Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten sondern auch quantitativ weit höhere Summe menschlicher Arbeitskraft zu größerer Doch läßt sich mit all diesen Momenten, da ihre Bedeutung im großen *) Eiche Mentzol und v. Lengerkes Landwirtschaftlicher Kalender. Grenzboten II 1918
Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten sondern auch quantitativ weit höhere Summe menschlicher Arbeitskraft zu größerer Doch läßt sich mit all diesen Momenten, da ihre Bedeutung im großen *) Eiche Mentzol und v. Lengerkes Landwirtschaftlicher Kalender. Grenzboten II 1918
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325693"/> <fw type="header" place="top"> Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten</fw><lb/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> sondern auch quantitativ weit höhere Summe menschlicher Arbeitskraft zu größerer<lb/> Leistung in gleicher Zeit und auf gleicher Fläche. Trotz Mitberücksichtigung<lb/> der Saisonarbeiter stieg die Zahl der überhaupt verfügbaren Arbeitskräfte in<lb/> den Kolonien regelmäßig auf das eineinhalb- bis zweifache der früheren Zahl,<lb/> während umgekehrt dieZahl der uninteressierten fremden Arbeiter um ungefähr eben¬<lb/> soviel sank. Dabei zeichnet den Arbeitsapparat des bäuerlichen Betriebes eine viel<lb/> größere Elastizität vor dem des Großbetriebes aus. In den Zeiten höchsten<lb/> Arbeitsbedarfs nämlich, besonders zur Zeit der Ernte, treten die Kinder der<lb/> Bauern und die Altsitzer, soweit dies irgend möglich, unterstützend hinzu, nicht<lb/> zwar so, daß sie an der Erntearbeit selbst teilnehmen, wohl aber so, daß sie in<lb/> Haus und Hof die weniger dringlichen Arbeiten wahrnehmen und dadurch sämt¬<lb/> liche vollwertigen Kräfte für das Hauptarbeitsbedürfnis freimachen. Auf diese<lb/> Weise vermag der Arbeitsapparat des bäuerlichen Betriebes den hohen Anforde¬<lb/> rungen der Ernte usw. viel schneller gerecht zu werden als selbst der durch<lb/> Saisonarbeiter verstärkte des Großbetriebes. Von welch hoher Bedeutung aber<lb/> die Rechtzeitigkeit der Erledigung landwirtschaftlicher Arbeiten ist, weiß jeder<lb/> praktische Landwirt, bedeutet doch eine nicht rechtzeitig fertig gewordene Be¬<lb/> stellung nur allzuoft einen Ausfall von 1 Doppelzentner Ernte und mehr pro<lb/> Hektar. Und nicht anders steht es mit den Strenkornverlusten und verregnetem<lb/> Getreide bei der Ernte, die regelmäßig und ganz überwiegend den Großgrund¬<lb/> besitz treffen. Selbst bei gleicher Ernte auf dem Felde kommt bei dem bäuer¬<lb/> lichen Wirt mehr in die Scheuern und in die Säcke und damit auch mehr in<lb/> die Wirtschaftskasse.</p><lb/> <p xml:id="ID_698" next="#ID_699"> Doch läßt sich mit all diesen Momenten, da ihre Bedeutung im großen<lb/> und ganzen für alle Jahre die gleiche ist, nicht die rapide Steigerung von Jahr<lb/> zu Jahr erklären. Hier tritt das zweite oben angeführte Moment in sein<lb/> Recht. Parallel mit dem Viehstand wächst die Menge verfügbaren Stallmistes<lb/> und parallel mit ihr auf dem Felde der Ertrag, der seinerseits wieder auf die<lb/> Vermehrung von Viehstand und Stalldung zurückwirkt. Erst nach ungefähr<lb/> sechs Jahren hat in den Siedlungen die Viehzahl eine ungefähr gleichbleibende<lb/> Höhe erreicht, eine Höhe, an die der Gutsbetrieb nicht entfernt heranreicht. In<lb/> den vier Kolonien kamen pro 10 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 7.3 bis<lb/> W.l Stück Großvieh, während bei Gütern und Parallelgütern nur 3.3 brs 4.5<lb/> darauf entfielen. Die verfügbare Menge von Stalldung berechnet sich daher<lb/> unter Zugrundelegung der Wolff-Lehmannschen Tabellen») zusammen in den mer<lb/> Kolonien auf rund 190 000 Doppelzentner gegenüber rund 87 000 Doppelzentner<lb/> auf den früheren Gütern. Welche Bedeutung diese Massen für den physikalischen<lb/> Zustand des Bodens, für die Bodengare und Fruchtbarkeit haben, braucht einem<lb/> Landwirt nicht auseinandergesetzt werden. Diejenigen, die dafür em naher-<lb/> Lehendes Interesse haben, verweise ich auf K. von Rümkers „Tagesfragen", Heft III</p><lb/> <note xml:id="FID_25" place="foot"> *) Eiche Mentzol und v. Lengerkes Landwirtschaftlicher Kalender.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1918</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
