft gab. Die Beziehungen zu den Staatsbehörden wurden von der Essener
Zentrale direkt gepflegt. Den Verkehr mit dem Kriegsministerium und dem
Auswärtigen Amt besorgte der inzwischen verstorbene Direktor Menshausen ent¬
weder persönlich oder durch Vermittlung eines seiner Assistenten, die sowohl als
frühere Staatsbeamte, wie auch durch persönliche und verwandtschaftliche Be¬
ziehungen ohne weiteres direkten Zutritt zu den höchsten Regierungsstellen hatten.
Im vornehmen geselligen Verkehr wurden die geschäftlichen Beziehungen taktvoll
gepflegt und ausgebaut, lernten die Vertreter der Firma die Ansprüche des
Staates kennen. Es war eine fein-durchgeistigte Atmosphäre, die den Kreis
um Krupp umschloß, -- das Geschäft hatte ein aristokratisches und ungemein
anziehendes Gepräge. Allen Feinden des Großkapitals konnte gerade die
vornehme, kultivierte Form des Geschäftsbetriebes bei Krupp als eine höchst
erfreuliche Erscheinung entgegengehalten werden.

Natürlich war eine solche Geschäftsführung schwierig. Sie erforderte aus¬
gezeichnete Leiter, Männer von größter persönlicher Erfahrung, die, selbst auf
dem höchsten Kultur- und Bildungsniveau stehend, stark genug waren, sich mit
starken Persönlichkeiten umgeben zu können und mit ihnen zusammen zu arbeiten,
die es infolgedessen auch verschmähen durften, für besondere Zwecke Kreaturen
zu gebrauchen, die vielleicht einmal den Namen der Firma gefährden konnten.
Nach Menshausens Fortfall hat man versucht, die hervorragende Persönlichkeit
durch eine zweckmäßigere Organisation zu ersetzen. Jetzt gibt es in Berlin ein
großes Bureau, über dem ein Direktor schwebt, dem mehrere Artillerieoffiziere,
Kaufleute, Agenten usw. angehören, mit einem Wort, ein ganzer Stab von
Beamten; schließlich ist auch noch eine besondere Filiale des Pressebureaus zum
Verkehr mit der Berliner Journalistik eingerichtet.

Unter diesen Voraussetzungen kann die Firma die Verantwortung für die
Tätigkeit Brands nicht ablehnen, selbst dann, wenn das Gesamtdirektorium
überhaupt keine Kenntnis von ihr erhalten hat, weil es sich um einen Posten
handelte, für den die Anstellungsbedingungen sehr wohl nur dem Ressortdirektor
bekannt gegeben zu werden brauchten. Aber selbst in diesem Falle bleibt die
Verantwortung bei der Firma bestehen, denn sie hat die Berliner Organisation
genehmigt. An dieser Verantwortlichkeit könnte auch dann nicht gerüttelt
werden, wenn es wahr sein sollte, daß die Organisation auf die Anregung
eines früheren Kriegsministers hin geschaffen wurde.




Nun wird der Leser fragen: wozu das alles? Die Firma Krupp trägt
eben modernen Anforderungen Rechnung; die alten Methoden reichen nicht mehr
aus; das Geschäft ist breiter geworden, die Konkurrenz schärfer; was für Stahl-


Krupp

Die Berliner Vertretung für Kriegsmaterial ist erst in den letzten zehn
oder zwölf Jahren eingerichtet worden. Früher genügte ein Ingenieur, der
die Abnehmer von Friedensmaterial besuchte und ihnen schnell gewünschte Aus¬
kunft gab. Die Beziehungen zu den Staatsbehörden wurden von der Essener
Zentrale direkt gepflegt. Den Verkehr mit dem Kriegsministerium und dem
Auswärtigen Amt besorgte der inzwischen verstorbene Direktor Menshausen ent¬
weder persönlich oder durch Vermittlung eines seiner Assistenten, die sowohl als
frühere Staatsbeamte, wie auch durch persönliche und verwandtschaftliche Be¬
ziehungen ohne weiteres direkten Zutritt zu den höchsten Regierungsstellen hatten.
Im vornehmen geselligen Verkehr wurden die geschäftlichen Beziehungen taktvoll
gepflegt und ausgebaut, lernten die Vertreter der Firma die Ansprüche des
Staates kennen. Es war eine fein-durchgeistigte Atmosphäre, die den Kreis
um Krupp umschloß, — das Geschäft hatte ein aristokratisches und ungemein
anziehendes Gepräge. Allen Feinden des Großkapitals konnte gerade die
vornehme, kultivierte Form des Geschäftsbetriebes bei Krupp als eine höchst
erfreuliche Erscheinung entgegengehalten werden.

