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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Weise verzögern, sondern ganz in Frage
stellen und die Nation inmitten einer un¬
sicheren europäischen Lage in neue innere
Wirren hineintreiben müßte."

Noch deutlicher tritt die gekennzeichnete
Tendenz im Leitartikel der Kölnischen Volks¬
zeitung Ur. 294: "Wie wird's werden?" zutage:

"Im Freisinn, heißt es da, spekuliert man
jetzt schon auf Parteischachergeschäfte auch bei
dieser Gelegenheit. Darum stichelt und bohrt
und treibt die freisinnige Presse bei den Na¬
tionalliberalen, daß sie den alten Zank¬
apfel der Erbschaftssteuer auch jetzt
wieder unter die Parteien werfen und lieber
das ganze Werk der Heeresvermehrung schei¬
tern lassen sollen, als daß sie auf diese Partei¬
forderung in: Interesse des Vaterlandes ver¬
zichten, welches die möglichst schnelle und
möglichst einige Verabschiedung der Vorlage
fordert..."

"Für den Augenblick wird die Frage:
.Wie wird's werden?' zunächst sich an die
Nationalliberalen wenden. Die National¬
liberalen können die Genugtuung empfinden,
daß bei diesem großen nationalen Werk alles
von ihnen abhängt. Bei dieser Genugtuung
liegt allerdings auch die riesengroße Ver¬
antwortung für die nationalliberale
Fraktion, daß eventuell das ganze
Werk scheitern und in einer inner¬
politischen Krise von unabsehbaren
Folgen untergehen kann, oder doch um
lange Monate verschleppt würde zum Schaden
für das Vaterland und das deutsche Ansehen.
Wenn den Parteipolitischen Forderungen im
Sinne des Freisinns gefolgt und die Erb-
chaftssteuer wieder als Zankapfel in die Be¬
ratungen hineingeworfen würde, dann trügen
vor allem die Nationalliberalen die Verant¬
wortung für alle Folgen in der inneren und
äußeren Politik."

Die Nativnalliberalen haben auf die
Drohungen der Rechten bereits durch den
Mut ihres Führers Wassermann geantwortet.
Der führte nämlich am Sonnabend in Han¬
nover aus, der Standpunkt der nationallibe¬
ralen Partei sei der, "daß sie die Ein¬
führung einer ungemeinen Besitz¬
steuer, einer Reichsvermögens- oder
Reichserbschaftssteuer nach wie vor
als eine Notwendigkeit betrachtet."

[Spaltenumbruch]

Wen wird nun die Schuld treffen, wenn
die Heeresvorlage wegen der bei der Deckungs¬
frage eintretenden Schwierigkeiten nicht zu¬
stande kommen sollte?

Ich kann nur nicht recht vorstellen, daß
die deutsch-konservative Partei lediglich aus
Scheu vor einer bestimmten Steuerart, so
sehr diese auch ihren Anschauungen zuwider
laufen mag, das Odium auf sich nehmen
wird, eine Heeresvorlage zu Fall zu bringen,
ja auch nur ihre Durchführung zu ver¬
schleppen, von der selbst das Berliner Tage¬
blatt sagt: "Kein Baterlandsfreund verlangt
eine glatte Ablehnung. Niemand ein für die
erhöhte Kriegsbereitschaft verstümmelndes
Streichen der Forderungen." Im übrigen
zeigt schon dieses Zitat, wie unberechtigt die
Verallgemeinerung der Kreuzzeitung bei An¬
gabe der Gründe für den Niedergang der
Stimmung ist.


Wenn die gehobene Stimmung bei Be¬
kanntwerden der Regierungspläne tatsächlich
einer ruhigeren, nachdenklicheren gewichen ist,
so sind daran die Parteistreitigkeiten nicht
Schuld, sondern Überlegungen sachlicher Natur.
Die Streichungsvorschläge des Herrn Major
Morals im Berliner Tageblatt kann ich natür¬
lich nicht unter die sachlichen Vorschläge rechnen.
Das find offensichtliche Konzessionen an die
demokratischen Tendenzen in der Redaktion
des Blattes, soweit es sich um die fort¬
dauernden Ausgaben 1--24 handelt, und
kaum ernst zu nehmende "Ersparnisvorschlnge"
bei den einmaligen Ausgaben. Herr Morals
will rund 75 Millionen Mark allein dadurch
sparen, daß er die Mannschaften und Pferde
statt in Kasernen in Wellblechbaracken be¬
ziehungsweise in Mietsräumen unterbringt.
Nun, wer einmal einige Wochen oder gar
Jahre in der von Herrn Morals empfohlenen
Weise untergebracht war, wird den Vorschlag
richtig einschätzen: der größte Teil der "Er¬
sparnis" ginge drauf durch erhöhten Verschleiß
an Mannschaften, Pferden und Material in¬
folge von Krankheiten und Verletzungen, --
von der Beeinträchtigung der Dienstfreudig¬
keit und des Dienstes und der Ausbildung
gar nicbt zu sprechen. Die anderen "Er¬
sparnisvorschläge" tragen so sehr den Stempel

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Weise verzögern, sondern ganz in Frage
stellen und die Nation inmitten einer un¬
sicheren europäischen Lage in neue innere
Wirren hineintreiben müßte."

