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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Diplomaten-Erziehung

sind noch in der Abteilung der bekannte Lothar Bucher, ein etwas grämlicher
alter Herr, der aber sehr vergnügt war, als er an meiner Sprache hörte, daß
ich Süddeutscher sei; ferner Graf Nantzcm, Bismarcks Schwiegersohn; der aus
dem Arnimprozeß bekannte Herr von Holstein, der Artur von Florenz her
kannte und mir sagte, er habe an letzterem eine große Stütze gehabt; ferner
der Geheime Rat Busch, früher Generalkonsul in Budapest, und endlich der
Legationsrat Rudolf Lindau, Bruder des Paul Lindau, Redakteur der Gegen¬
wart. -- Was man hier zu lesen bekommt, ist hochinteressant und wenn man
morgens die eingegangenen Depeschen liest, kann man sich ein gutes Teil
Zeitungslesen sparen. . .

"Berlin, den 28. August 1880.

. . . Soeben war . . . Geh. Rat Busch bei mir, um mich zu fragen, ob
ich nicht für vierzehn Tage oder drei Wochen als Geschäftsträger nach Kopen¬
hagen gehen wollte. Du hast vielleicht in der Zeitung gelesen, daß unser
g,mi Magnus bei einem zu Ehren der französischen Schauspielerin Sarah Bern¬
hard gegebenen Diner einen törichten Toast ausbrachte und dadurch sich un¬
möglich gemacht hat. Du kannst Dir denken, daß ich mit Freuden zugesagt
habe; denn erstlich ist es sehr interessant in geschäftlicher Hinsicht; zweitens
mache ich auf des Reiches Kosten eine hübsche Reise und drittens wird es auf
meinen Urlaub keinen nachteiligen Einfluß ausüben, da ich nur solange hin¬
gehe, bis der dortige etatsmäßige Legationssekretär Graf Goltz von seinem
Urlaub zurück ist. Die Sachs ist aber noch keineswegs sicher, sondern bis jetzt
bloß eine Anfrage, also sprich bitte zu niemand davon. Was meine Tätigkeit
hier betrifft, so arbeite ich im allgemeinen unter der Leitung des Geh. Rat
Busch in der orientalischen Frage. Sehr interessant ist es, daß man jeden
Morgen sämtliche eingegangenen Telegramme und Berichte zu lesen bekommt,
die zum Teil die wichtigsten Staatsgeheimnisse enthalten. Dann muß ich jeden
Tag ein Dutzend Zeitungen lesen, deutsch, französisch, englisch. Letzteres machte
mir anfangs viele Mühe, doch habe ich mich jetzt ziemlich hineingearbeitet. Auch
habe ich schon verschiedene politische und nichtpolitische Artikel für die Zeitungen
geschrieben. Erstere darf ich Dir leider nicht mitteilen, da niemand wissen darf,
daß sie vom Auswärtigen Amt ausgehen. Die nichtpolitischen sind nur unter¬
geordneter Natur, anbei schicke ich Dir eine Probe.

Seitdem Legationsrat Lindau in Urlaub ist, habe ich ein selbständiges
,Dezernat', das heißt eine Kategorie von Arbeiten, die einem zugewiesen sind,
^' betrifft dies die Ausgrabungen in Pergamus, in Olympia, das archäologische
Institut in Rom. Es gibt bei dieser Sache immer ziemlich viel zu schreiben.
So geht mir z. B. soeben ein Schreiben von dein Kabinettssekretär der Kaiserin
zu, wonach Ihre Majestät einem französischen Kuustinstitut ein Buch über die
Ausgrabungen in Olympia schenken will. Ich entwerfe nun ein schönes
Schreiben ein unseren Gesandten in Paris, daß er das Buch den Leuten geben


Diplomaten-Erziehung

sind noch in der Abteilung der bekannte Lothar Bucher, ein etwas grämlicher
alter Herr, der aber sehr vergnügt war, als er an meiner Sprache hörte, daß
ich Süddeutscher sei; ferner Graf Nantzcm, Bismarcks Schwiegersohn; der aus
dem Arnimprozeß bekannte Herr von Holstein, der Artur von Florenz her
kannte und mir sagte, er habe an letzterem eine große Stütze gehabt; ferner
der Geheime Rat Busch, früher Generalkonsul in Budapest, und endlich der
Legationsrat Rudolf Lindau, Bruder des Paul Lindau, Redakteur der Gegen¬
wart. — Was man hier zu lesen bekommt, ist hochinteressant und wenn man
morgens die eingegangenen Depeschen liest, kann man sich ein gutes Teil
Zeitungslesen sparen. . .

„Berlin, den 28. August 1880.

