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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Rcichskriegsschatz und Ulährung

durch die Ausgaben der kleinen Noten, die sich die Reichsbank so angelegen
sein läßt und mit der sie -- fast unbegreiflicherweise -- fast nirgends auf
einen ernstlichen Widerspruch gestoßen ist. Mit den kleinen Noten verfolgt die
Reichsbank das Ziel, das im freien Verkehr im Übermaß zirkulierende Gold in
ihre Kassen zu leiten. Kleine Noten bleiben nämlich wie Papiergeld im Verkehr
und finden, einmal in denselben eingedrungen, nur in beschränktem Maße den
Rückweg zur Bank behufs Einlösung. Aus diesem Grunde wirken auch die
kleinen Noten, wenn massenhaft in Umlauf, ähnlich wie das Papiergeld. Die
Bank erhöht zwar anfänglich ihre Goldbestände, aber die Überfüllung des
Verkehrs mit diesen Noten muß eine Abdrängung des zirkulierenden Goldgeldes
nach dem Auslande zur Folge haben. Wir schlagen daher einen abschüssigen
Weg ein, wenn wir mit allen Kräften unterwertige Zahlungsmittel in den
Verkehr pressen. Die Reichsbank hat schon gegen Ende des vorigen Jahres
nicht weniger als 350 Millionen kleiner Noten dem Verkehr aufoktroyiert,
obwohl ihr dazu eine ausdrückliche Befugnis nicht zustand. Sie hat sich förmlich
daran gewöhnt, in diesen kleinen Noten ein Allheilmittel gegen den Goldabflutz
zu erblicken. Eine gefährliche Anschauungsweisel Man darf diese Bedenken
nicht damit beschwichtigen wollen, daß, augenblicklich von einer inflationistischen
Wirkung zu sprechen, eine Übertreibung sein würde. Naturgemäß zeigen sich
die Wirkungen einer Geldverschlechterung erst allmählich und später, um dann
in kritischen Momenten sich besonders verderblich fühlbar zu machen. Mit
aller Entschiedenheit muß man darauf hinweisen, daß Papiergeld, übermäßiger
Umlauf an Scheidemünzen und kleinen Noten tatsächlich eine Verschlechterung
der Währung darstellen. Die Folgen können unmöglich ausbleiben, denn wirt¬
schaftliche Gesetze vollziehen sich mit unerbittlicher Notwendigkeit.

Zu diesen Bedenken gesellt sich nun noch das weitere, daß infolge der
Vermehrung des Silbergeldes und der Ausgabe von Kassenscheinen auch die
Notendeckung der Reichsbank verschlechtert werden muß. Denn die Drittel¬
deckung der Noten wird faktisch aufgehoben, wenn in diese unterwertiges Silber
oder Papiergeld in erheblichen Summen als voll eingerechnet wird. Die
Notendeckung in bar hat nur dann einen Sinn, wenn sie in Währungsmetall
vorhanden ist. Schon jetzt ist daher die zugelassene Einrechnung von Scheide¬
münzen und Kassenscheinen eine Durchbrechung des Prinzips. Diese Durch¬
brechung würde aber einer völligen Aufhebung gleichkommen, wenn zur Krisen¬
zeit die Silberreserve schlechtweg als Notendeckung verwandt wird.




Man kann also die Borschläge der Reichsregierung hinsichtlich der Ver¬
mehrung des Neichskriegsschatzes nur mit geteilten Gefühlen betrachten. Die
Frage, ob sich denn etwas Besseres an deren Stelle setzen läßt, ist natürlich
nicht leicht zu beantworten. Wenn aber doch schon die Klinke der Gesetz¬
gebung in die Hand genommen werden muß, so ist es vielleicht besser, dies


Rcichskriegsschatz und Ulährung

durch die Ausgaben der kleinen Noten, die sich die Reichsbank so angelegen
sein läßt und mit der sie — fast unbegreiflicherweise — fast nirgends auf
einen ernstlichen Widerspruch gestoßen ist. Mit den kleinen Noten verfolgt die
Reichsbank das Ziel, das im freien Verkehr im Übermaß zirkulierende Gold in
ihre Kassen zu leiten. Kleine Noten bleiben nämlich wie Papiergeld im Verkehr
und finden, einmal in denselben eingedrungen, nur in beschränktem Maße den
Rückweg zur Bank behufs Einlösung. Aus diesem Grunde wirken auch die
kleinen Noten, wenn massenhaft in Umlauf, ähnlich wie das Papiergeld. Die
Bank erhöht zwar anfänglich ihre Goldbestände, aber die Überfüllung des
Verkehrs mit diesen Noten muß eine Abdrängung des zirkulierenden Goldgeldes
nach dem Auslande zur Folge haben. Wir schlagen daher einen abschüssigen
Weg ein, wenn wir mit allen Kräften unterwertige Zahlungsmittel in den
Verkehr pressen. Die Reichsbank hat schon gegen Ende des vorigen Jahres
nicht weniger als 350 Millionen kleiner Noten dem Verkehr aufoktroyiert,
obwohl ihr dazu eine ausdrückliche Befugnis nicht zustand. Sie hat sich förmlich
daran gewöhnt, in diesen kleinen Noten ein Allheilmittel gegen den Goldabflutz
zu erblicken. Eine gefährliche Anschauungsweisel Man darf diese Bedenken
nicht damit beschwichtigen wollen, daß, augenblicklich von einer inflationistischen
Wirkung zu sprechen, eine Übertreibung sein würde. Naturgemäß zeigen sich
die Wirkungen einer Geldverschlechterung erst allmählich und später, um dann
in kritischen Momenten sich besonders verderblich fühlbar zu machen. Mit
aller Entschiedenheit muß man darauf hinweisen, daß Papiergeld, übermäßiger
Umlauf an Scheidemünzen und kleinen Noten tatsächlich eine Verschlechterung
der Währung darstellen. Die Folgen können unmöglich ausbleiben, denn wirt¬
schaftliche Gesetze vollziehen sich mit unerbittlicher Notwendigkeit.

