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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Reichskriegsschatz und Währung

werden. Es werden also, nicht auf einmal, sondern allmählich im Lauf mehrerer
Jahre 120 Millionen Kassenscheine dem Verkehr zugeführt. Die Verwendung
der beiden Reserven ist derart gedacht, daß zunächst beide als ein unangreifbares
Depot des Reichs bei der Bank lagern; daß die Goldreserve dann im Kriegsfall
genau wie der bisherige Kriegsschatz unter den gleichen Voraussetzungen in die
Bestände der Bank überführt wird, während der Silberbestand auch schon in
anderen Fällen bei außerordentlichem Bedarf der Bank zur Verfügung gestellt
werden kann.




Diese Vorschläge bilden somit in ihrer Gesamtheit eine ziemlich komplizierte
währungspolitische Maßnahme. Sie verlangen eine Prüfung nach drei Rich¬
tungen: Ist die starke Vermehrung unfundierten Staatspapiergeldes rätlich?
Stehen der vermehrten Silberprägung Bedenken entgegen? Und welche Wir¬
kungen werden voraussichtlich beide Maßnahmen auf die Notendeckung der
Reichsbank haben?

Die Vermehrung der Reichskassenscheine ist nun zunächst unzweifelhaft eine
Maßregel, die man nicht auf die leichte Achsel nehmen sollte. Schon der Betrag
der jetzt umlaufenden 120 Millionen ist ein arger Schönheitsfehler unserer
Währung, der nur dadurch' erträglich erscheint, daß die Summe eine beschränkte
ist und der Umlauf in normalen Zeiten durch die Bestände des Reichs¬
kriegsschatzes -- nicht rechtlich, aber faktisch -- gedeckt erscheint. Anders,
wenn jetzt diese Summe verdoppelt werden soll. Dann stellen die 240
Millionen Mark schon einen beachtenswerten Faktor im Geldumlaufe Deutsch¬
lands dar und man wird sich dann mit dem Hinweis auf die
Goldbestände der Kriegsreserven nicht begnügen dürfen, weil diese ja im Ernst¬
falle nicht zur Einlösung der Kassenscheine, sondern zur Schaffung neuer
Zahlungsmittel bestimmt sind. Die Kreierung von Staatspapiergeld in so nam¬
haften Beträgen kann man nicht nur als einen Schönheitsfehler in der Währung
bezeichnen -- sie stellt einen wahren Fremdkörper dar, dessen Vorhandensein
die bedenklichsten Störungen hervorrufen kann und vielleicht hervorrufen muß.
Man darf nämlich diese 240 Millionen Staatspapiergeld nicht als eine isolierte
Maßregel betrachten.

Sie wäre auch als solche schon bedenklich genug; nun aber kommt hinzu, daß
wir durch die starke Vermehrung der Silberprägungen (20 Mark auf den Kopf
der Bevölkerung), die zudem nach dem vorliegenden Plan noch eine weitere
Erhöhung erfahren sollen, und durch die forzierte Ausgabe kleiner Noten den
Verkehr mit unterwertigen Zahlungsmitteln zu übersättigen im Begriff sind.
Das Silbergeld ist bekanntlich, da es stark unterwertig ist, insoweit ein un¬
fundiertes Kreditgeld. Es besteht daher die dringende Gefahr, daß dieser starke
Umlauf an unterwertigem Geld nach einem bekannten wirtschaftlichen Gesetz das
vollwertige Gold über die Grenzen wandern läßt. Diese Gefahr wird verstärkt


Reichskriegsschatz und Währung

werden. Es werden also, nicht auf einmal, sondern allmählich im Lauf mehrerer
Jahre 120 Millionen Kassenscheine dem Verkehr zugeführt. Die Verwendung
der beiden Reserven ist derart gedacht, daß zunächst beide als ein unangreifbares
Depot des Reichs bei der Bank lagern; daß die Goldreserve dann im Kriegsfall
genau wie der bisherige Kriegsschatz unter den gleichen Voraussetzungen in die
Bestände der Bank überführt wird, während der Silberbestand auch schon in
anderen Fällen bei außerordentlichem Bedarf der Bank zur Verfügung gestellt
werden kann.




Diese Vorschläge bilden somit in ihrer Gesamtheit eine ziemlich komplizierte
währungspolitische Maßnahme. Sie verlangen eine Prüfung nach drei Rich¬
tungen: Ist die starke Vermehrung unfundierten Staatspapiergeldes rätlich?
Stehen der vermehrten Silberprägung Bedenken entgegen? Und welche Wir¬
kungen werden voraussichtlich beide Maßnahmen auf die Notendeckung der
Reichsbank haben?

