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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Krupp

Direktor der Aktiengesellschaft Friedrich Krupp jede Verantwortung für die
Tätigkeit des Beamten seiner Firma ablehnt und sich auf den Standpunkt stellt,
daß das Direktorium davon überhaupt nichts zu wissen brauche" wenn weiter
derselbe Direktor von Ehrgeiz an untergeordneten Stellen, Bedeutungslosigkeiten
und ähnlichem spricht. Wenn es sich bei der Angelegenheit um eine Firma
der Alteisenbranche handelte, die mit einem Heer von selbständigen, lediglich
auf Provisionen angewiesenen Agenten, Zwischenhändlern und Sammlern zu
arbeiten gezwungen ist, würden wir über die Angelegenheit kein Wort verlieren,
würden wir uns stillschweigend der Ansicht Hugenbergs anschließen. Räudige
Schafe gibt es überall und wenn staatliche Lagerbeamte gelegentlich nicht ge¬
nügend Charakterstärke erwiesen haben, so trifft dafür die betreffende Behörde,
die bei der Auswahl der Beamten nicht sorgfältig genug vorgegangen ist, zu¬
meist der größte Teil der Schuld. Die Werft- und Eisenbahnmaterialprozesse
haben keinen verständigen Menschen aufgeregt, so bedauerlich sie an sich waren;
sie deckten lokale Mißstände auf, die sich von Zeit zu Zeit wiederholen werden,
solange wir Menschen bleiben.

Die Tätigkeit des "unteren" Privatbeamten Brand fällt unter ganz andere
Gesichtspunkte. Herrn Hugenbergs Anschauung widerspricht nicht nur dem
Generalregulativ, sie widerspricht auch der gesamten historischen Entwicklung der
Firma, über die das von ihr selbst herausgegebene, bei Gustav Fischer in Jena
erschienene Jubiläumswerk "Krupp 1812--1912" in glänzender Form
unterrichtet.

Wer es nicht mit eigenen Augen beobachtet hat, dem wird es beim Studium
des genannten Werkes recht klar, daß alle Angehörigen der Firma Krupp zu¬
sammengehalten werden durch ein besonders starkes Band; dem kommt es auch
klar zum Bewußtsein, warum trotz schärfsten gegenseitigen Wettbewerbes zwischen
ihnen eine äußerst weitgehende Solidarität besteht, eine Solidarität, wie sie sonst
eigentlich nur in gut geleiteten Staatsbehörden zu finden ist, und daß schließlich
eine sehr fein ausgebildete Zentralinstanz die Tätigkeit jedes einzelnen Beamten
bis ins kleinste regelt und überwacht, ihm freilich genügend großen Spielraum
lassend, seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Beziehungen vollständig im Dienst
der Firma zu verbrauchen. Nicht umsonst fühlen sich die Beamten der Firma
als eine Elite unter den Jndustriebeamten, nicht umsonst und auch nicht un¬
berechtigt wurde der Begriff eines Staates Krupp geprägt, eines Staates mit
fest gesteckten Zielen, dessen Verfassung auf Krupps Generalregulativ von 1872
beruht.

Aber nicht nur die frühere Entwicklung der Firma berechtigt von einer
Verantwortlichkeit der Direktion für das geschäftliche Treiben ihrer Beamten zu
sprechen. Auch die Maßnahmen und organisatorischen Änderungen der jüngsten
Zeit, die Besetzung der einzelnen Posten, alles weist direkt darauf hin, daß die
Direktion planmäßig einen Teil der inneren Organisation der Firma aus¬
gebaut hat.'


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Krupp

Direktor der Aktiengesellschaft Friedrich Krupp jede Verantwortung für die
Tätigkeit des Beamten seiner Firma ablehnt und sich auf den Standpunkt stellt,
daß das Direktorium davon überhaupt nichts zu wissen brauche» wenn weiter
derselbe Direktor von Ehrgeiz an untergeordneten Stellen, Bedeutungslosigkeiten
und ähnlichem spricht. Wenn es sich bei der Angelegenheit um eine Firma
der Alteisenbranche handelte, die mit einem Heer von selbständigen, lediglich
auf Provisionen angewiesenen Agenten, Zwischenhändlern und Sammlern zu
arbeiten gezwungen ist, würden wir über die Angelegenheit kein Wort verlieren,
würden wir uns stillschweigend der Ansicht Hugenbergs anschließen. Räudige
Schafe gibt es überall und wenn staatliche Lagerbeamte gelegentlich nicht ge¬
nügend Charakterstärke erwiesen haben, so trifft dafür die betreffende Behörde,
die bei der Auswahl der Beamten nicht sorgfältig genug vorgegangen ist, zu¬
meist der größte Teil der Schuld. Die Werft- und Eisenbahnmaterialprozesse
haben keinen verständigen Menschen aufgeregt, so bedauerlich sie an sich waren;
sie deckten lokale Mißstände auf, die sich von Zeit zu Zeit wiederholen werden,
solange wir Menschen bleiben.

Die Tätigkeit des „unteren" Privatbeamten Brand fällt unter ganz andere
Gesichtspunkte. Herrn Hugenbergs Anschauung widerspricht nicht nur dem
Generalregulativ, sie widerspricht auch der gesamten historischen Entwicklung der
Firma, über die das von ihr selbst herausgegebene, bei Gustav Fischer in Jena
erschienene Jubiläumswerk „Krupp 1812—1912" in glänzender Form
unterrichtet.

