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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Rcichskricgsschatz und Währung

reichen im Ernstfall nicht im entferntesten ans, die ersten Kosten der Mobil¬
machung zu bestreikn. Es besteht darüber allseitiges Einverständnis, Auch
haben uns die Erfahrungen des vergangenen halben Jahres zur Genüge er¬
kennen lassen, daß unsere finanzielle Rüstung auch nach anderer Richtung einer
Stärkung bedarf. Die bedrohlichen Erscheinungen auf dem Geldmarkt, die Über¬
anspannung der Reichsbank, die völlige Versagung des Anleihemarktes in Zeiten,
die zwar politisch beunruhigend waren, aber nicht mit den? Ausbruch eines
Krieges in Parallele gesetzt werden können, zeigen deutlich, welche Gefahren
uns drohen, wenn es eines Tages wirklich ernst werden sollte. Die Neichsbank,
die in den vergangenen schweren Monaten fast am Ende ihrer Leistungsfähigkeit
zu sein schien, muß für den Fall eines Kriegsausbruches einen derartigen Rück¬
halt haben, daß sie den ungeheuren Anforderungen nach Zahlungsmitteln, die
dann auf sie einstürmen, gewappnet gegenüber steht. Soweit die Bedürfnisse
des Staates infolge der Mobilmachung dabei in Frage kommen, ist der in baar
vorhandene Reichskriegsschatz eine treffliche Sicherung für die Bank, wenn er
eine ausreichende Höhe besitzt. Denn seine Bestände, in die Tresors der Bank
überführt, befähigen diese, dem Verkehr dafür die dreifachen Beträge in Noten
zur Verfügung zu stellen. Wird also der Kriegsschatz von 120 auf 360 Millionen
erhöht, so bedeutet das die Möglichkeit einer um eine reichliche Milliarde stärkeren
Notenausgabe. Damit könnte auch für recht beträchtliche Mehrbedürfnisse des
Augenblicks vorgesorgt werden. Erscheint somit das Ziel klar und einfach, so
ist doch der Weg, auf dem es zu erreichen ist, recht schwierig. Denn woher
das erforderliche Geld zur Stärkung des Reichskriegsschatzes nehmen, wo doch
schon die Reichsbank einen zähen Kampf zu führen hat. um ihre Bestände im
Einklang mit den normalen Anforderungen des Zahlungsverkehrs zu halten?
Eine direkte oder indirekte Schwächung der Bank muß vermieden werden; daher
ist auch die sofortige Aufbringung der erforderlichen Summe durch eine innere
Anleihe ausgeschlossen, da diese am Ende nur dazu führen könnte, das erforder¬
liche Gold den Beständen der Bank zu entnehmen. Der an sich gegebene Weg
der Aufnahme einer Anleihe im Ausland verbietet sich durch die Lage des inter¬
nationalen Geldmarktes wie durch politische Erwägungen.

Es bleibt also nur übrig, auf die inneren Goldreserven des Verkehrs zurück¬
zugreifen. Die Vorlage tut dies in einer eigentümlichen und neuartigen Weise.
Die Verstärkung des Kriegsschatzes soll dadurch erfolgen, daß zwei Reserven
geschaffen werden, eine Silber- und eine Goldreserve von je 120 Mill. Mark. Die
Silberreserve wird durch Ausprägung von Scheidemünzen über das bisher gesetzlich
festgelegte Maß hinaus hergestellt. Die notwendigen Kosten (etwa 54 Mill.
Mark) werden aus den Münzgewinnen der laufenden Silberprägungen bestritten.
Die Goldreserve dagegen will man durch Neuausgabe von 120 Millionen
Reichskassenscheinen beschaffen und zwar derart, daß eine Reihe von Jahren hin¬
durch von den Neuausprägungen an Goldmünzen bestimmte Summen, die bisher
in den inneren Verkehr übergingen, einbehalten und durch Kassenscheine ersetzt