Natürlich war eine solche Geschäftsführung schwierig. Sie erforderte aus¬
gezeichnete Leiter, Männer von größter persönlicher Erfahrung, die, selbst auf
dem höchsten Kultur- und Bildungsniveau stehend, stark genug waren, sich mit
starken Persönlichkeiten umgeben zu können und mit ihnen zusammen zu arbeiten,
die es infolgedessen auch verschmähen durften, für besondere Zwecke Kreaturen
zu gebrauchen, die vielleicht einmal den Namen der Firma gefährden konnten.
Nach Menshausens Fortfall hat man versucht, die hervorragende Persönlichkeit
durch eine zweckmäßigere Organisation zu ersetzen. Jetzt gibt es in Berlin ein
großes Bureau, über dem ein Direktor schwebt, dem mehrere Artillerieoffiziere,
Kaufleute, Agenten usw. angehören, mit einem Wort, ein ganzer Stab von
Beamten; schließlich ist auch noch eine besondere Filiale des Pressebureaus zum
Verkehr mit der Berliner Journalistik eingerichtet.

Unter diesen Voraussetzungen kann die Firma die Verantwortung für die
Tätigkeit Brands nicht ablehnen, selbst dann, wenn das Gesamtdirektorium
überhaupt keine Kenntnis von ihr erhalten hat, weil es sich um einen Posten
handelte, für den die Anstellungsbedingungen sehr wohl nur dem Ressortdirektor
bekannt gegeben zu werden brauchten. Aber selbst in diesem Falle bleibt die
Verantwortung bei der Firma bestehen, denn sie hat die Berliner Organisation
genehmigt. An dieser Verantwortlichkeit könnte auch dann nicht gerüttelt
werden, wenn es wahr sein sollte, daß die Organisation auf die Anregung
eines früheren Kriegsministers hin geschaffen wurde.




Nun wird der Leser fragen: wozu das alles? Die Firma Krupp trägt
eben modernen Anforderungen Rechnung; die alten Methoden reichen nicht mehr
aus; das Geschäft ist breiter geworden, die Konkurrenz schärfer; was für Stahl-


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[0264] Krupp Die Berliner Vertretung für Kriegsmaterial ist erst in den letzten zehn oder zwölf Jahren eingerichtet worden. Früher genügte ein Ingenieur, der die Abnehmer von Friedensmaterial besuchte und ihnen schnell gewünschte Aus¬ kunft gab. Die Beziehungen zu den Staatsbehörden wurden von der Essener Zentrale direkt gepflegt. Den Verkehr mit dem Kriegsministerium und dem Auswärtigen Amt besorgte der inzwischen verstorbene Direktor Menshausen ent¬ weder persönlich oder durch Vermittlung eines seiner Assistenten, die sowohl als frühere Staatsbeamte, wie auch durch persönliche und verwandtschaftliche Be¬ ziehungen ohne weiteres direkten Zutritt zu den höchsten Regierungsstellen hatten. Im vornehmen geselligen Verkehr wurden die geschäftlichen Beziehungen taktvoll gepflegt und ausgebaut, lernten die Vertreter der Firma die Ansprüche des Staates kennen. Es war eine fein-durchgeistigte Atmosphäre, die den Kreis um Krupp umschloß, — das Geschäft hatte ein aristokratisches und ungemein anziehendes Gepräge. Allen Feinden des Großkapitals konnte gerade die vornehme, kultivierte Form des Geschäftsbetriebes bei Krupp als eine höchst erfreuliche Erscheinung entgegengehalten werden. Natürlich war eine solche Geschäftsführung schwierig. Sie erforderte aus¬ gezeichnete Leiter, Männer von größter persönlicher Erfahrung, die, selbst auf dem höchsten Kultur- und Bildungsniveau stehend, stark genug waren, sich mit starken Persönlichkeiten umgeben zu können und mit ihnen zusammen zu arbeiten, die es infolgedessen auch verschmähen durften, für besondere Zwecke Kreaturen zu gebrauchen, die vielleicht einmal den Namen der Firma gefährden konnten. Nach Menshausens Fortfall hat man versucht, die hervorragende Persönlichkeit durch eine zweckmäßigere Organisation zu ersetzen. Jetzt gibt es in Berlin ein großes Bureau, über dem ein Direktor schwebt, dem mehrere Artillerieoffiziere, Kaufleute, Agenten usw. angehören, mit einem Wort, ein ganzer Stab von Beamten; schließlich ist auch noch eine besondere Filiale des Pressebureaus zum Verkehr mit der Berliner Journalistik eingerichtet. Unter diesen Voraussetzungen kann die Firma die Verantwortung für die Tätigkeit Brands nicht ablehnen, selbst dann, wenn das Gesamtdirektorium überhaupt keine Kenntnis von ihr erhalten hat, weil es sich um einen Posten handelte, für den die Anstellungsbedingungen sehr wohl nur dem Ressortdirektor bekannt gegeben zu werden brauchten. Aber selbst in diesem Falle bleibt die Verantwortung bei der Firma bestehen, denn sie hat die Berliner Organisation genehmigt. An dieser Verantwortlichkeit könnte auch dann nicht gerüttelt werden, wenn es wahr sein sollte, daß die Organisation auf die Anregung eines früheren Kriegsministers hin geschaffen wurde. Nun wird der Leser fragen: wozu das alles? Die Firma Krupp trägt eben modernen Anforderungen Rechnung; die alten Methoden reichen nicht mehr aus; das Geschäft ist breiter geworden, die Konkurrenz schärfer; was für Stahl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/264>, abgerufen am 22.12.2024.