Die Vermehrung der Reichskassenscheine ist nun zunächst unzweifelhaft eine
Maßregel, die man nicht auf die leichte Achsel nehmen sollte. Schon der Betrag
der jetzt umlaufenden 120 Millionen ist ein arger Schönheitsfehler unserer
Währung, der nur dadurch' erträglich erscheint, daß die Summe eine beschränkte
ist und der Umlauf in normalen Zeiten durch die Bestände des Reichs¬
kriegsschatzes — nicht rechtlich, aber faktisch — gedeckt erscheint. Anders,
wenn jetzt diese Summe verdoppelt werden soll. Dann stellen die 240
Millionen Mark schon einen beachtenswerten Faktor im Geldumlaufe Deutsch¬
lands dar und man wird sich dann mit dem Hinweis auf die
Goldbestände der Kriegsreserven nicht begnügen dürfen, weil diese ja im Ernst¬
falle nicht zur Einlösung der Kassenscheine, sondern zur Schaffung neuer
Zahlungsmittel bestimmt sind. Die Kreierung von Staatspapiergeld in so nam¬
haften Beträgen kann man nicht nur als einen Schönheitsfehler in der Währung
bezeichnen — sie stellt einen wahren Fremdkörper dar, dessen Vorhandensein
die bedenklichsten Störungen hervorrufen kann und vielleicht hervorrufen muß.
Man darf nämlich diese 240 Millionen Staatspapiergeld nicht als eine isolierte
Maßregel betrachten.

Sie wäre auch als solche schon bedenklich genug; nun aber kommt hinzu, daß
wir durch die starke Vermehrung der Silberprägungen (20 Mark auf den Kopf
der Bevölkerung), die zudem nach dem vorliegenden Plan noch eine weitere
Erhöhung erfahren sollen, und durch die forzierte Ausgabe kleiner Noten den
Verkehr mit unterwertigen Zahlungsmitteln zu übersättigen im Begriff sind.
Das Silbergeld ist bekanntlich, da es stark unterwertig ist, insoweit ein un¬
fundiertes Kreditgeld. Es besteht daher die dringende Gefahr, daß dieser starke
Umlauf an unterwertigem Geld nach einem bekannten wirtschaftlichen Gesetz das
vollwertige Gold über die Grenzen wandern läßt. Diese Gefahr wird verstärkt


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[0146] Reichskriegsschatz und Währung werden. Es werden also, nicht auf einmal, sondern allmählich im Lauf mehrerer Jahre 120 Millionen Kassenscheine dem Verkehr zugeführt. Die Verwendung der beiden Reserven ist derart gedacht, daß zunächst beide als ein unangreifbares Depot des Reichs bei der Bank lagern; daß die Goldreserve dann im Kriegsfall genau wie der bisherige Kriegsschatz unter den gleichen Voraussetzungen in die Bestände der Bank überführt wird, während der Silberbestand auch schon in anderen Fällen bei außerordentlichem Bedarf der Bank zur Verfügung gestellt werden kann. Diese Vorschläge bilden somit in ihrer Gesamtheit eine ziemlich komplizierte währungspolitische Maßnahme. Sie verlangen eine Prüfung nach drei Rich¬ tungen: Ist die starke Vermehrung unfundierten Staatspapiergeldes rätlich? Stehen der vermehrten Silberprägung Bedenken entgegen? Und welche Wir¬ kungen werden voraussichtlich beide Maßnahmen auf die Notendeckung der Reichsbank haben? Die Vermehrung der Reichskassenscheine ist nun zunächst unzweifelhaft eine Maßregel, die man nicht auf die leichte Achsel nehmen sollte. Schon der Betrag der jetzt umlaufenden 120 Millionen ist ein arger Schönheitsfehler unserer Währung, der nur dadurch' erträglich erscheint, daß die Summe eine beschränkte ist und der Umlauf in normalen Zeiten durch die Bestände des Reichs¬ kriegsschatzes — nicht rechtlich, aber faktisch — gedeckt erscheint. Anders, wenn jetzt diese Summe verdoppelt werden soll. Dann stellen die 240 Millionen Mark schon einen beachtenswerten Faktor im Geldumlaufe Deutsch¬ lands dar und man wird sich dann mit dem Hinweis auf die Goldbestände der Kriegsreserven nicht begnügen dürfen, weil diese ja im Ernst¬ falle nicht zur Einlösung der Kassenscheine, sondern zur Schaffung neuer Zahlungsmittel bestimmt sind. Die Kreierung von Staatspapiergeld in so nam¬ haften Beträgen kann man nicht nur als einen Schönheitsfehler in der Währung bezeichnen — sie stellt einen wahren Fremdkörper dar, dessen Vorhandensein die bedenklichsten Störungen hervorrufen kann und vielleicht hervorrufen muß. Man darf nämlich diese 240 Millionen Staatspapiergeld nicht als eine isolierte Maßregel betrachten. Sie wäre auch als solche schon bedenklich genug; nun aber kommt hinzu, daß wir durch die starke Vermehrung der Silberprägungen (20 Mark auf den Kopf der Bevölkerung), die zudem nach dem vorliegenden Plan noch eine weitere Erhöhung erfahren sollen, und durch die forzierte Ausgabe kleiner Noten den Verkehr mit unterwertigen Zahlungsmitteln zu übersättigen im Begriff sind. Das Silbergeld ist bekanntlich, da es stark unterwertig ist, insoweit ein un¬ fundiertes Kreditgeld. Es besteht daher die dringende Gefahr, daß dieser starke Umlauf an unterwertigem Geld nach einem bekannten wirtschaftlichen Gesetz das vollwertige Gold über die Grenzen wandern läßt. Diese Gefahr wird verstärkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/146>, abgerufen am 27.07.2024.