Zu diesen Bedenken gesellt sich nun noch das weitere, daß infolge der
Vermehrung des Silbergeldes und der Ausgabe von Kassenscheinen auch die
Notendeckung der Reichsbank verschlechtert werden muß. Denn die Drittel¬
deckung der Noten wird faktisch aufgehoben, wenn in diese unterwertiges Silber
oder Papiergeld in erheblichen Summen als voll eingerechnet wird. Die
Notendeckung in bar hat nur dann einen Sinn, wenn sie in Währungsmetall
vorhanden ist. Schon jetzt ist daher die zugelassene Einrechnung von Scheide¬
münzen und Kassenscheinen eine Durchbrechung des Prinzips. Diese Durch¬
brechung würde aber einer völligen Aufhebung gleichkommen, wenn zur Krisen¬
zeit die Silberreserve schlechtweg als Notendeckung verwandt wird.




Man kann also die Borschläge der Reichsregierung hinsichtlich der Ver¬
mehrung des Neichskriegsschatzes nur mit geteilten Gefühlen betrachten. Die
Frage, ob sich denn etwas Besseres an deren Stelle setzen läßt, ist natürlich
nicht leicht zu beantworten. Wenn aber doch schon die Klinke der Gesetz¬
gebung in die Hand genommen werden muß, so ist es vielleicht besser, dies


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[0147] Rcichskriegsschatz und Ulährung durch die Ausgaben der kleinen Noten, die sich die Reichsbank so angelegen sein läßt und mit der sie — fast unbegreiflicherweise — fast nirgends auf einen ernstlichen Widerspruch gestoßen ist. Mit den kleinen Noten verfolgt die Reichsbank das Ziel, das im freien Verkehr im Übermaß zirkulierende Gold in ihre Kassen zu leiten. Kleine Noten bleiben nämlich wie Papiergeld im Verkehr und finden, einmal in denselben eingedrungen, nur in beschränktem Maße den Rückweg zur Bank behufs Einlösung. Aus diesem Grunde wirken auch die kleinen Noten, wenn massenhaft in Umlauf, ähnlich wie das Papiergeld. Die Bank erhöht zwar anfänglich ihre Goldbestände, aber die Überfüllung des Verkehrs mit diesen Noten muß eine Abdrängung des zirkulierenden Goldgeldes nach dem Auslande zur Folge haben. Wir schlagen daher einen abschüssigen Weg ein, wenn wir mit allen Kräften unterwertige Zahlungsmittel in den Verkehr pressen. Die Reichsbank hat schon gegen Ende des vorigen Jahres nicht weniger als 350 Millionen kleiner Noten dem Verkehr aufoktroyiert, obwohl ihr dazu eine ausdrückliche Befugnis nicht zustand. Sie hat sich förmlich daran gewöhnt, in diesen kleinen Noten ein Allheilmittel gegen den Goldabflutz zu erblicken. Eine gefährliche Anschauungsweisel Man darf diese Bedenken nicht damit beschwichtigen wollen, daß, augenblicklich von einer inflationistischen Wirkung zu sprechen, eine Übertreibung sein würde. Naturgemäß zeigen sich die Wirkungen einer Geldverschlechterung erst allmählich und später, um dann in kritischen Momenten sich besonders verderblich fühlbar zu machen. Mit aller Entschiedenheit muß man darauf hinweisen, daß Papiergeld, übermäßiger Umlauf an Scheidemünzen und kleinen Noten tatsächlich eine Verschlechterung der Währung darstellen. Die Folgen können unmöglich ausbleiben, denn wirt¬ schaftliche Gesetze vollziehen sich mit unerbittlicher Notwendigkeit. Zu diesen Bedenken gesellt sich nun noch das weitere, daß infolge der Vermehrung des Silbergeldes und der Ausgabe von Kassenscheinen auch die Notendeckung der Reichsbank verschlechtert werden muß. Denn die Drittel¬ deckung der Noten wird faktisch aufgehoben, wenn in diese unterwertiges Silber oder Papiergeld in erheblichen Summen als voll eingerechnet wird. Die Notendeckung in bar hat nur dann einen Sinn, wenn sie in Währungsmetall vorhanden ist. Schon jetzt ist daher die zugelassene Einrechnung von Scheide¬ münzen und Kassenscheinen eine Durchbrechung des Prinzips. Diese Durch¬ brechung würde aber einer völligen Aufhebung gleichkommen, wenn zur Krisen¬ zeit die Silberreserve schlechtweg als Notendeckung verwandt wird. Man kann also die Borschläge der Reichsregierung hinsichtlich der Ver¬ mehrung des Neichskriegsschatzes nur mit geteilten Gefühlen betrachten. Die Frage, ob sich denn etwas Besseres an deren Stelle setzen läßt, ist natürlich nicht leicht zu beantworten. Wenn aber doch schon die Klinke der Gesetz¬ gebung in die Hand genommen werden muß, so ist es vielleicht besser, dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/147>, abgerufen am 27.07.2024.