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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Diplomaten-Erziehung

und was er dazu schreiben soll. Dann kommt ein Bericht von dem Gesandten,
daß er den Auftrag ausgeführt hat und ich schreibe dann das wieder an den
Kabinettssekretär. Von allen diesen Schreiben mache ich aber immer nur den
Entwurf, dieser bleibt bei unseren Akten und abgeschickt wird eine von der
Geheimen Kanzlei des Auswärtigen Amts angefertigte Reinschrift, welche dann
dem Fürsten Hohenlohe zur Unterschrift vorgelegt wird. Gegenwärtig bin ich
unter anderem auch damit beschäftigt, eine Unzahl von Gesuchen zu beantworten
von lauter Leuten, die in türkische Dienste gehen wollen. Du wirst in den
Zeitungen gelesen haben, daß man ein paar Finanzbeamte und einige Offiziere
den: Sultan auf einige Jahre überlassen will, nun kommen von allen Ecken
und Enden Leute, die sich dazu melden, um in der Türkei reich zu werden."

Kiderlen ist somit neunzehn Monate im Auswärtigen Amt beschäftigt,
aber erst seit zweieinhalb Monaten zünftiger Diplomat, -- und doch vertraut
man dem kaum Achtundzwanzigjährigen bereits einen delikaten Posten an. Daß
es sich aber wirklich um einen heiklen Auftrag handelte, beweisen die folgenden
Zeilen Holsteins, die nach Kopenhagen gerichtet sind.

"Berlin, 3. September 1880.


Lieber Herr von Kiderlen.

Nach einen? heute eingegangenen Bericht scheint es, daß Ihr Herr Amts¬
vorgänger sich noch nicht mit seiner Abreise beschäftigt. Wenn die Anzeige
morgen früh nicht hier ist, wird telegraphiert werden.

Zweck dieses ist, Ihnen zu sagen, daß Sie sich bei der Sache lediglich als
Zuschauer verhalten; ich halte für nützlich, Ihnen das noch besonders zu raten,
angesichts der Möglichkeit, daß Ouehl in seinem überreizten Zustande anders
auf Sie einzuwirken sucht. Falls Sie, wie ich fast vermute, mit Rücksicht auf
Ihre große Jugend im Dienst, dem Generalkonsul gegenüber Ihre hierarchisch
höhere Stellung nicht ohne Not accentuieren wollen, wird es doch immerhin
sich empfehlen, daß Sie Ihre Selbständigkeit nicht durch zu vieles Umratfragen
beeinträchtigen."

In lokalen Geschäftsfragen wird Hawersaat) Ihnen sichere Auskunft geben
können; in Etikettensachen wenden Sie sich an den Doyen der Gesandten, der
wahrscheinlich Mohrenheimist. Eventuell schreiben Sie mir privatim.


Waidmannsheil. Der Ihrige Holstein."




KcmMbeamter der Gesandtschaft.
russischer Gesandter, -- später Botschafter in Paris.
Diplomaten-Erziehung

und was er dazu schreiben soll. Dann kommt ein Bericht von dem Gesandten,
daß er den Auftrag ausgeführt hat und ich schreibe dann das wieder an den
Kabinettssekretär. Von allen diesen Schreiben mache ich aber immer nur den
Entwurf, dieser bleibt bei unseren Akten und abgeschickt wird eine von der
Geheimen Kanzlei des Auswärtigen Amts angefertigte Reinschrift, welche dann
dem Fürsten Hohenlohe zur Unterschrift vorgelegt wird. Gegenwärtig bin ich
unter anderem auch damit beschäftigt, eine Unzahl von Gesuchen zu beantworten
von lauter Leuten, die in türkische Dienste gehen wollen. Du wirst in den
Zeitungen gelesen haben, daß man ein paar Finanzbeamte und einige Offiziere
den: Sultan auf einige Jahre überlassen will, nun kommen von allen Ecken
und Enden Leute, die sich dazu melden, um in der Türkei reich zu werden."

Kiderlen ist somit neunzehn Monate im Auswärtigen Amt beschäftigt,
aber erst seit zweieinhalb Monaten zünftiger Diplomat, — und doch vertraut
man dem kaum Achtundzwanzigjährigen bereits einen delikaten Posten an. Daß
es sich aber wirklich um einen heiklen Auftrag handelte, beweisen die folgenden
Zeilen Holsteins, die nach Kopenhagen gerichtet sind.

