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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Diplomaten-Lrziehmig

man sich dieselbe von einen, Schreiber seinerzeit ins Reine schreiben lassen
kann, so werde ich Dir mein Konzept, wenn ich die Arbeit abgegeben habe, zur
Lektüre schicken. Für die Zeit der Arbeit bin ich vom Dienste im Auswärtigen
Amte dispensiert; ich habe nur noch die Bearbeitung eines Vertrages mit
Brasilien behalten, weil ich in dem ziemlich umfangreichen Aktenmaterial schon
bewandert bin. Als ich mich gestern bei dem Direktor des Amts, Exzellenz
von Philipsborn, abmeldete, sagte er mir: ,Sie haben sehr fleißig gearbeitet,
das muß ich anerkennen.' -- Da ich nun mich mit ganzer Kraft auf die Arbeit
werfen kann, so hoffe ich -- und ebenso Graf Monts, der in derselben Lage
ist --, die Arbeit vor Ablauf der vier Monate abgeben zu können. Sobald
wir dieselbe abgegeben haben, werden wir zu Legationssekretären ernannt und
Monts kommt dann nach Brüssel, ich nach Rom oder Paris. . . .

"Berlin, den 12. Juni 1880.


Liebe Mama.

Zunächst die Nachricht, daß ich soeben von Herrn von Bülow meine Er¬
nennung zum Legationssekretär erfahren habe. Artur hat Dir, soviel ich weiß,
schon mitgeteilt, daß ich zunächst hier in der politischen Abteilung arbeiten soll.
Doch des Himmels, Artur sagt, es heißt "des Lebens" usw. ungelenke Freude,
ward keinem Sterblichen zuteil! Es ist mir heute gleichfalls von Herrn von
Bülow mitgeteilt worden, daß ich mich sogleich dein: Fürsten Hohenlohe zum
Antritt meiner neuen Tätigkeit zu melden hätte und daß mir, in Anbetracht
der gestrigen Arbeiten wegen des am Mittwoch zusammentretender Kongresses,
jetzt kein Urlaub bewilligt werden könne. . . ."

"Berlin, den 16. Juni 1880.

... Ich arbeite eben ähnlich, wie bisher in der Handelsabteilung, in der
Abteilung für höhere Politik. Gestern habe ich mich bei Fürst Hohenlohe
gemeldet, der sehr liebenswürdig war, mich auch fragte, ob ich mit Onkel August
verwandt sei. Hohenlohe hat mich dem Geheimen Rat Busch zugeteilt, unter
dessen Auspizien ich nun arbeiten werde. Heute trete ich meinen Dienst an. --
B. ist zurzeit Protokollführer bei der Konferenz, war früher in Konstantinopel,
dann hier im Auswärtigen Amt, dann als Generalkonsul in Budapest, und
jetzt ist er wieder hier in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts als
vortragender Rat. Von Spitzembergs erfuhr ich. als ich gestern zum Essen dort
war (IXV. das fünfte oder sechstemal in diesem Winter), daß der Reichskanzler
erst Ende dieser oder Anfang nächster Woche geht und zwar nach Friedrichs-
ruhe; was die Zeitungen über die Kissinger Reise schreiben, ist daher alles
Hnmbug. . .

"Berlin, den 22. Juni 1880.

.. . Ich bin jetzt hier schon vollständig installiert, doch besteht meine
Beschäftigung hauptsächlich noch in allgemeiner Information---- Außerdem


Diplomaten-Lrziehmig

man sich dieselbe von einen, Schreiber seinerzeit ins Reine schreiben lassen
kann, so werde ich Dir mein Konzept, wenn ich die Arbeit abgegeben habe, zur
Lektüre schicken. Für die Zeit der Arbeit bin ich vom Dienste im Auswärtigen
Amte dispensiert; ich habe nur noch die Bearbeitung eines Vertrages mit
Brasilien behalten, weil ich in dem ziemlich umfangreichen Aktenmaterial schon
bewandert bin. Als ich mich gestern bei dem Direktor des Amts, Exzellenz
von Philipsborn, abmeldete, sagte er mir: ,Sie haben sehr fleißig gearbeitet,
das muß ich anerkennen.' — Da ich nun mich mit ganzer Kraft auf die Arbeit
werfen kann, so hoffe ich — und ebenso Graf Monts, der in derselben Lage
ist —, die Arbeit vor Ablauf der vier Monate abgeben zu können. Sobald
wir dieselbe abgegeben haben, werden wir zu Legationssekretären ernannt und
Monts kommt dann nach Brüssel, ich nach Rom oder Paris. . . .

„Berlin, den 12. Juni 1880.


Liebe Mama.

Zunächst die Nachricht, daß ich soeben von Herrn von Bülow meine Er¬
nennung zum Legationssekretär erfahren habe. Artur hat Dir, soviel ich weiß,
schon mitgeteilt, daß ich zunächst hier in der politischen Abteilung arbeiten soll.
Doch des Himmels, Artur sagt, es heißt „des Lebens" usw. ungelenke Freude,
ward keinem Sterblichen zuteil! Es ist mir heute gleichfalls von Herrn von
Bülow mitgeteilt worden, daß ich mich sogleich dein: Fürsten Hohenlohe zum
Antritt meiner neuen Tätigkeit zu melden hätte und daß mir, in Anbetracht
der gestrigen Arbeiten wegen des am Mittwoch zusammentretender Kongresses,
jetzt kein Urlaub bewilligt werden könne. . . ."

„Berlin, den 16. Juni 1880.

... Ich arbeite eben ähnlich, wie bisher in der Handelsabteilung, in der
Abteilung für höhere Politik. Gestern habe ich mich bei Fürst Hohenlohe
gemeldet, der sehr liebenswürdig war, mich auch fragte, ob ich mit Onkel August
verwandt sei. Hohenlohe hat mich dem Geheimen Rat Busch zugeteilt, unter
dessen Auspizien ich nun arbeiten werde. Heute trete ich meinen Dienst an. —
B. ist zurzeit Protokollführer bei der Konferenz, war früher in Konstantinopel,
dann hier im Auswärtigen Amt, dann als Generalkonsul in Budapest, und
jetzt ist er wieder hier in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts als
vortragender Rat. Von Spitzembergs erfuhr ich. als ich gestern zum Essen dort
war (IXV. das fünfte oder sechstemal in diesem Winter), daß der Reichskanzler
erst Ende dieser oder Anfang nächster Woche geht und zwar nach Friedrichs-
ruhe; was die Zeitungen über die Kissinger Reise schreiben, ist daher alles
Hnmbug. . .

„Berlin, den 22. Juni 1880.

.. . Ich bin jetzt hier schon vollständig installiert, doch besteht meine
Beschäftigung hauptsächlich noch in allgemeiner Information---- Außerdem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/603>, abgerufen am 22.07.2024.