Noch deutlicher tritt die gekennzeichnete
Tendenz im Leitartikel der Kölnischen Volks¬
zeitung Ur. 294: „Wie wird's werden?" zutage:

„Im Freisinn, heißt es da, spekuliert man
jetzt schon auf Parteischachergeschäfte auch bei
dieser Gelegenheit. Darum stichelt und bohrt
und treibt die freisinnige Presse bei den Na¬
tionalliberalen, daß sie den alten Zank¬
apfel der Erbschaftssteuer auch jetzt
wieder unter die Parteien werfen und lieber
das ganze Werk der Heeresvermehrung schei¬
tern lassen sollen, als daß sie auf diese Partei¬
forderung in: Interesse des Vaterlandes ver¬
zichten, welches die möglichst schnelle und
möglichst einige Verabschiedung der Vorlage
fordert..."

„Für den Augenblick wird die Frage:
.Wie wird's werden?' zunächst sich an die
Nationalliberalen wenden. Die National¬
liberalen können die Genugtuung empfinden,
daß bei diesem großen nationalen Werk alles
von ihnen abhängt. Bei dieser Genugtuung
liegt allerdings auch die riesengroße Ver¬
antwortung für die nationalliberale
Fraktion, daß eventuell das ganze
Werk scheitern und in einer inner¬
politischen Krise von unabsehbaren
Folgen untergehen kann, oder doch um
lange Monate verschleppt würde zum Schaden
für das Vaterland und das deutsche Ansehen.
Wenn den Parteipolitischen Forderungen im
Sinne des Freisinns gefolgt und die Erb-
chaftssteuer wieder als Zankapfel in die Be¬
ratungen hineingeworfen würde, dann trügen
vor allem die Nationalliberalen die Verant¬
wortung für alle Folgen in der inneren und
äußeren Politik."

Die Nativnalliberalen haben auf die
Drohungen der Rechten bereits durch den
Mut ihres Führers Wassermann geantwortet.
Der führte nämlich am Sonnabend in Han¬
nover aus, der Standpunkt der nationallibe¬
ralen Partei sei der, „daß sie die Ein¬
führung einer ungemeinen Besitz¬
steuer, einer Reichsvermögens- oder
Reichserbschaftssteuer nach wie vor
als eine Notwendigkeit betrachtet."

[Spaltenumbruch]

Wen wird nun die Schuld treffen, wenn
die Heeresvorlage wegen der bei der Deckungs¬
frage eintretenden Schwierigkeiten nicht zu¬
stande kommen sollte?

Ich kann nur nicht recht vorstellen, daß
die deutsch-konservative Partei lediglich aus
Scheu vor einer bestimmten Steuerart, so
sehr diese auch ihren Anschauungen zuwider
laufen mag, das Odium auf sich nehmen
wird, eine Heeresvorlage zu Fall zu bringen,
ja auch nur ihre Durchführung zu ver¬
schleppen, von der selbst das Berliner Tage¬
blatt sagt: „Kein Baterlandsfreund verlangt
eine glatte Ablehnung. Niemand ein für die
erhöhte Kriegsbereitschaft verstümmelndes
Streichen der Forderungen." Im übrigen
zeigt schon dieses Zitat, wie unberechtigt die
Verallgemeinerung der Kreuzzeitung bei An¬
gabe der Gründe für den Niedergang der
Stimmung ist.


Wenn die gehobene Stimmung bei Be¬
kanntwerden der Regierungspläne tatsächlich
einer ruhigeren, nachdenklicheren gewichen ist,
so sind daran die Parteistreitigkeiten nicht
Schuld, sondern Überlegungen sachlicher Natur.
Die Streichungsvorschläge des Herrn Major
Morals im Berliner Tageblatt kann ich natür¬
lich nicht unter die sachlichen Vorschläge rechnen.
Das find offensichtliche Konzessionen an die
demokratischen Tendenzen in der Redaktion
des Blattes, soweit es sich um die fort¬
dauernden Ausgaben 1—24 handelt, und
kaum ernst zu nehmende „Ersparnisvorschlnge"
bei den einmaligen Ausgaben. Herr Morals
will rund 75 Millionen Mark allein dadurch
sparen, daß er die Mannschaften und Pferde
statt in Kasernen in Wellblechbaracken be¬
ziehungsweise in Mietsräumen unterbringt.
Nun, wer einmal einige Wochen oder gar
Jahre in der von Herrn Morals empfohlenen
Weise untergebracht war, wird den Vorschlag
richtig einschätzen: der größte Teil der „Er¬
sparnis" ginge drauf durch erhöhten Verschleiß
an Mannschaften, Pferden und Material in¬
folge von Krankheiten und Verletzungen, —
von der Beeinträchtigung der Dienstfreudig¬
keit und des Dienstes und der Ausbildung
gar nicbt zu sprechen. Die anderen „Er¬
sparnisvorschläge" tragen so sehr den Stempel

