Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten Ernte werden in ein und derselben Gegend zu gleicher Zeit ungefähr vorgenommen. Doch nun zu dem Vergleiche selbst. Er setzt dem Wirrwarr von durch- Es liegt in diesen Sätzen nach zweifacher Richtung hin eine Täuschung Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten Ernte werden in ein und derselben Gegend zu gleicher Zeit ungefähr vorgenommen. Doch nun zu dem Vergleiche selbst. Er setzt dem Wirrwarr von durch- Es liegt in diesen Sätzen nach zweifacher Richtung hin eine Täuschung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325689"/> <fw type="header" place="top"> Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten</fw><lb/> <p xml:id="ID_684" prev="#ID_683"> Ernte werden in ein und derselben Gegend zu gleicher Zeit ungefähr vorgenommen.<lb/> Darum kann man sich kaum vorstellen, daß z. B. eine Mähmaschine mehrere<lb/> Landwirte zu bedienen bestimmt wäre, denn mit dem Mähen kann eben, wenn<lb/> das Getreide schnittreif ist. nicht gewartet werden. Ähnliches gilt auch für die<lb/> Drillmaschine." Die rentable Ausnutzung einer Maschine richtet sich nicht danach,<lb/> wem und wieviele« sie in einer Erntezeit dienstbar ist, sondern danach, welche<lb/> Fläche und mit welchem Aufwand von sonstiger Arbeitskraft sie diese Fläche in<lb/> der gegebenen Zeit bearbeitet. Auch der Großgrundbesitzer kann eine Maschine,<lb/> wie Chlapowski glauben zu machen scheint, nicht auf mehreren Feldern gleich¬<lb/> zeitig verwenden. Daß aber die Eile der Arbeit, die Ausnutzung jeder verfüg¬<lb/> baren Viertelstunde die Anspannung aller Kräfte im Kleinbetriebe eine bei weitem<lb/> größere ist, gibt er selbst zu. Falls also eine genossenschaftlich genutzte Maschine<lb/> nicht zeitweise ganz stille steht — und es müßte eine klägliche Genossenschaft<lb/> sein, wo dies trotz Vorteils der Maschinenarbeit der Fall ist — wird die<lb/> Maschine hier zu mindestens ebenso großer Ausnutzung gelangen müssen wie im<lb/> Großbetriebe. Tritt aber bei der einen oder anderen Maschine wirklich eine<lb/> Minderleistung ein, so spielt sie gegenüber der von Chlapowski selbst auf 25<lb/> Prozent geschätzten größeren Leistung der durch das eigene Interesse getriebenen<lb/> menschlichen Arbeitskräfte bei der schließlichen Summierung der Arbeitsleistungen<lb/> keine Rolle mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_685"> Doch nun zu dem Vergleiche selbst. Er setzt dem Wirrwarr von durch-<lb/> einandergewürfelten privat- und volkswirtschaftlichen Auseinandersetzungen, von<lb/> Annahmen, Behauptungen und ungerechtfertigten Schlüssen, die hier unmöglich<lb/> alle zurechtgerückt werden können, die Krone auf. Chlapowski stellt fest, daß<lb/> von feiten der Ansiedler, die bis 1910 angesetzt worden sind, an Renten und<lb/> Pachter pro Jahr 6,36 Mark an den Staat gezahlt wurden. . Unter Berück¬<lb/> sichtigung nur derer, die in den letzten Jahren und zwar seit 1904 lüll. ihre<lb/> Stelle bezogen haben, erhöht sich diese Zahl auf 7,97 Mark. Dieses Renten-<lb/> aufkommen, in dem die Pachter eine untergeordnete Rolle spielen, setzt er in<lb/> Vergleich mit dem Reinertrage der Großbetriebe. Er sagt: „Wie nimmt sich<lb/> der berechnete Rentenfuß den Zahlen gegenüber aus. die wir im zweiten Ab¬<lb/> schnitt dieser Arbeit kennen gelernt haben? Im Großbetriebe werden, sobald die<lb/> Vorbedingungen für einen intensiven Betrieb gegeben sind und bei befriedigen¬<lb/> den Kulturzustande Reinertrage erzielt, die die üblichen Ansiedlerrenten um das<lb/> Vierfache, ja noch mehr übertreffen. Ist es unter solchen Umständen nicht<lb/> gerechtfertigt, die Ansiedler als Staatspensionäre auf Kosten der Allgemeinheit<lb/> zu bezeichnen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_686" next="#ID_687"> Es liegt in diesen Sätzen nach zweifacher Richtung hin eine Täuschung<lb/> des Sachunkundigen Lesers vor. Erstens vergleicht Chlapowski Reinertrag und<lb/> Rente, zwei schlechterdings nicht vergleichbare Dinge. Das eine, die Rente, ist<lb/> der Zins für eine Schuld, die in den allermeisten Fällen nicht einmal den Welt<lb/> des nackten Grund und Bodens erreicht, je nachdem, wieviel der Ansiedler dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
Der wirtschaftliche wert der bäuerlichen Kolonisation im Osten
Ernte werden in ein und derselben Gegend zu gleicher Zeit ungefähr vorgenommen.
