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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Bismarcks

gewinnen. Wenn man die kühle diplomatische Geschichtsschreibung Snbels liest,
ahnt man nicht, mit welcher Leidenschaft die sich gegenüberstehenden Parteien
um den entscheidenden Einfluß auf den König rangen.

Benedetti gegenüber hat Bismarck in dieser Zeit die Äußerung getan:
Der König ist so geartet, daß man, um ihn zur Einforderung eines Rechts
zu bestimmen, beweisen muß, daß andere es ihm bestreiten. Aber wenn er
überzeugt ist, daß man seine Autorität mißachtet, daß man ihren Gebrauch
einzuschränken wagt, so kann man energische Beschlüsse vorschlagen, ohne die
Besorgnis, er werde sie ablehnen.

Aus dieser Erkenntnis heraus wird Bismarck nicht müde, das Rechts¬
empfinden des Königs als seinen besten Bundesgenossen wachzurufen. Es war
ihm schon gelungen, die ursprüngliche Sympathie des Königs für den Herzog
von Augustenburg dadurch in das Gegenteil zu verkehren, daß er immer wieder
die Frage erörterte: Darf der Erbprinz von Augustenburg in Kiel Wohnsitz
nehmen, sich mit einer Regierung umgeben, sich als Herzog von Schleswig-
Holstein huldigen lassen, obwohl der Wiener Friede und der Gasteiner Vertrag
den Herrschern von Preußen und Österreich den souveränen Besitz der Herzog¬
tümer zugesprochen haben? Ist es nicht ein unerhörter Eingriff in die verbrieften
Rechte des Königs von Preußen? Besonders beeinflußte er damals den König
durch den Nachweis, daß der Herzog in engster Verbindung mit der deutschen
Bewegungspartei stände und von ihr, die durchaus in den Ideen des Jahres 1848
wurzele, Durchsetzung seiner Ansprüche erwarte. Bismarck selbst hat diese
nationale Bewegung nicht eben hoch eingeschätzt. Er bezeichnete ihre Führer
als Schwätzer und Schwindler, sprach von Bierhaus-Enthustasmus und er¬
wartete von ihr im Ernstfall keinen Schuß und wenig Groschen. Anders der
König. Er war davon überzeugt, daß die demokratische Partei absichtlich oder
unwillkürlich Anarchie und Königsmord herbeiführe. Diese pessimistische Auf.
fafsung war aus seinen Erlebnissen und Eindrücken im Jahre 1848 entsprungen.
Es war ja für ihn die schmerzlichste Erinnerung seines Lebens, daß er sich im
März 1848 in der Kleidung eines Dieners den seitens des Pöbels drohenden
Mißhandlungen hatte entziehen müssen.

Bei diesem Gedankengang des Königs war es Bismarck höchst willkommen,
daß die österreichische Regierung, bald nachdem Graf Mensdorff Minister¬
präsident geworden war. den Herzog von Augustenburg als ihren Kandidaten
für die Herzogtümer feierlich proklamierte. Denn nun konnte Bismarck die in
ihrer Wirkung schon erprobten Vorhaltungen wiederholen, besonders als der
österreichische Statthalter Versammlungen und Umtriebe zugunsten des Herzogs
ruhig gewähren ließ. Bereits am 26. Januar 1866 beklagte sich eine preußische
Note darüber, daß die österreichische Regierung in den Herzogtümern Mittel
der Aufwiegelung gegen Preußen in Bewegung setzte. Das war die Tonart,
die beim König auf besonderes Verständnis stieß: Österreich, seither der Hort
der Legitimität, jetzt der Feind feierlich abgeschlossener Verträge I


Fürstliche Gegner Bismarcks

gewinnen. Wenn man die kühle diplomatische Geschichtsschreibung Snbels liest,
ahnt man nicht, mit welcher Leidenschaft die sich gegenüberstehenden Parteien
um den entscheidenden Einfluß auf den König rangen.

Benedetti gegenüber hat Bismarck in dieser Zeit die Äußerung getan:
Der König ist so geartet, daß man, um ihn zur Einforderung eines Rechts
zu bestimmen, beweisen muß, daß andere es ihm bestreiten. Aber wenn er
überzeugt ist, daß man seine Autorität mißachtet, daß man ihren Gebrauch
einzuschränken wagt, so kann man energische Beschlüsse vorschlagen, ohne die
Besorgnis, er werde sie ablehnen.

Aus dieser Erkenntnis heraus wird Bismarck nicht müde, das Rechts¬
empfinden des Königs als seinen besten Bundesgenossen wachzurufen. Es war
ihm schon gelungen, die ursprüngliche Sympathie des Königs für den Herzog
von Augustenburg dadurch in das Gegenteil zu verkehren, daß er immer wieder
die Frage erörterte: Darf der Erbprinz von Augustenburg in Kiel Wohnsitz
nehmen, sich mit einer Regierung umgeben, sich als Herzog von Schleswig-
Holstein huldigen lassen, obwohl der Wiener Friede und der Gasteiner Vertrag
den Herrschern von Preußen und Österreich den souveränen Besitz der Herzog¬
tümer zugesprochen haben? Ist es nicht ein unerhörter Eingriff in die verbrieften
Rechte des Königs von Preußen? Besonders beeinflußte er damals den König
durch den Nachweis, daß der Herzog in engster Verbindung mit der deutschen
Bewegungspartei stände und von ihr, die durchaus in den Ideen des Jahres 1848
wurzele, Durchsetzung seiner Ansprüche erwarte. Bismarck selbst hat diese
nationale Bewegung nicht eben hoch eingeschätzt. Er bezeichnete ihre Führer
als Schwätzer und Schwindler, sprach von Bierhaus-Enthustasmus und er¬
wartete von ihr im Ernstfall keinen Schuß und wenig Groschen. Anders der
König. Er war davon überzeugt, daß die demokratische Partei absichtlich oder
unwillkürlich Anarchie und Königsmord herbeiführe. Diese pessimistische Auf.
fafsung war aus seinen Erlebnissen und Eindrücken im Jahre 1848 entsprungen.
Es war ja für ihn die schmerzlichste Erinnerung seines Lebens, daß er sich im
März 1848 in der Kleidung eines Dieners den seitens des Pöbels drohenden
Mißhandlungen hatte entziehen müssen.

Bei diesem Gedankengang des Königs war es Bismarck höchst willkommen,
daß die österreichische Regierung, bald nachdem Graf Mensdorff Minister¬
präsident geworden war. den Herzog von Augustenburg als ihren Kandidaten
für die Herzogtümer feierlich proklamierte. Denn nun konnte Bismarck die in
ihrer Wirkung schon erprobten Vorhaltungen wiederholen, besonders als der
österreichische Statthalter Versammlungen und Umtriebe zugunsten des Herzogs
ruhig gewähren ließ. Bereits am 26. Januar 1866 beklagte sich eine preußische
Note darüber, daß die österreichische Regierung in den Herzogtümern Mittel
der Aufwiegelung gegen Preußen in Bewegung setzte. Das war die Tonart,
die beim König auf besonderes Verständnis stieß: Österreich, seither der Hort
der Legitimität, jetzt der Feind feierlich abgeschlossener Verträge I


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/23>, abgerufen am 21.12.2024.