„Berlin, 3. September 1880.


Lieber Herr von Kiderlen.

Nach einen? heute eingegangenen Bericht scheint es, daß Ihr Herr Amts¬
vorgänger sich noch nicht mit seiner Abreise beschäftigt. Wenn die Anzeige
morgen früh nicht hier ist, wird telegraphiert werden.

Zweck dieses ist, Ihnen zu sagen, daß Sie sich bei der Sache lediglich als
Zuschauer verhalten; ich halte für nützlich, Ihnen das noch besonders zu raten,
angesichts der Möglichkeit, daß Ouehl in seinem überreizten Zustande anders
auf Sie einzuwirken sucht. Falls Sie, wie ich fast vermute, mit Rücksicht auf
Ihre große Jugend im Dienst, dem Generalkonsul gegenüber Ihre hierarchisch
höhere Stellung nicht ohne Not accentuieren wollen, wird es doch immerhin
sich empfehlen, daß Sie Ihre Selbständigkeit nicht durch zu vieles Umratfragen
beeinträchtigen."

In lokalen Geschäftsfragen wird Hawersaat) Ihnen sichere Auskunft geben
können; in Etikettensachen wenden Sie sich an den Doyen der Gesandten, der
wahrscheinlich Mohrenheimist. Eventuell schreiben Sie mir privatim.


Waidmannsheil. Der Ihrige Holstein."




KcmMbeamter der Gesandtschaft.
russischer Gesandter, — später Botschafter in Paris.
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[0605] Diplomaten-Erziehung und was er dazu schreiben soll. Dann kommt ein Bericht von dem Gesandten, daß er den Auftrag ausgeführt hat und ich schreibe dann das wieder an den Kabinettssekretär. Von allen diesen Schreiben mache ich aber immer nur den Entwurf, dieser bleibt bei unseren Akten und abgeschickt wird eine von der Geheimen Kanzlei des Auswärtigen Amts angefertigte Reinschrift, welche dann dem Fürsten Hohenlohe zur Unterschrift vorgelegt wird. Gegenwärtig bin ich unter anderem auch damit beschäftigt, eine Unzahl von Gesuchen zu beantworten von lauter Leuten, die in türkische Dienste gehen wollen. Du wirst in den Zeitungen gelesen haben, daß man ein paar Finanzbeamte und einige Offiziere den: Sultan auf einige Jahre überlassen will, nun kommen von allen Ecken und Enden Leute, die sich dazu melden, um in der Türkei reich zu werden." Kiderlen ist somit neunzehn Monate im Auswärtigen Amt beschäftigt, aber erst seit zweieinhalb Monaten zünftiger Diplomat, — und doch vertraut man dem kaum Achtundzwanzigjährigen bereits einen delikaten Posten an. Daß es sich aber wirklich um einen heiklen Auftrag handelte, beweisen die folgenden Zeilen Holsteins, die nach Kopenhagen gerichtet sind. „Berlin, 3. September 1880. Lieber Herr von Kiderlen. Nach einen? heute eingegangenen Bericht scheint es, daß Ihr Herr Amts¬ vorgänger sich noch nicht mit seiner Abreise beschäftigt. Wenn die Anzeige morgen früh nicht hier ist, wird telegraphiert werden. Zweck dieses ist, Ihnen zu sagen, daß Sie sich bei der Sache lediglich als Zuschauer verhalten; ich halte für nützlich, Ihnen das noch besonders zu raten, angesichts der Möglichkeit, daß Ouehl in seinem überreizten Zustande anders auf Sie einzuwirken sucht. Falls Sie, wie ich fast vermute, mit Rücksicht auf Ihre große Jugend im Dienst, dem Generalkonsul gegenüber Ihre hierarchisch höhere Stellung nicht ohne Not accentuieren wollen, wird es doch immerhin sich empfehlen, daß Sie Ihre Selbständigkeit nicht durch zu vieles Umratfragen beeinträchtigen." In lokalen Geschäftsfragen wird Hawersaat) Ihnen sichere Auskunft geben können; in Etikettensachen wenden Sie sich an den Doyen der Gesandten, der wahrscheinlich Mohrenheimist. Eventuell schreiben Sie mir privatim. Waidmannsheil. Der Ihrige Holstein." KcmMbeamter der Gesandtschaft. russischer Gesandter, — später Botschafter in Paris.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/605>, abgerufen am 22.07.2024.