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[0101] Maßgebliches und Unmaßgebliches Weise verzögern, sondern ganz in Frage stellen und die Nation inmitten einer un¬ sicheren europäischen Lage in neue innere Wirren hineintreiben müßte." Noch deutlicher tritt die gekennzeichnete Tendenz im Leitartikel der Kölnischen Volks¬ zeitung Ur. 294: „Wie wird's werden?" zutage: „Im Freisinn, heißt es da, spekuliert man jetzt schon auf Parteischachergeschäfte auch bei dieser Gelegenheit. Darum stichelt und bohrt und treibt die freisinnige Presse bei den Na¬ tionalliberalen, daß sie den alten Zank¬ apfel der Erbschaftssteuer auch jetzt wieder unter die Parteien werfen und lieber das ganze Werk der Heeresvermehrung schei¬ tern lassen sollen, als daß sie auf diese Partei¬ forderung in: Interesse des Vaterlandes ver¬ zichten, welches die möglichst schnelle und möglichst einige Verabschiedung der Vorlage fordert..." „Für den Augenblick wird die Frage: .Wie wird's werden?' zunächst sich an die Nationalliberalen wenden. Die National¬ liberalen können die Genugtuung empfinden, daß bei diesem großen nationalen Werk alles von ihnen abhängt. Bei dieser Genugtuung liegt allerdings auch die riesengroße Ver¬ antwortung für die nationalliberale Fraktion, daß eventuell das ganze Werk scheitern und in einer inner¬ politischen Krise von unabsehbaren Folgen untergehen kann, oder doch um lange Monate verschleppt würde zum Schaden für das Vaterland und das deutsche Ansehen. Wenn den Parteipolitischen Forderungen im Sinne des Freisinns gefolgt und die Erb- chaftssteuer wieder als Zankapfel in die Be¬ ratungen hineingeworfen würde, dann trügen vor allem die Nationalliberalen die Verant¬ wortung für alle Folgen in der inneren und äußeren Politik." Die Nativnalliberalen haben auf die Drohungen der Rechten bereits durch den Mut ihres Führers Wassermann geantwortet. Der führte nämlich am Sonnabend in Han¬ nover aus, der Standpunkt der nationallibe¬ ralen Partei sei der, „daß sie die Ein¬ führung einer ungemeinen Besitz¬ steuer, einer Reichsvermögens- oder Reichserbschaftssteuer nach wie vor als eine Notwendigkeit betrachtet." Wen wird nun die Schuld treffen, wenn die Heeresvorlage wegen der bei der Deckungs¬ frage eintretenden Schwierigkeiten nicht zu¬ stande kommen sollte? Ich kann nur nicht recht vorstellen, daß die deutsch-konservative Partei lediglich aus Scheu vor einer bestimmten Steuerart, so sehr diese auch ihren Anschauungen zuwider laufen mag, das Odium auf sich nehmen wird, eine Heeresvorlage zu Fall zu bringen, ja auch nur ihre Durchführung zu ver¬ schleppen, von der selbst das Berliner Tage¬ blatt sagt: „Kein Baterlandsfreund verlangt eine glatte Ablehnung. Niemand ein für die erhöhte Kriegsbereitschaft verstümmelndes Streichen der Forderungen." Im übrigen zeigt schon dieses Zitat, wie unberechtigt die Verallgemeinerung der Kreuzzeitung bei An¬ gabe der Gründe für den Niedergang der Stimmung ist. Wenn die gehobene Stimmung bei Be¬ kanntwerden der Regierungspläne tatsächlich einer ruhigeren, nachdenklicheren gewichen ist, so sind daran die Parteistreitigkeiten nicht Schuld, sondern Überlegungen sachlicher Natur. Die Streichungsvorschläge des Herrn Major Morals im Berliner Tageblatt kann ich natür¬ lich nicht unter die sachlichen Vorschläge rechnen. Das find offensichtliche Konzessionen an die demokratischen Tendenzen in der Redaktion des Blattes, soweit es sich um die fort¬ dauernden Ausgaben 1—24 handelt, und kaum ernst zu nehmende „Ersparnisvorschlnge" bei den einmaligen Ausgaben. Herr Morals will rund 75 Millionen Mark allein dadurch sparen, daß er die Mannschaften und Pferde statt in Kasernen in Wellblechbaracken be¬ ziehungsweise in Mietsräumen unterbringt. Nun, wer einmal einige Wochen oder gar Jahre in der von Herrn Morals empfohlenen Weise untergebracht war, wird den Vorschlag richtig einschätzen: der größte Teil der „Er¬ sparnis" ginge drauf durch erhöhten Verschleiß an Mannschaften, Pferden und Material in¬ folge von Krankheiten und Verletzungen, — von der Beeinträchtigung der Dienstfreudig¬ keit und des Dienstes und der Ausbildung gar nicbt zu sprechen. Die anderen „Er¬ sparnisvorschläge" tragen so sehr den Stempel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/101>, abgerufen am 27.07.2024.