Der wirtschaftliche Wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten
sondern auch quantitativ weit höhere Summe menschlicher Arbeitskraft zu größerer
Leistung in gleicher Zeit und auf gleicher Fläche. Trotz Mitberücksichtigung
der Saisonarbeiter stieg die Zahl der überhaupt verfügbaren Arbeitskräfte in
den Kolonien regelmäßig auf das eineinhalb- bis zweifache der früheren Zahl,
während umgekehrt dieZahl der uninteressierten fremden Arbeiter um ungefähr eben¬
soviel sank. Dabei zeichnet den Arbeitsapparat des bäuerlichen Betriebes eine viel
größere Elastizität vor dem des Großbetriebes aus. In den Zeiten höchsten
Arbeitsbedarfs nämlich, besonders zur Zeit der Ernte, treten die Kinder der
Bauern und die Altsitzer, soweit dies irgend möglich, unterstützend hinzu, nicht
zwar so, daß sie an der Erntearbeit selbst teilnehmen, wohl aber so, daß sie in
Haus und Hof die weniger dringlichen Arbeiten wahrnehmen und dadurch sämt¬
liche vollwertigen Kräfte für das Hauptarbeitsbedürfnis freimachen. Auf diese
Weise vermag der Arbeitsapparat des bäuerlichen Betriebes den hohen Anforde¬
rungen der Ernte usw. viel schneller gerecht zu werden als selbst der durch
Saisonarbeiter verstärkte des Großbetriebes. Von welch hoher Bedeutung aber
die Rechtzeitigkeit der Erledigung landwirtschaftlicher Arbeiten ist, weiß jeder
praktische Landwirt, bedeutet doch eine nicht rechtzeitig fertig gewordene Be¬
stellung nur allzuoft einen Ausfall von 1 Doppelzentner Ernte und mehr pro
Hektar. Und nicht anders steht es mit den Strenkornverlusten und verregnetem
Getreide bei der Ernte, die regelmäßig und ganz überwiegend den Großgrund¬
besitz treffen. Selbst bei gleicher Ernte auf dem Felde kommt bei dem bäuer¬
lichen Wirt mehr in die Scheuern und in die Säcke und damit auch mehr in
die Wirtschaftskasse.
Doch läßt sich mit all diesen Momenten, da ihre Bedeutung im großen
und ganzen für alle Jahre die gleiche ist, nicht die rapide Steigerung von Jahr
zu Jahr erklären. Hier tritt das zweite oben angeführte Moment in sein
Recht. Parallel mit dem Viehstand wächst die Menge verfügbaren Stallmistes
und parallel mit ihr auf dem Felde der Ertrag, der seinerseits wieder auf die
Vermehrung von Viehstand und Stalldung zurückwirkt. Erst nach ungefähr
sechs Jahren hat in den Siedlungen die Viehzahl eine ungefähr gleichbleibende
Höhe erreicht, eine Höhe, an die der Gutsbetrieb nicht entfernt heranreicht. In
den vier Kolonien kamen pro 10 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 7.3 bis
W.l Stück Großvieh, während bei Gütern und Parallelgütern nur 3.3 brs 4.5
darauf entfielen. Die verfügbare Menge von Stalldung berechnet sich daher
unter Zugrundelegung der Wolff-Lehmannschen Tabellen») zusammen in den mer
Kolonien auf rund 190 000 Doppelzentner gegenüber rund 87 000 Doppelzentner
auf den früheren Gütern. Welche Bedeutung diese Massen für den physikalischen
Zustand des Bodens, für die Bodengare und Fruchtbarkeit haben, braucht einem
Landwirt nicht auseinandergesetzt werden. Diejenigen, die dafür em naher-
Lehendes Interesse haben, verweise ich auf K. von Rümkers „Tagesfragen", Heft III
*) Eiche Mentzol und v. Lengerkes Landwirtschaftlicher Kalender.
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