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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Hceresverstärkung

die Friedensstärke des deutschen Heeres stets auf sieben Jahre im voraus be¬
willigen sollten, und glaubten, daß sie dadurch an den ihnen zustehenden gesetz¬
geberischen Rechten gekürzt würden. Die Regierung trug diesen Bedenken der
Volksvertretung insofern Rechnung, als sie sich im März 1899 mit dem Reichs¬
tage statt des Septennates auf ein Quinquennat einigte. Zugleich wurde ein
Systemwechsel herbeigeführt. Die Feststellung der Friedenspräsenz erfolgt nicht
mehr auf einmal über eine längere Reihe von Jahren hinaus, wie unter dem
Septennatsgesetz, sondern alljährlich durch den Etat, obwohl alle fünf Jahre
ein Organisations- und Vermehrungsplan dem Reichstage vorgelegt wird.
Daraus ergibt sich, daß die Heeresverwaltung die von ihr im Laufe eines
Jahrfünfts geplanten und vom Reichstage auch schon gebilligten Änderungen
in der Organisation des Reichsheeres nicht unverzüglich auszuführen vermag.
Sie hat gebundene Marschroute, die nur durch ein neues Ergänzungsgesetz g"°
ändert werden könnte. So enthält z. B. das Gesetz über die Friedens¬
präsenz des Heeres vom 27. März 1911 und das Ergänzungsgesetz dazu
vom 14. Juni 1912 jene Änderungen in der Organisation des Reichsheeres,
die nach den gesetzlichen Bestimmungen in den Jahren 1911 bis 1915 durch¬
zuführen sind. Davon ist einiges bereits ausgeführt. Andere in dem Plane
gebilligten Neuformationen sind z. B. aber erst in dem diesjährigen Etat ent¬
halten und müssen noch vom Reichstage bewilligt werden. Kann die Volks¬
vertretung dies auch nicht gut verweigern ohne den Vorwurf der Inkonse¬
quenz auf sich zu laden, so darf doch die Heeresverwaltung nichts vorher ver¬
fügen, ehe das bestätigende Votum des Reichstages vorliegt. Wenn somit die
Aufstellung einiger Neuformationen, die in den Friedenspräsenzgesetzen von
1911 und 1912 prinzipiell gebilligt worden sind, bisher noch nicht erfolgte, so
liegt das nicht an den mangelhaften Vorbereitungen des Kriegsministeriums,
sondern daran, daß sie von vornherein von der Heeresverwaltung nicht zu
einem früheren Zeitpunkte vorgesehen waren und nunmehr nicht früher erfolgen
kann, als bis sie die Kosten durch den Etat vom Reichstage angefordert und
bewilligt erhalten hat. Dazu gehören auch die achtzig Maschinengewehrkompagnien,
die erst am 1. Oktober 1913 errichtet werden und die es gerade sind, weshalb
ein Teil der Militärschriftsteller im vorigen Herbst den Kriegsminister tadelte.




Soviel von den Plänen über die neueste Heeresvorlage bekannt geworden
ist, läßt sich annehmen, daß das Hauptaugenmerk des Kriegsministeriums gerichtet
ist auf den inneren Ausbau der Armee, daß also größere Neuformationen und
die Aufstellung von achtzig und mehr tausend Mann jährlich, wie von ver¬
schiedenen Seiten gefordert und behauptet wird, nicht zu erwarten steht. Ab¬
gesehen von der Aufstellung von achtzehn noch fehlenden dritten Bataillonen
bekommt wirkliche Neuformationen wohl nur die Kavallerie, nämlich dreißig neue
Schwadronen oder sechs Regimenter. Das würde einem langgehegten Wunsch
entsprechen und vor allen Dingen auch der Notwendigkeit Rechnung tragen, die


Hceresverstärkung

die Friedensstärke des deutschen Heeres stets auf sieben Jahre im voraus be¬
willigen sollten, und glaubten, daß sie dadurch an den ihnen zustehenden gesetz¬
geberischen Rechten gekürzt würden. Die Regierung trug diesen Bedenken der
Volksvertretung insofern Rechnung, als sie sich im März 1899 mit dem Reichs¬
tage statt des Septennates auf ein Quinquennat einigte. Zugleich wurde ein
Systemwechsel herbeigeführt. Die Feststellung der Friedenspräsenz erfolgt nicht
mehr auf einmal über eine längere Reihe von Jahren hinaus, wie unter dem
Septennatsgesetz, sondern alljährlich durch den Etat, obwohl alle fünf Jahre
ein Organisations- und Vermehrungsplan dem Reichstage vorgelegt wird.
Daraus ergibt sich, daß die Heeresverwaltung die von ihr im Laufe eines
Jahrfünfts geplanten und vom Reichstage auch schon gebilligten Änderungen
in der Organisation des Reichsheeres nicht unverzüglich auszuführen vermag.
Sie hat gebundene Marschroute, die nur durch ein neues Ergänzungsgesetz g»°
ändert werden könnte. So enthält z. B. das Gesetz über die Friedens¬
präsenz des Heeres vom 27. März 1911 und das Ergänzungsgesetz dazu
vom 14. Juni 1912 jene Änderungen in der Organisation des Reichsheeres,
die nach den gesetzlichen Bestimmungen in den Jahren 1911 bis 1915 durch¬
zuführen sind. Davon ist einiges bereits ausgeführt. Andere in dem Plane
gebilligten Neuformationen sind z. B. aber erst in dem diesjährigen Etat ent¬
halten und müssen noch vom Reichstage bewilligt werden. Kann die Volks¬
vertretung dies auch nicht gut verweigern ohne den Vorwurf der Inkonse¬
quenz auf sich zu laden, so darf doch die Heeresverwaltung nichts vorher ver¬
fügen, ehe das bestätigende Votum des Reichstages vorliegt. Wenn somit die
Aufstellung einiger Neuformationen, die in den Friedenspräsenzgesetzen von
1911 und 1912 prinzipiell gebilligt worden sind, bisher noch nicht erfolgte, so
liegt das nicht an den mangelhaften Vorbereitungen des Kriegsministeriums,
sondern daran, daß sie von vornherein von der Heeresverwaltung nicht zu
einem früheren Zeitpunkte vorgesehen waren und nunmehr nicht früher erfolgen
kann, als bis sie die Kosten durch den Etat vom Reichstage angefordert und
bewilligt erhalten hat. Dazu gehören auch die achtzig Maschinengewehrkompagnien,
die erst am 1. Oktober 1913 errichtet werden und die es gerade sind, weshalb
ein Teil der Militärschriftsteller im vorigen Herbst den Kriegsminister tadelte.




Soviel von den Plänen über die neueste Heeresvorlage bekannt geworden
ist, läßt sich annehmen, daß das Hauptaugenmerk des Kriegsministeriums gerichtet
ist auf den inneren Ausbau der Armee, daß also größere Neuformationen und
die Aufstellung von achtzig und mehr tausend Mann jährlich, wie von ver¬
schiedenen Seiten gefordert und behauptet wird, nicht zu erwarten steht. Ab¬
gesehen von der Aufstellung von achtzehn noch fehlenden dritten Bataillonen
bekommt wirkliche Neuformationen wohl nur die Kavallerie, nämlich dreißig neue
Schwadronen oder sechs Regimenter. Das würde einem langgehegten Wunsch
entsprechen und vor allen Dingen auch der Notwendigkeit Rechnung tragen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/552>, abgerufen am 01.07.2024.