Darum kann man sich kaum vorstellen, daß z. B. eine Mähmaschine mehrere
Landwirte zu bedienen bestimmt wäre, denn mit dem Mähen kann eben, wenn
das Getreide schnittreif ist. nicht gewartet werden. Ähnliches gilt auch für die
Drillmaschine." Die rentable Ausnutzung einer Maschine richtet sich nicht danach,
wem und wieviele« sie in einer Erntezeit dienstbar ist, sondern danach, welche
Fläche und mit welchem Aufwand von sonstiger Arbeitskraft sie diese Fläche in
der gegebenen Zeit bearbeitet. Auch der Großgrundbesitzer kann eine Maschine,
wie Chlapowski glauben zu machen scheint, nicht auf mehreren Feldern gleich¬
zeitig verwenden. Daß aber die Eile der Arbeit, die Ausnutzung jeder verfüg¬
baren Viertelstunde die Anspannung aller Kräfte im Kleinbetriebe eine bei weitem
größere ist, gibt er selbst zu. Falls also eine genossenschaftlich genutzte Maschine
nicht zeitweise ganz stille steht — und es müßte eine klägliche Genossenschaft
sein, wo dies trotz Vorteils der Maschinenarbeit der Fall ist — wird die
Maschine hier zu mindestens ebenso großer Ausnutzung gelangen müssen wie im
Großbetriebe. Tritt aber bei der einen oder anderen Maschine wirklich eine
Minderleistung ein, so spielt sie gegenüber der von Chlapowski selbst auf 25
Prozent geschätzten größeren Leistung der durch das eigene Interesse getriebenen
menschlichen Arbeitskräfte bei der schließlichen Summierung der Arbeitsleistungen
keine Rolle mehr.
Doch nun zu dem Vergleiche selbst. Er setzt dem Wirrwarr von durch-
einandergewürfelten privat- und volkswirtschaftlichen Auseinandersetzungen, von
Annahmen, Behauptungen und ungerechtfertigten Schlüssen, die hier unmöglich
alle zurechtgerückt werden können, die Krone auf. Chlapowski stellt fest, daß
von feiten der Ansiedler, die bis 1910 angesetzt worden sind, an Renten und
Pachter pro Jahr 6,36 Mark an den Staat gezahlt wurden. . Unter Berück¬
sichtigung nur derer, die in den letzten Jahren und zwar seit 1904 lüll. ihre
Stelle bezogen haben, erhöht sich diese Zahl auf 7,97 Mark. Dieses Renten-
aufkommen, in dem die Pachter eine untergeordnete Rolle spielen, setzt er in
Vergleich mit dem Reinertrage der Großbetriebe. Er sagt: „Wie nimmt sich
der berechnete Rentenfuß den Zahlen gegenüber aus. die wir im zweiten Ab¬
schnitt dieser Arbeit kennen gelernt haben? Im Großbetriebe werden, sobald die
Vorbedingungen für einen intensiven Betrieb gegeben sind und bei befriedigen¬
den Kulturzustande Reinertrage erzielt, die die üblichen Ansiedlerrenten um das
Vierfache, ja noch mehr übertreffen. Ist es unter solchen Umständen nicht
gerechtfertigt, die Ansiedler als Staatspensionäre auf Kosten der Allgemeinheit
zu bezeichnen?"
Es liegt in diesen Sätzen nach zweifacher Richtung hin eine Täuschung
des Sachunkundigen Lesers vor. Erstens vergleicht Chlapowski Reinertrag und
Rente, zwei schlechterdings nicht vergleichbare Dinge. Das eine, die Rente, ist
der Zins für eine Schuld, die in den allermeisten Fällen nicht einmal den Welt
des nackten Grund und Bodens erreicht, je nachdem, wieviel der Ansiedler dem
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