Rcichskricgsschatz und Währung

reichen im Ernstfall nicht im entferntesten ans, die ersten Kosten der Mobil¬
machung zu bestreikn. Es besteht darüber allseitiges Einverständnis, Auch
haben uns die Erfahrungen des vergangenen halben Jahres zur Genüge er¬
kennen lassen, daß unsere finanzielle Rüstung auch nach anderer Richtung einer
Stärkung bedarf. Die bedrohlichen Erscheinungen auf dem Geldmarkt, die Über¬
anspannung der Reichsbank, die völlige Versagung des Anleihemarktes in Zeiten,
die zwar politisch beunruhigend waren, aber nicht mit den? Ausbruch eines
Krieges in Parallele gesetzt werden können, zeigen deutlich, welche Gefahren
uns drohen, wenn es eines Tages wirklich ernst werden sollte. Die Neichsbank,
die in den vergangenen schweren Monaten fast am Ende ihrer Leistungsfähigkeit
zu sein schien, muß für den Fall eines Kriegsausbruches einen derartigen Rück¬
halt haben, daß sie den ungeheuren Anforderungen nach Zahlungsmitteln, die
dann auf sie einstürmen, gewappnet gegenüber steht. Soweit die Bedürfnisse
des Staates infolge der Mobilmachung dabei in Frage kommen, ist der in baar
vorhandene Reichskriegsschatz eine treffliche Sicherung für die Bank, wenn er
eine ausreichende Höhe besitzt. Denn seine Bestände, in die Tresors der Bank
überführt, befähigen diese, dem Verkehr dafür die dreifachen Beträge in Noten
zur Verfügung zu stellen. Wird also der Kriegsschatz von 120 auf 360 Millionen
erhöht, so bedeutet das die Möglichkeit einer um eine reichliche Milliarde stärkeren
Notenausgabe. Damit könnte auch für recht beträchtliche Mehrbedürfnisse des
Augenblicks vorgesorgt werden. Erscheint somit das Ziel klar und einfach, so
ist doch der Weg, auf dem es zu erreichen ist, recht schwierig. Denn woher
das erforderliche Geld zur Stärkung des Reichskriegsschatzes nehmen, wo doch
schon die Reichsbank einen zähen Kampf zu führen hat. um ihre Bestände im
Einklang mit den normalen Anforderungen des Zahlungsverkehrs zu halten?
Eine direkte oder indirekte Schwächung der Bank muß vermieden werden; daher
ist auch die sofortige Aufbringung der erforderlichen Summe durch eine innere
Anleihe ausgeschlossen, da diese am Ende nur dazu führen könnte, das erforder¬
liche Gold den Beständen der Bank zu entnehmen. Der an sich gegebene Weg
der Aufnahme einer Anleihe im Ausland verbietet sich durch die Lage des inter¬
nationalen Geldmarktes wie durch politische Erwägungen.

Es bleibt also nur übrig, auf die inneren Goldreserven des Verkehrs zurück¬
zugreifen. Die Vorlage tut dies in einer eigentümlichen und neuartigen Weise.
Die Verstärkung des Kriegsschatzes soll dadurch erfolgen, daß zwei Reserven
geschaffen werden, eine Silber- und eine Goldreserve von je 120 Mill. Mark. Die
Silberreserve wird durch Ausprägung von Scheidemünzen über das bisher gesetzlich
festgelegte Maß hinaus hergestellt. Die notwendigen Kosten (etwa 54 Mill.
Mark) werden aus den Münzgewinnen der laufenden Silberprägungen bestritten.
Die Goldreserve dagegen will man durch Neuausgabe von 120 Millionen
Reichskassenscheinen beschaffen und zwar derart, daß eine Reihe von Jahren hin¬
durch von den Neuausprägungen an Goldmünzen bestimmte Summen, die bisher
in den inneren Verkehr übergingen, einbehalten und durch Kassenscheine ersetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/145>, abgerufen am 27.07.2024.