. . . Soeben war . . . Geh. Rat Busch bei mir, um mich zu fragen, ob
ich nicht für vierzehn Tage oder drei Wochen als Geschäftsträger nach Kopen¬
hagen gehen wollte. Du hast vielleicht in der Zeitung gelesen, daß unser
g,mi Magnus bei einem zu Ehren der französischen Schauspielerin Sarah Bern¬
hard gegebenen Diner einen törichten Toast ausbrachte und dadurch sich un¬
möglich gemacht hat. Du kannst Dir denken, daß ich mit Freuden zugesagt
habe; denn erstlich ist es sehr interessant in geschäftlicher Hinsicht; zweitens
mache ich auf des Reiches Kosten eine hübsche Reise und drittens wird es auf
meinen Urlaub keinen nachteiligen Einfluß ausüben, da ich nur solange hin¬
gehe, bis der dortige etatsmäßige Legationssekretär Graf Goltz von seinem
Urlaub zurück ist. Die Sachs ist aber noch keineswegs sicher, sondern bis jetzt
bloß eine Anfrage, also sprich bitte zu niemand davon. Was meine Tätigkeit
hier betrifft, so arbeite ich im allgemeinen unter der Leitung des Geh. Rat
Busch in der orientalischen Frage. Sehr interessant ist es, daß man jeden
Morgen sämtliche eingegangenen Telegramme und Berichte zu lesen bekommt,
die zum Teil die wichtigsten Staatsgeheimnisse enthalten. Dann muß ich jeden
Tag ein Dutzend Zeitungen lesen, deutsch, französisch, englisch. Letzteres machte
mir anfangs viele Mühe, doch habe ich mich jetzt ziemlich hineingearbeitet. Auch
habe ich schon verschiedene politische und nichtpolitische Artikel für die Zeitungen
geschrieben. Erstere darf ich Dir leider nicht mitteilen, da niemand wissen darf,
daß sie vom Auswärtigen Amt ausgehen. Die nichtpolitischen sind nur unter¬
geordneter Natur, anbei schicke ich Dir eine Probe.

Seitdem Legationsrat Lindau in Urlaub ist, habe ich ein selbständiges
,Dezernat', das heißt eine Kategorie von Arbeiten, die einem zugewiesen sind,
^' betrifft dies die Ausgrabungen in Pergamus, in Olympia, das archäologische
Institut in Rom. Es gibt bei dieser Sache immer ziemlich viel zu schreiben.
So geht mir z. B. soeben ein Schreiben von dein Kabinettssekretär der Kaiserin
zu, wonach Ihre Majestät einem französischen Kuustinstitut ein Buch über die
Ausgrabungen in Olympia schenken will. Ich entwerfe nun ein schönes
Schreiben ein unseren Gesandten in Paris, daß er das Buch den Leuten geben


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[0604] Diplomaten-Erziehung sind noch in der Abteilung der bekannte Lothar Bucher, ein etwas grämlicher alter Herr, der aber sehr vergnügt war, als er an meiner Sprache hörte, daß ich Süddeutscher sei; ferner Graf Nantzcm, Bismarcks Schwiegersohn; der aus dem Arnimprozeß bekannte Herr von Holstein, der Artur von Florenz her kannte und mir sagte, er habe an letzterem eine große Stütze gehabt; ferner der Geheime Rat Busch, früher Generalkonsul in Budapest, und endlich der Legationsrat Rudolf Lindau, Bruder des Paul Lindau, Redakteur der Gegen¬ wart. — Was man hier zu lesen bekommt, ist hochinteressant und wenn man morgens die eingegangenen Depeschen liest, kann man sich ein gutes Teil Zeitungslesen sparen. . . „Berlin, den 28. August 1880. . . . Soeben war . . . Geh. Rat Busch bei mir, um mich zu fragen, ob ich nicht für vierzehn Tage oder drei Wochen als Geschäftsträger nach Kopen¬ hagen gehen wollte. Du hast vielleicht in der Zeitung gelesen, daß unser g,mi Magnus bei einem zu Ehren der französischen Schauspielerin Sarah Bern¬ hard gegebenen Diner einen törichten Toast ausbrachte und dadurch sich un¬ möglich gemacht hat. Du kannst Dir denken, daß ich mit Freuden zugesagt habe; denn erstlich ist es sehr interessant in geschäftlicher Hinsicht; zweitens mache ich auf des Reiches Kosten eine hübsche Reise und drittens wird es auf meinen Urlaub keinen nachteiligen Einfluß ausüben, da ich nur solange hin¬ gehe, bis der dortige etatsmäßige Legationssekretär Graf Goltz von seinem Urlaub zurück ist. Die Sachs ist aber noch keineswegs sicher, sondern bis jetzt bloß eine Anfrage, also sprich bitte zu niemand davon. Was meine Tätigkeit hier betrifft, so arbeite ich im allgemeinen unter der Leitung des Geh. Rat Busch in der orientalischen Frage. Sehr interessant ist es, daß man jeden Morgen sämtliche eingegangenen Telegramme und Berichte zu lesen bekommt, die zum Teil die wichtigsten Staatsgeheimnisse enthalten. Dann muß ich jeden Tag ein Dutzend Zeitungen lesen, deutsch, französisch, englisch. Letzteres machte mir anfangs viele Mühe, doch habe ich mich jetzt ziemlich hineingearbeitet. Auch habe ich schon verschiedene politische und nichtpolitische Artikel für die Zeitungen geschrieben. Erstere darf ich Dir leider nicht mitteilen, da niemand wissen darf, daß sie vom Auswärtigen Amt ausgehen. Die nichtpolitischen sind nur unter¬ geordneter Natur, anbei schicke ich Dir eine Probe. Seitdem Legationsrat Lindau in Urlaub ist, habe ich ein selbständiges ,Dezernat', das heißt eine Kategorie von Arbeiten, die einem zugewiesen sind, ^' betrifft dies die Ausgrabungen in Pergamus, in Olympia, das archäologische Institut in Rom. Es gibt bei dieser Sache immer ziemlich viel zu schreiben. So geht mir z. B. soeben ein Schreiben von dein Kabinettssekretär der Kaiserin zu, wonach Ihre Majestät einem französischen Kuustinstitut ein Buch über die Ausgrabungen in Olympia schenken will. Ich entwerfe nun ein schönes Schreiben ein unseren Gesandten in Paris, daß er das Buch den Leuten geben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/604>, abgerufen am 22.07.2024.