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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

anderen Seite will die, wie mir scheint, ganz das eigene Interesse verdienende
Politik Lord Palmerstons die Unterdrückung der Unionfrage um jeden Preis,
und da jene Wirtschaft dazu dient, so mag Sir Henry Bulwer vorgezogen haben,
lieber gar keine Notiz von ihr zu nehmen.

Der russische Kommissär Mr. Basily ist vielleicht auch aus Absicht in
Bukarest zurückgeblieben, um die Kommissäre vorläufig den trotz des orientalischen
Kriegs noch immer überwiegenden Einfluß Rußlands, und daß alle Blicke des
hiesigen Landes doch nach Se. Petersburg gerichtet sind, empfinden zu lassen.
Und in der Tat haben wir diesen Einfluß empfunden, denn an vielen Orten
haben uns die Bojaren gesagt: wie dankbar würden wir der Kommission sein,
wenn sie uns auch nur den vierten Teil der Wohltaten in Wirklichkeit zuwenden
könnte, die wir Nußland verdanken, denn was wir Gutes besitzen, besitzen wir
lediglich durch seinen Kaiser. Er wird uns, wenn es andere nicht können, auch
von der Paschawirtschaft befreien, die gegenwärtig, und nach dem Frieden von
Paris, weit schwerer auf uns lastet, als je zuvor.

Was kann nun diesen Verhältnissen gegenüber die Aufgabe Preußens sein?

Es dürfte, wenn es nur erlaubt ist, meine Ansicht hierüber ehrfurchtsvoll
auszusprechen, zunächst darauf ankommen, sich zu vergewissern: ob Frankreich
in der Tat sich in Beziehung auf die Frage des fremden Fürsten England
gegenüber schon definitiv gebunden hat.

Baron Tallenrand wiederholt mir stets, daß er hierüber keine irgend posi¬
tive Äußerung besitze; die vorgedachten Instruktionen desselben lassen doch auf
irgendwelche mehr oder minder bindende Erklärung schließen. Wäre noch die
Möglichkeit vorhanden, Frankreich zu einer Wendung zu bestimmen, welche die
Frage des fremden Fürsten offen ließe, so scheint mir, daß unsererseits hierin
keine Zeit verloren werden dürfte, und daß dabei von allen den Gründen Ge¬
brauch gemacht werden könnte, die ich soeben alleruntertänigst angeführt habe.

Sind aber einmal bindende Erklärungen von Frankreich in dieser Richtung
erfolgt, so ist auch von den Arbeiten der Kommission irgendein ersprießliches
Resultat nicht mehr zu erwarten. Es dürfte dann nur darauf ankommen, das
Teilnahmerecht Preußens als Großmacht an den Verhandlungen selbst zu wahren,
im übrigen aber durch ein passives und zuwartendes Verhalten des Kommissars
ohne alle Aktion zu erkennen zu geben, und fühlen zu lassen, daß in den Augen
Ew. Königlichen Majestät die Angelegenheit ihre Wichtigkeit verloren und der
künftigen Organisation bereits im voraus ihre Spitze abgebrochen ist.

Der Königlich sardinische Kommissär teilt vollkommen meine Ansicht über
diesen Punkt; er wie ich glauben, daß uns durch die eingetretene Wendung und
den Befund der hiesigen Zustände, an denen sich die ganze Lage der Sache abspiegelt,
eine nur noch größere Reserve aufgelegt worden ist. Ew. Königlichen Majestät
wage ich es hiernach um Allerhöchstdero Verhaltungsbefehl hierüber allerunter¬
tänigst zu bitten.




An der Wiege des Königreichs Rumänien

anderen Seite will die, wie mir scheint, ganz das eigene Interesse verdienende
Politik Lord Palmerstons die Unterdrückung der Unionfrage um jeden Preis,
und da jene Wirtschaft dazu dient, so mag Sir Henry Bulwer vorgezogen haben,
lieber gar keine Notiz von ihr zu nehmen.

Der russische Kommissär Mr. Basily ist vielleicht auch aus Absicht in
Bukarest zurückgeblieben, um die Kommissäre vorläufig den trotz des orientalischen
Kriegs noch immer überwiegenden Einfluß Rußlands, und daß alle Blicke des
hiesigen Landes doch nach Se. Petersburg gerichtet sind, empfinden zu lassen.
Und in der Tat haben wir diesen Einfluß empfunden, denn an vielen Orten
haben uns die Bojaren gesagt: wie dankbar würden wir der Kommission sein,
wenn sie uns auch nur den vierten Teil der Wohltaten in Wirklichkeit zuwenden
könnte, die wir Nußland verdanken, denn was wir Gutes besitzen, besitzen wir
lediglich durch seinen Kaiser. Er wird uns, wenn es andere nicht können, auch
von der Paschawirtschaft befreien, die gegenwärtig, und nach dem Frieden von
Paris, weit schwerer auf uns lastet, als je zuvor.

Was kann nun diesen Verhältnissen gegenüber die Aufgabe Preußens sein?

Es dürfte, wenn es nur erlaubt ist, meine Ansicht hierüber ehrfurchtsvoll
auszusprechen, zunächst darauf ankommen, sich zu vergewissern: ob Frankreich
in der Tat sich in Beziehung auf die Frage des fremden Fürsten England
gegenüber schon definitiv gebunden hat.

Baron Tallenrand wiederholt mir stets, daß er hierüber keine irgend posi¬
tive Äußerung besitze; die vorgedachten Instruktionen desselben lassen doch auf
irgendwelche mehr oder minder bindende Erklärung schließen. Wäre noch die
Möglichkeit vorhanden, Frankreich zu einer Wendung zu bestimmen, welche die
Frage des fremden Fürsten offen ließe, so scheint mir, daß unsererseits hierin
keine Zeit verloren werden dürfte, und daß dabei von allen den Gründen Ge¬
brauch gemacht werden könnte, die ich soeben alleruntertänigst angeführt habe.

Sind aber einmal bindende Erklärungen von Frankreich in dieser Richtung
erfolgt, so ist auch von den Arbeiten der Kommission irgendein ersprießliches
Resultat nicht mehr zu erwarten. Es dürfte dann nur darauf ankommen, das
Teilnahmerecht Preußens als Großmacht an den Verhandlungen selbst zu wahren,
im übrigen aber durch ein passives und zuwartendes Verhalten des Kommissars
ohne alle Aktion zu erkennen zu geben, und fühlen zu lassen, daß in den Augen
Ew. Königlichen Majestät die Angelegenheit ihre Wichtigkeit verloren und der
künftigen Organisation bereits im voraus ihre Spitze abgebrochen ist.

Der Königlich sardinische Kommissär teilt vollkommen meine Ansicht über
diesen Punkt; er wie ich glauben, daß uns durch die eingetretene Wendung und
den Befund der hiesigen Zustände, an denen sich die ganze Lage der Sache abspiegelt,
eine nur noch größere Reserve aufgelegt worden ist. Ew. Königlichen Majestät
wage ich es hiernach um Allerhöchstdero Verhaltungsbefehl hierüber allerunter¬
tänigst zu bitten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/238>, abgerufen am 27.07.2024.