Wer es nicht mit eigenen Augen beobachtet hat, dem wird es beim Studium
des genannten Werkes recht klar, daß alle Angehörigen der Firma Krupp zu¬
sammengehalten werden durch ein besonders starkes Band; dem kommt es auch
klar zum Bewußtsein, warum trotz schärfsten gegenseitigen Wettbewerbes zwischen
ihnen eine äußerst weitgehende Solidarität besteht, eine Solidarität, wie sie sonst
eigentlich nur in gut geleiteten Staatsbehörden zu finden ist, und daß schließlich
eine sehr fein ausgebildete Zentralinstanz die Tätigkeit jedes einzelnen Beamten
bis ins kleinste regelt und überwacht, ihm freilich genügend großen Spielraum
lassend, seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Beziehungen vollständig im Dienst
der Firma zu verbrauchen. Nicht umsonst fühlen sich die Beamten der Firma
als eine Elite unter den Jndustriebeamten, nicht umsonst und auch nicht un¬
berechtigt wurde der Begriff eines Staates Krupp geprägt, eines Staates mit
fest gesteckten Zielen, dessen Verfassung auf Krupps Generalregulativ von 1872
beruht.

Aber nicht nur die frühere Entwicklung der Firma berechtigt von einer
Verantwortlichkeit der Direktion für das geschäftliche Treiben ihrer Beamten zu
sprechen. Auch die Maßnahmen und organisatorischen Änderungen der jüngsten
Zeit, die Besetzung der einzelnen Posten, alles weist direkt darauf hin, daß die
Direktion planmäßig einen Teil der inneren Organisation der Firma aus¬
gebaut hat.'


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[0263] Krupp Direktor der Aktiengesellschaft Friedrich Krupp jede Verantwortung für die Tätigkeit des Beamten seiner Firma ablehnt und sich auf den Standpunkt stellt, daß das Direktorium davon überhaupt nichts zu wissen brauche» wenn weiter derselbe Direktor von Ehrgeiz an untergeordneten Stellen, Bedeutungslosigkeiten und ähnlichem spricht. Wenn es sich bei der Angelegenheit um eine Firma der Alteisenbranche handelte, die mit einem Heer von selbständigen, lediglich auf Provisionen angewiesenen Agenten, Zwischenhändlern und Sammlern zu arbeiten gezwungen ist, würden wir über die Angelegenheit kein Wort verlieren, würden wir uns stillschweigend der Ansicht Hugenbergs anschließen. Räudige Schafe gibt es überall und wenn staatliche Lagerbeamte gelegentlich nicht ge¬ nügend Charakterstärke erwiesen haben, so trifft dafür die betreffende Behörde, die bei der Auswahl der Beamten nicht sorgfältig genug vorgegangen ist, zu¬ meist der größte Teil der Schuld. Die Werft- und Eisenbahnmaterialprozesse haben keinen verständigen Menschen aufgeregt, so bedauerlich sie an sich waren; sie deckten lokale Mißstände auf, die sich von Zeit zu Zeit wiederholen werden, solange wir Menschen bleiben. Die Tätigkeit des „unteren" Privatbeamten Brand fällt unter ganz andere Gesichtspunkte. Herrn Hugenbergs Anschauung widerspricht nicht nur dem Generalregulativ, sie widerspricht auch der gesamten historischen Entwicklung der Firma, über die das von ihr selbst herausgegebene, bei Gustav Fischer in Jena erschienene Jubiläumswerk „Krupp 1812—1912" in glänzender Form unterrichtet. Wer es nicht mit eigenen Augen beobachtet hat, dem wird es beim Studium des genannten Werkes recht klar, daß alle Angehörigen der Firma Krupp zu¬ sammengehalten werden durch ein besonders starkes Band; dem kommt es auch klar zum Bewußtsein, warum trotz schärfsten gegenseitigen Wettbewerbes zwischen ihnen eine äußerst weitgehende Solidarität besteht, eine Solidarität, wie sie sonst eigentlich nur in gut geleiteten Staatsbehörden zu finden ist, und daß schließlich eine sehr fein ausgebildete Zentralinstanz die Tätigkeit jedes einzelnen Beamten bis ins kleinste regelt und überwacht, ihm freilich genügend großen Spielraum lassend, seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Beziehungen vollständig im Dienst der Firma zu verbrauchen. Nicht umsonst fühlen sich die Beamten der Firma als eine Elite unter den Jndustriebeamten, nicht umsonst und auch nicht un¬ berechtigt wurde der Begriff eines Staates Krupp geprägt, eines Staates mit fest gesteckten Zielen, dessen Verfassung auf Krupps Generalregulativ von 1872 beruht. Aber nicht nur die frühere Entwicklung der Firma berechtigt von einer Verantwortlichkeit der Direktion für das geschäftliche Treiben ihrer Beamten zu sprechen. Auch die Maßnahmen und organisatorischen Änderungen der jüngsten Zeit, die Besetzung der einzelnen Posten, alles weist direkt darauf hin, daß die Direktion planmäßig einen Teil der inneren Organisation der Firma aus¬ gebaut hat.' 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/263>, abgerufen am 27.07.2024.